Petersberger Klimadialog Scholz warnt vor Rückkehr fossiler Energien
Auf dem Petersberger Klimadialog hat Kanzler Scholz vor einer weltweiten Renaissance der Kohleverstromung gewarnt. Er versicherte erneut: Trotz aktueller Energiekrise halte Deutschland an seinen Klimazielen fest.
Angesichts der Energiekrise im Zuge des Ukraine-Kriegs hat Bundeskanzler Olaf Scholz vor einer Rückkehr der Kohleenergie gewarnt. "Was uns nicht passieren darf, das ist, jetzt in eine globale Renaissance der fossilen Energie und insbesondere der Kohle hineinzuschlittern", sagte der SPD-Politiker auf dem Petersberger Klimadialog in Berlin.
"Niemand kann zufrieden damit sein, dass auch bei uns der Anteil der Kohleverstromung gerade wieder steigt, als Reaktion auf drohende Engpässe bei der Gasversorgung", so Scholz weiter. Es handele sich aber eindeutig um eine befristete Notmaßnahme. "Wir müssen raus aus Kohle, Öl und Gas - fast hätte ich gesagt: und zwar mit Vollgas." Die Devise laute: Jetzt erst recht.
Scholz erinnert G7 an Zusagen
Die Notmaßnahmen sollen laut Scholz nicht zu Lasten der Klimaziele Deutschlands gehen. "Alles, was wir heute zur Sicherung der Gasversorgung tun, muss in Einklang stehen mit unserem Ziel, in Zukunft in Deutschland und weltweit CO2-neutral zu werden", sagte Scholz. Konkret bedeute dies, dass keine neuen dauerhaften Abhängigkeiten von fossilen Energiequellen geschaffen würden. In Deutschland nicht, aber auch nicht in den Produktionsländern. Wenn heute neue Energiepartnerschaften geschlossen würden, dann nur mit der klaren Perspektive für die Energiewende.
Scholz erinnerte zudem an die Zusage der wichtigsten westlichen Industriestaaten (G7), so schnell wie möglich 100 Milliarden Dollar jährlich für die Klimafinanzierung in ärmeren Ländern zusammenzubringen. "Deutschland will bis spätestens 2025 das Ziel erreichen, mit mindestens sechs Milliarden Euro jährlich hierzu beizutragen", fügte er hinzu. Man werde auch praktikable Lösungen im Umgang mit klimawandelbedingten Verlusten und Schäden finden, sagte er zu einer Forderung der Entwicklungs- und Schwellenländer.
Scholz betonte erneut, das Pariser Klimaabkommen im Blick zu haben. Hitzewellen in der ganzen Welt, Fluten wie in Brasilien oder im Ahrtal zeigten: "Wir müssen die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen."
Baerbock glaubt weiter an 1,5-Grad-Ziel
Auch Außenministerin Annalena Baerbock hatte zum Auftakt in Berlin versichert: Zwar müssten für einen kurzen Zeitraum Kohlekraftwerke als Reserve eingesetzt werden - "aber nur als Reserve". Das bedeute nicht, "dass wir das 1,5-Grad-Ziel aufgeben". Russlands Krieg habe "auch die letzten Skeptikerinnen und Skeptiker in Deutschland überzeugt, dass wir nur mit mehr erneuerbarer Energie und Energieeffizienz unsere Energiesicherheit gewährleisten können".
Experten halten das 1,5-Grad-Ziel allerdings für kaum noch erreichbar. Nach Überzeugung des Klimaforschers und Meteorologen Mojib Latif könnten vermutlich nicht einmal zwei Grad geschafft werden. "Nimmt man das, was die Politik weltweit derzeit macht, sind wir eher auf dem Kurs drei Grad", sagte der Präsident der Akademie der Wissenschaften in Hamburg, den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.
Internationale Politik habe "auf ganzer Linie versagt"
"Wir nähern uns dem Punkt, an dem man sich eingestehen muss: Die Zeit ist abgelaufen", fügte der Wissenschaftler hinzu. Aktuell sei die Welt schon bei gut einem Grad Erwärmung angekommen. "Drei Grad wären eine Katastrophe." Latif warf der Politik Tatenlosigkeit vor. Es gebe scheinbar immer Wichtigeres als den Umweltschutz, beklagt der Klimaforscher. "Weltweit betrachtet haben wir in den letzten Jahrzehnten das Klimaproblem praktisch ignoriert", sagte er. Die internationale Politik habe auf der ganzen Linie versagt, trotz Paris und anderer Konferenzen.
Außenministerin Baerbock rief beim Petersberger Klimadialog die Weltgemeinschaft auf, die Ziele der Klimakonferenzen einzuhalten. Es blieben noch acht Jahre, um die klimaschädlichen Emissionen um gut die Hälfte zu senken - wie im schottischen Glasgow vereinbart. Baerbock mahnte: Die Klimakrise sei die "größte Herausforderung für internationale Sicherheit in unserer Zeit". Sie bedrohe das Leben von Millionen von Menschen, Frieden und Stabilität weltweit, so die Grünen-Politikerin.
Ferner müsse das Augenmerk noch stärker auf die Auswirkungen des Klimawandels gelegt werden. "Wir als Industrieländer müssen unserer Verantwortung gerecht werden und unsere Zusagen einhalten, die wir in Paris gemacht haben", betonte die Ministerin. Das bedeute, das 100-Milliarden-Dollar-Ziel für Klimafinanzierung zu erreichen und die gemeinsame Finanzierung für Anpassungsmaßnahmen im Vergleich zu 2019 zu verdoppeln.
Neubauer nennt Scholz "fossilen Kanzler"
Vor Beginn der Veranstaltung hatte Klimaaktivistin Luisa Neubauer Bundeskanzler Scholz scharf kritisierte und ihn als "fossilen Kanzler" bezeichnet. Scholz müsse jetzt einen Plan vorlegen, wie er die Menschen vor der Klimakrise schützen und den globalen Süden finanziell unterstützen wolle, sagte Neubauer von der Umweltbewegung "Fridays for Future" der "Rheinischen Post". "Die ersten sieben Monate seiner Kanzlerschaft war Olaf Scholz kein Klimakanzler, sondern ein fossiler Kanzler - neue Gasförderung in Senegal, ein fossiler G7-Gipfel, neue fossile Energieverträge. Das ist dramatisch."
Ägypten bietet Energiepartnerschaft an
Beim Petersberger Klimadialog stimmen sich Minister und Vertreter aus etwa 40 Staaten über den weiteren Kurs im Kampf gegen den Klimawandel ab. Deutschland und Ägypten sind Ausrichter der Konferenz, die auch Weichen für die Weltklimakonferenz COP27 Anfang November im ägyptischen Küstenort Sharm El-Sheikh stellen soll.
Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi bot Deutschland eine Energiepartnerschaft an. "Die Gasproduktion im Osten des Mittelmeers könnte man durch Ägypten nach Europa liefern und exportieren", sagte al-Sisi der offiziellen Übersetzung zufolge bei einer Pressekonferenz mit Bundeskanzler Scholz.
Scholz erklärte, er habe mit Al-Sisi sowohl über kurzfristige als auch langfristige gemeinsame Projekte gesprochen. Auf kurze Sicht gehe es darum, Erdgas nach Europa zu schaffen, langfristig um den Ausbau erneuerbarer Energien und die Produktion von grünem Wasserstoff.
Auch um die Lage der Menschenrechte in Ägypten sei es in den Gesprächen gegangen, bestätigten beide Regierungschefs. Details wurden aber nicht genannt.