Gedränge auf dem S-Bahnhof Schöneberg. Foto, anonym, 1948. /Pendler steigen am 07.01.2009 in Berlin am Bahnhof Ostkreuz aus einer S-Bahn. (Quelle: Picture Alliance/akg-images/Gero Breloer)

Berlin S-Bahn Berlin: Vor 100 Jahren starteten die ersten Wagen mit grünem Logo in Lichterfelde-Ost

Stand: 01.08.2024 17:42 Uhr

Erst 40 Jahre nach Erfindung der Elektro-Lok begann die Bahn, sich in Berlin von der Dampflok zu verabschieden. Aus Anlass des 100. S-Bahn-Jubiläums zeigt das Deutsche Technikmuseum jetzt eine Original-S-Bahn von 1924. Von Frank Drescher

Kaum eine Minute ohne Zugverkehr am Bahnhof Alexanderplatz: S-Bahnen, Regionalzüge und ICEs rollen von früh bis spät auf vier Gleisen. Vor 100 Jahren war dort schon ähnlich viel Verkehr, allerdings langsamer, lauter - und wolkiger: Jeder Zug zog eine riesige Fahne aus Wasserdampf und Rauch hinter sich her und vernebelte die Umgebung. Unmengen Ruß wirbelten durch die Luft und schwärzten die Fassaden.
 
"Es war ein großes Argument, dass die Luftverschmutzung deutlich abnehmen würde durch die Elektrifizierung", sagt Peter Schwirkmann, Abteilungsleiter Sammlungen und Ausstellungen im Deutschen Technikmuseum, das anlässlich des 100-jährigen S-Bahn-Jubiläums drei Bahnwagen aus dieser Zeit in der Sonderschau "Besser, schneller, elektrisch. Die Anfänge der Berliner S-Bahn" präsentiert.

Bilderstrecke

100 Jahre Berliner S-Bahn in Bildern

Überfüllter Vorortzug der Berliner Stadtbahn.- Foto, Juli 1919. (Quelle: Picture Alliance/akg-images)

Die offizielle Geburtsstunde der S-Bahn beginnt am 8. August 1924 mit sechs Versuchstriebwagen der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG). Die Wagen sollten anstelle der Dampfzüge (hier ein Zug der Berliner Stadtbahn aus dem Jahr 1919) verkehren. Die Triebwagen rollten über die elektrifizierte Eisenbahnstrecke des Stettiner Vorortbahnhofs (heute Nordbahnhof) nach Bernau.

Gruppenbild in einem Reparaturwerk der S-Bahn (Stadtbahn) Berlin. - Foto, undat. (um 1920). (Quelle: Picture Alliance/akg-images)

Die "Stadtbahn" wird ab 1928 eingesetzt. Für fast 70 Jahre prägen diese ersten Züge die Fahrten mit der Berliner S-Bahn. Sie werden in rot-beiger Farbgebung lackiert. Im Bild Arbeiter in einem Reparaturwerk der S-Bahn. Seit 1925 gilt: Bis zu acht gleichlange Wagen bilden einen Voll-Zug.

Parallel fuhren noch für Jahrzehnte Dampflokomotiven, wie hier 1930 auf dem Stadtbahn- Viadukt nahe der Friedrichstraße.

1930, also nach rund sechs Jahren, ist die Elektrisierung der Stadt-, Ring- und Vorortbahnen abgeschlossen. Die nicht-dampfenden S-Bahn-Züge prägen nun das Bild. Parallel fahren aber noch für Jahrzehnte Dampflokomotiven, wie hier auf dem Stadtbahn-Viadukt nahe der Friedrichstraße.

Werbekarte zum 25. Jahrestag der Elektrifizierung der S-Bahn-Strecken am 8. August 1924. - 1949. (Quelle: Picture Alliance/akg-images)

Im selben Jahr, 1930, bekommt die Stadt-Schnell-Bahn dann ihr eigenes Logo, das weiße S auf grünem Grund. Es soll auch für eine rasante Entwicklung stehen: Die Wannseebahn wird 1930 elektrifiziert, der Nord-Süd-Tunnel wird gebaut und 1936 eröffnet der Abschnitt Humboldthain bis Unter den Linden. Das S steht dabei kurz für "Stadtbahn", nachdem man den Begriff "SS-Bahn" für Stadt-Schnell-Bahn nach wenigen Monaten Gebrauch wieder abgeschafft hat. "Schnellbahn" wird verworfen, weil diese Bezeichnung bereits andere Bahnen nutzen.

Auf allen Baustellen wurde 1936 Wahlpropaganda mit dem Slogan 'Daß wir bauen, verdanken wir dem Führer' aufgehängt, hier an der Baustelle der Reichsbahn für die Stadtbahn an der Georgenstraße nahe des Bahnhofs Friedrichstraße. (Quelle: Picture Alliance/SZ Photo/Scherl)

Rund 262 Kilometer Streckennetz sind 1939 elektrifiziert, 1943 nutzen 737 Millionen Fahrgäste die S-Bahn. Die NS-Diktatur reklamiert solche Erfolge für sich und instrumentalisiert zu Propagandazwecken beispielsweise den Bau des unter dem Landwehrkanal verlaufenden Nord-Süd-Tunnels. Die Nazis werden ihn später selbst wieder zerstören. Im Bild zu sehen ist Propaganda an der S-Bahntrasse an der Georgenstraße nahe dem Bahnhof Friedrichstraße.

