"Kämpfer für Deutschland" steht auf dem Shirt eines Teilnehmers an einer Demonstration rechtsradikaler Gruppierungen.

Demokratieverbände ernüchtert "Die extreme Rechte ist in der Offensive"

Stand: 03.12.2024 14:24 Uhr

Rechtsextremes Gedankengut sickert immer weiter in die Mitte der Gesellschaft, warnen Demokratieverbände. Die AfD bereite das Feld dafür. Auch die Massendemonstrationen Anfang des Jahres konnten daran nichts ändern.

Hunderttausende Menschen gingen Anfang des Jahres gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Geschwächt haben die Proteste aus Sicht von Experten die extreme Rechte aber nicht.

"Die Großproteste haben bei vielen Menschen die Hoffnung geweckt, dass sich endlich der Wind dreht", sagte Dominik Schumacher vom Bundesverband Mobile Beratung für Demokratieprojekte. "Passiert ist leider das Gegenteil". Die extreme Rechte sei in der Offensive und die Demokratie bedroht wie lange nicht, sagte Schumacher. In Berlin stellte der Verband am Morgen seine Jahresbilanz vor.

AfD kann Einfluss weiter ausbauen

Die AfD habe beispiellose Erfolge eingefahren und sei in Ostdeutschland stärkste oder zweitstärkste Kraft geworden. Zugleich hätten demokratische Parteien Forderungen von Rechtsextremen übernommen, etwa beim Asylrecht. "Die extreme Rechte konnte also auch ohne Regierungsbeteiligung Einfluss nehmen", sagte Schumacher.

Auch im Westen habe die AfD ihren Einfluss ausbauen können und fungiere als Triebkraft für die gesamte extreme Rechte, hieß es. In ihrem Windschatten entstünden neue Neonazi-Gruppen, die gewaltbereit auftreten. Rassistische Parolen würden ihr Comeback im Mainstream feiern und rechte Jugendliche dominierten ganze Schulklassen.

Außerdem fühlten sich die gegen Rechtsextremismus Engagierten entmutigt und von der Politik alleingelassen. Für diese gehören Bedrohungen laut Schumacher immer häufiger zum Alltag.

"Es geht um die Abwehr von Extremismus"

Der Leipziger Demokratieforscher Oliver Decker sagte, nach der "Correctiv"-Enthüllung des sogenannten Potsdamer Treffens rechter Politiker hätten vor allem Menschen demonstriert, die sich als Mitte-links verstünden. "Es ist ein relevanter Teil der Gesellschaft, aber es ist natürlich nicht die Mehrheit", sagte Decker.

Es sei die Frage, wie man "Bündnisfähigkeiten" eher konservativer Menschen Mitte-rechts herstellen könne, denn es gehe um die Abwehr von Extremismus. "Wir können auf die in der Mobilisierung nicht verzichten", sagte Decker. Da gebe es Nachholbedarf.

Decker erklärte außerdem, dass es in der AfD eine enge Vernetzung mit rechtsextremen Gruppen gebe. Für ein Verbot der Partei sehe er aus wissenschaftlicher Sicht gute Gründe, es sei jedoch eine komplexe juristische Frage. "Was mir viel mehr fehlt, ist die ernste Auseinandersetzung der Politik mit den Ursachen: Warum ist die AfD so stark geworden, warum ist dagegen kein Kraut gewachsen?"

Rückblick auf Wahljahr ernüchternd

Sylvia Spehr vom Bündnis "Nordhausen zusammen" in Thüringen sagte, der Rückblick auf das Superwahljahr 2024 sei ernüchternd. 2023 habe das Bündnis noch dazu beigetragen, dass der AfD-Kandidat nicht Oberbürgermeister von Nordhausen geworden sei.

Die Proteste seien Anfang des Jahres weitergegangen. "Wir haben einen Zwergenaufstand probiert", sagte Spehr. Das Kommunalwahlergebnis in diesem Jahr sei dann aber ein herber Rückschlag gewesen. Auch in Nordhausen sei die AfD im Kreistag und Stadtrat stark geworden.

Spehr sagte, die Bundestagswahl sei die nächste Herausforderung: "Wir werden nicht leiser werden und am Ende wird die Demokratie stärker sein als ihre Feinde."

Finanzierung der Demokratieverbände soll dauerhaft angelegt werden

Der Bundesverband Mobile Beratung und Extremismusforscher Decker forderten die Politik auf, die Finanzierung von Projekten zur Stärkung der Demokratie auf Dauer anzulegen - und nicht nur immer für ein Jahr. Sonst würden die Strukturen der Zivilgesellschaft instabil.

Der Verband ist nach eigenen Angaben der Dachverband von bundesweit etwa 50 Mobilen Teams, die unter anderem zum Umgang mit Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus beraten.