Reaktionen auf gestopptes Heizungsgesetz "Schwere Niederlage" für die Bundesregierung
Der vom Bundesverfassungsgericht erzwungene Aufschub einer Abstimmung über das Heizungsgesetz spiegelt für die Opposition die Fehler der Bundesregierung wider. Ein "komplett neuer Anlauf" sei nötig. Wann der möglich ist, darüber beraten die Ampelfraktionen nun.
Der Bundestag wird nicht mehr vor der Sommerpause über das umstrittene Heizungsgesetz abstimmen. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass den Abgeordneten mehr Zeit für die Beratungen eingeräumt werden muss. Die Opposition wertet das Urteil als deutlichen Rückschlag für die Ampelkoalition. Die wiederum versucht, sich betont gelassen zu geben.
Von einer "schweren Niederlage" für die Bundesregierung schrieb Friedrich Merz auf Twitter. Der CDU-Chef zeigte sich erleichtert, dass Karlsruhe dem "unsäglichen Umgang" der Ampelkoalition "mit dem Parlament und der Öffentlichkeit" einen Riegel vorgeschoben habe. Die Bundesregierung sei gut beraten, nun "innezuhalten", denn "so wie bisher kann es im Deutschen Bundestag nicht weitergehen".
Heilmann: "Habe der Ampel einen Gefallen getan"
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann, auf dessen Initiative die Verfassungsbeschwerde zurückging, meinte in Berlin, er habe der Ampel aus seiner Sicht "einen Gefallen getan". Hätte man das Gesetz verabschiedet, wäre es danach "formell verfassungsmäßig mindestens angreifbar" gewesen.
Heilmann, der auch Vorsitzender der Klimaunion in der Unionsfraktion ist, betonte auch, dass seine Beschwerde sich nicht gegen das neue Gebäudeenergiegesetz an sich gerichtet habe. Er halte es vielmehr ausdrücklich für richtig, fossile Energie "so effektiv wie möglich einzusparen, auch im Gebäudesektor".
Es müsse aber die Möglichkeit geben, "wichtige Details" des Gesetzes noch einmal zu beraten. Das könne bereits in einer Sondersitzung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie nächste Woche erfolgen mit anschließender Schlussberatung im Plenum, aber "wahrscheinlich wären zwei Wochen besser". Die Ausschusssitzung könne dabei auch digital erfolgen, damit niemand extra anreisen müsse.
CDU-Abgeordneter Hellmann stellte Eilantrag gegen Abtimmung des Heizungsgesetzes vor der Sommerpause
Zu hohes Tempo mache Verfahren fehleranfällig
Auch Hessens Ministerpräsident Boris Rhein kritisierte den von SPD, Grünen und FDP angestrebten Weg des verkürzten Gesetzgebungsverfahren mit klaren Worten. "Die Ampelkoalition muss jetzt dringend lernen, Gesetzesvorhaben auf dem regulären Weg in den Bundestag, aber eben auch in den Bundesrat einzubringen", sagte der CDU-Politiker der Nachrichtenagentur dpa. Fristverkürzungen seien eine für Notsituationen gedachte Regelung - doch "wir sind nicht in einer Notsituation", betonte der hessische Landeschef.
Landesregierungen und die Verwaltungen der Länder seien überfordert, in kürzester Zeit komplexe Gesetzesvorhaben über Hunderte Seiten zu durchdringen, warnte Rhein. Das mache das Arbeiten fehleranfällig - und ein solcher Weg sei in einer so schwierigen Frage wie dem Klimawandel nicht hilfreich.
"Grundlegend neuer Anlauf" für Gesetz nötig
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte die Koalition auf, das Gesetz nun zurückzuziehen. "Die wiederholte Missachtung des Parlaments durch die Ampel-Regierung hat jetzt durch das Bundesverfassungsgericht ein Stoppschild aufgestellt bekommen", erklärte er. "Die Ampel sollte jetzt in sich gehen und dieses Murks-Gesetz endlich einstampfen." Die Entscheidung sei "eine schwere Klatsche für die Arroganz-Ampel und ihren respektlosen Umgang mit den Parlamentsrechten und der Öffentlichkeit."
Und auch der stellvertretende CDU-Vorsitzende Andreas Jung hielt im Gespräch mit der dpa einen "grundlegend neuen Anlauf" für notwendig, um letzten Endes "ein überzeugendes Gesamtkonzept" vorlegen zu können, "statt das Zusammenkleben der Scherben zum geplanten Stückwerk". Ebenso sprachen sich sowohl der erste parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), als auch CSU-Generalsekretär Martin Huber dafür aus, das "verkorkste Gesetzgebungsverfahren auf null" zu stellen und nach der Sommerpause komplett neu aufzusetzen.
Der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch meldete Zweifel am geplanten Inkrafttreten des Gesetzes an. "Der 1. Januar 2024 wird nunmehr kaum zu halten sein", sagte er dem "Tagesspiegel". Er sah in der Karlsruher Entscheidung eine "schallende Ohrfeige für Robert Habeck".
Fraktionsspitzen beraten über weiteres Vorgehen
Die Ampelkoalition reagierte zunächst mit nüchterner Gelassenheit auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und stellte vor allem in den Fokus, dass es bei dieser Entscheidung nicht um das Gesetz an sich gehe, sondern um den Weg des Gesetzgebungsverfahrens.
"Wir nehmen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Kenntnis und werden diese Woche im Bundestag nicht mehr entscheiden", teilte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich mit. Über das weitere Vorgehen und wann die zweite und dritte Lesung des Gebäudeenergiegesetzes stattfinden wird, sollen die Fraktionsspitzen von SPD, Grünen und FDP noch im Laufe des Tages entscheiden.
Zuvor hatte bereits Matthias Miersch, stellvertretender SPD-Fraktionschef, betont, die Entscheidung der Karlsruher Richter sei "selbstverständlich zu respektieren". "Den Inhalt des Gesetzes betrifft sie nicht", sagte er der Düsseldorfer "Rheinischen Post". "Ausdrücklich weist das Gericht auf die Möglichkeit einer Sondersitzung hin, über die nun beraten werden muss."
Auch Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann brachte eine Sondersitzung des Bundestags während der Sommerpause ins Spiel - eine Option, die selbst das Gericht ins Gespräch gebracht habe, sagte sie dem Deutschlandfunk. Es sei wichtig, "Planungssicherheit für Bürgerinnen und Bürger, für die Industrie und die Wirtschaft", zu schaffen.
Kubicki sieht in Urteil "Quittung für die Grünen"
FDP-Fraktionschef Christian Dürr sah in dem Gerichtsbeschluss einen Beleg für umfangreiche Änderungen an der Novelle - auf diese hatte die FDP in der Koalition gepocht. Die nun zu respektierende Entscheidung unterstreiche, "dass das Gebäudeenergiegesetz vom Kopf auf die Füße gestellt wurde", so Dürr.
Doch es kommen auch andere Töne aus den Reihen der Regierungsparteien, die den koalitionsinternen Streit um das Heizungsgesetz neu anfachen könnten. So wertete der FDP-Vizevorsitzende Wolfgang Kubicki den Karlsruher Beschluss als "verdiente Quittung für die Grünen, die in dieses Verfahren einen unerklärlichen Druck hineingegeben haben", wie er der Funke Mediengruppe sagte.
Das Bundesverfassungsgericht hatte am Mittwochabend das umstrittene Heizungsgesetz vorerst gestoppt. Der Eilantrag des CDU-Abgeordneten Thomas Heilmann hatte damit Erfolg.