"Weiße Fahne"-Formulierung Bischofskonferenz nennt Papst-Äußerung "unglücklich"
In Deutschland stoßen die Äußerungen von Papst Franziskus zur Ukraine auf viel Unverständnis - auch in der katholischen Kirche selbst. Die Bischofskonferenz spricht von einer "unglücklichen" Äußerung.
Äußerungen von Papst Franziskus zum Krieg in der Ukraine haben auch Vertreter der katholischen Kirche in Deutschland auf den Plan gerufen. Die Deutsche Bischofskonferenz bezeichnete die Äußerungen des Papstes als "unglücklich", nahm ihn aber gleichzeitig gegen den Eindruck in Schutz, der Ukraine eine Kapitulation nahegelegt zu haben.
Franziskus hatte mit einem Appell zu Friedensverhandlungen in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine massiven Widerspruch ausgelöst. Der 87-Jährige gebrauchte dabei in einem Interview des Schweizer Fernsehens auch die Formulierung von der "weißen Fahne". Die weiße Fahne ist in Kriegszeiten das rechtlich geregelte Erkennungszeichen von Parlamentären, also Unterhändlern, sie wird aber auch als Zeichen der Kapitulation benutzt.
Irritierende Formulierung von der "weißen Fahne"
"Diese Formulierung war unglücklich", sagte Matthias Kopp, Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, der Nachrichtenagentur dpa. Der Papst habe damit aber nicht eine Kapitulation gegenüber dem Aggressor-Staat Russland gemeint, sondern die Bereitschaft zu Verhandlungen. Er habe sogar ausdrücklich hinzugefügt, dass Verhandeln "niemals eine Kapitulation" sei.
Wenn über diesen Punkt Klarheit herrsche, könne man im nächsten Schritt darüber diskutieren, wie sinnvoll ein solcher Appell zum Verhandeln sei, räumte Kopp ein und hinterfragte unter anderem die Verhandlungsbereitschaft Moskaus. Die Ukraine müsse selbst abwägen, wann der Moment für Friedensverhandlungen gekommen sei. Dem Heiligen Stuhl legt er nahe "eine inhaltliche Klärung seiner Position" zu kommunizieren.
Zuvor hatte bereits Papst-Sprecher Matteo Bruni der Darstellungen widersprochen, der Papst habe die Ukraine in dem Interview zur Kapitulation aufgefordert.
ZdK: Ukraine hat jedes Recht, sich zu verteidigen
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) forderte den Papst indes dazu auf, an Russland einen Appell zur Beendigung des Krieges gegen die Ukraine zu richten. "Die Ukraine hat jedes Recht, sich zu verteidigen", zitierte der "Tagesspiegel" die ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp. "Die Lieferung von Waffen, die dieser Verteidigung dienen, hält das ZdK weiter für nötig."
Stetter-Karp betonte auch, dass die langfristige Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine nicht durch eine Kapitulation zu erreichen sei. Das ZdK habe den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine früh und unmissverständlich verurteilt.
Moskau: Offen für Verhandlungen
Der Kreml betonte als Reaktion auf den Papst seine Bereitschaft zu Verhandlungen über eine Beendigung des Krieges. Russland verstehe die Äußerungen als Plädoyer für Verhandlungen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Nachrichtenagenturen zufolge. Präsident Wladimir Putin habe immer wieder davon gesprochen, bereit und offen für Verhandlungen zu sein. "Das ist der bevorzugte Weg", sagte Peskow.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wies den Appell des Papstes derweil zurück. In seiner täglichen Videoansprache dankte er am Sonntag allen Geistlichen, die an der Frontlinie die ukrainischen Streitkräfte mit Gebeten, Gesprächen und Taten unterstützten und das Leben und die Menschlichkeit schützten. Ohne den Papst zu erwähnen, fügte Selenskyj offenbar an ihn gerichtet hinzu: "Das ist, was die Kirche ist: zusammen mit den Menschen sein, nicht zweieinhalbtausend Kilometer entfernt, irgendwo, um virtuell zu vermitteln zwischen jemandem, der leben will, und jemandem, der dich zerstören will."
Merz: katholische Kirche ist nicht frei von Irrtum
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz wies die Papst-Aussage zurück: "Wie Sie sich vorstellen können, ist der Bundeskanzler in dieser Frage nicht der Meinung des Papstes", machte Regierungssprecher Steffen Hebestreit deutlich. "Richtig ist, dass die Ukraine sich gegen einen Aggressor wehrt." Hebestreit verwies darauf, dass man die Einordnung eines Vatikan-Sprechers zu den Äußerungen des Papstes zur Kenntnis genommen habe.
CDU-Vorsitzende Friedrich Merz wies die Papst-Äußerungen ebenfalls strikt zurück. "Auch als Mitglied der katholischen Kirche - ich teile sie nicht. Ich halte sie für grundfalsch", sagte er. Er sei von diesen Äußerungen überrascht gewesen. "Man sieht in der Geschichte: Auch die katholische Kirche ist nicht frei von Irrtum", sagte Merz.
Zuvor hatte sich bereits Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) die Papstäußerung kritisiert. "Ich verstehe es nicht in diesen Zeiten", sagte sie in der ARD-Sendung Caren Miosga. Auch ihr Parteichef Omid Nouripour zeigte sich irritiert. Vor dem Hintergrund ukrainischer Verluste sei es "schwer verwunderlich", was Papst Franziskus gesagt habe. "Wir dürfen eines nicht vergessen: Wenn Russland aufhört zu kämpfen, ist der Krieg zu Ende. Wenn die Ukraine aufhört zu kämpfen, dann ist die Ukraine zu Ende, und zwar unter russischer Besatzung."