Bayerischer U-Ausschuss zum NSU Zweifel an Glaubwürdigkeit von André E.
Der verurteilte NSU-Unterstützer André E. hat vor dem U-Ausschuss des bayerischen Landtags ausgesagt. Mit den NSU-Terroristen will er nur über Alltägliches gesprochen haben, aus der Szene sei er ausgestiegen.
Vor den bayerischen Abgeordneten erscheint E. in grün-gelb kariertem Hemd, weiten Jeans und kurzen Haaren. Ins Auge stechen seine Tattoos, sichtbar an Händen und Hals. In den folgenden knapp fünf Stunden antwortet er auf Fragen nach seinem Ausstieg aus der Szene und seinem Verhältnis zu den NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe.
2018 war E. im NSU-Prozess vom Oberlandesgericht München wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Ein geläuterter Nazi?
2019 begann E. nach eigenen Angaben, seine strafrechtlich relevanten Nazi-Tattoos entfernen zu lassen, darunter eine Tätowierung auf seinem Bauch: "Die, jew, die" ("Stirb, Jude, stirb"). Auch die Entfernung soll ein Zeichen für seinen Ausstieg aus der rechtsextremen Szene sein. E. sagt über sich, er sei jetzt unpolitisch. Bei Menschen zähle für ihn nun der Charakter, "egal, aus welchem Land sie kommen".
Zur Vernehmung geladen hatten ihn die bayerischen Abgeordneten im inzwischen 15. deutschen NSU-Untersuchungsausschuss. Sie wollten von ihm mehr über seine Verbindungen nach Bayern und speziell nach Nürnberg erfahren. Allein dort hat der NSU drei Menschen ermordet. Vermutet wird, dass die Terrorgruppe Unterstützer vor Ort hatte, die mögliche Opfer ausspähten.
Wie glaubwürdig sind die Aussagen?
Aufschluss erhofften sich die Landtagsabgeordneten auch über E.s Verhältnis zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe. Die drei Terroristen lebten mit Unterstützung E.s zwölf Jahre unentdeckt im Untergrund. Sie verübten Sprengstoffanschläge und Raubüberfälle und ermordeten insgesamt zehn Menschen, neun von ihnen mit türkischem oder griechischem Migrationshintergrund.
E. erklärte in der Vernehmung, er habe keinen engen Kontakt zum NSU-Trio gehabt. Man habe bei den gelegentlichen Treffen nur über Alltägliches gesprochen. Rassistische Mörder, die mit dem glühenden Nationalsozialisten André E. nur über Unpolitisches sprechen, das sei unglaubwürdig, so der Vorsitzende des Münchner NSU-Untersuchungsausschusses Toni Schuberl von den Grünen.
"Einen NSU-Mord hätte E. verhindern können"
Fragen, warum E. angeblich nie die Gründe wissen wollte, warum Böhnhardt und Mundlos Banken überfallen hätten, beantwortete E. den Abgeordneten so: Er sei jung und überfordert gewesen, er könne sich nicht erinnern, er habe nichts damit zu tun haben wollen.
Grünen-Politiker Schuberl vermisst bei E. die Beschäftigung mit den Folgen des eigenen Handelns. 2007 habe E. durch Beate Zschäpe von den Banküberfällen erfahren. Wenn er mit diesem Wissen zur Polizei gegangen wäre, hätte der NSU-Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter im selben Jahr in Heilbronn verhindert werden können, hält Schuberl dem Zeugen vor. E. antwortet nur, ihm sei "das Zeitliche nicht bewusst gewesen".
Erinnerungslücken wegen einer Gehirnblutung
Häufig sagt E. im Lauf der Vernehmung, er könne sich an Details nicht erinnern. Das liege unter anderem an einer Gehirnblutung, die er im Jahr 2000 nach einer Schlägerei bekommen habe.
Der Ausschuss-Vorsitzende Schuberl ist dennoch - zumindest teils - zufrieden: Er sei froh, dass der Ausschuss E. erstmals zum Reden gebracht habe.
Das "Stirb, Jude, stirb"-Tattoo will sich E. übrigens bereits als 16-Jähriger habe stechen lassen. Es sei eine Zeile aus einem Lied einer englischen Skinhead-Band. So gut Englisch habe er nicht gekonnt und sich keine Gedanken darüber gemacht, erzählt E. den Abgeordneten. Und, als Zeichen für seinen Ausstiegswillen: "Das ist menschenverachtend. Damals hatte ich noch eine politische Einstellung."