Foto nach dem Luftangriff vom 03.02.1945. Die Stadt war ab November 1943 massiven Luftangriffen ausgesetzt, im Februar 1945 erlebte die Stadt ihre schwersten Angriffe mit tausenden Toten

Am 25. April 1945 kommt der S-Bahn-Betrieb durch die in der Berliner Innenstadt stattfindenden Kampfhandlungen vollständig zum Erliegen. Im Bild ist der zerstörte Anhalter Bahnhof zu sehen.

Symbolbild: Am 21. April 1945, dringen Truppen der Roten Armee in Berlin ein. In den folgenden Tagen kommt es zu schweren Gefechten. Zwei Zivilisten in einem Boot inspizieren einen Waggon auf einem gefluteten U-Bahnhof. Foto, undatiert. (Quelle: akg-images)

Am 2. Mai 1945 sprengen die Nationalsozialisten die Stahlbeton-Decke des Nord-Süd-Tunnels. Das Wasser bricht darauf vom Anhalter Bahnhof über Potsdamer Platz bis hin zu den Bahnhöfen Unter den Linden, Oranienburger Straße und Stettiner Bahnhof (heute: Nordbahnhof) ein. Hunderte Menschen, die versucht haben, sich im Tunnel vor dem Krieg in Sicherheit zu bringen, ertrinken. Das Bild zeigt 1945 Zivilisten in einem gefluteten Bahnhof. Um welchen Bahnhof oder Tunnelabschnitt es sich handelt, ist nicht klar.

Gleisanlagen werden zum Abtransport in die Sowjetunion demontiert. - Foto, um 1945. (Quelle: Picture Alliance/akg-images)

Nach Kriegsende 1945 sind rund 90 Prozent der Züge zerstört oder nicht betriebsfähig. Gleise werden abmontiert und in die Sowjetunion abtransportiert.

Einschränkungen im S-Bahnverkehr: Gedränge auf dem S-Bahnhof Schöneberg. Foto, anonym, 1948. (Quelle: Picture Alliance/akg-images)

Die sowjetische Militäradministration überträgt im August 1945 der Deutschen Reichsbahn (DR) den Eisenbahnverkehr in ganz Berlin. Dass die Reichsbahn nun sowohl in der Sowjetischen Besatzungszone als auch in den West-Sektoren Berlins für die S-Bahn zuständig ist, wird von den Alliierten gebilligt. Schon bald befördern die rot-beigen Züge in Berlin wieder jährlich rund 420 Millionen Fahrgäste.

26. Juni 1953: Fahrgäste der S-Bahn werden in Spandau an der Grenze zur DDR mit Schildern informiert. (Quelle: dpa/Keystone Pictures USA)

Nach 1948 fahren trotz der Teilung in Ost- und West-Berlin die S-Bahn-Züge weiterhin über die Sektorengrenzen. Fahrgäste sollten aber besser nicht einschlafen, wie dieses Schild im Jahr 1953 informiert.

Französische und ostzonale Polizisten am 25. Mai 1949 auf dem Bahnhof Gesundbrunnen, dessen Räumung von den drei westlichen Militärgouverneuren gefordert wurde. Am 21. Mai 1949 traten die unter der Verwaltung der sowjetzonalen Reichsbahn stehenden westberliner Eisenbahner in den Streik, um die Auszahlung der Löhne und Gehälter in Westmark zu erreichen. (Quelle: dpa)

1949 gibt es Ärger mit den 13.000 West-Berliner Reichsbahnern. Nach Entlassungen streiken sie, wie hier am Bahnhof Gesundbrunnen, vom 21. Mai bis zum 28. Juni 1949. Da Ost-Berliner Reichsbahner die Dienste übernehmen wollen, kippt die Stimmung. Französische und sowjetische Militärpolizisten stehen am Bahnhof Gesundbrunnen bereit. Die Streikenden fordern unter anderem die Auszahlung ihres Lohns in West-Mark. Mit ihren in Ost-Mark ausgezahlten Gehältern können sie die West-Mieten nicht bezahlen.

Original-Bildunterschrift: Völlig verwahrloste Rolltreppe auf dem S-Bahnhof Westkreuz der östlich verwalteten Stadtbahn. Berlin, Deutschland um 1955. (Quelle: dpa/United Archives/Kindermann)

In den späten 1940er und 1950er Jahren kommen verlängerte S-Bahn-Strecken hinzu - etwa über Mahlsdorf nach Hoppegarten und über Strausberg nach Strausberg-Nord. Gleichzeitig aber müssen die Fahrgäste auch viele Defekte und Probleme hinnehmen, wie etwa hier 1955 am Bahnhof Westkreuz, wo die Rolltreppe völlig verwahrlost ist.

Volkspolizisten der DDR errichten am 09.11.1961 am Bahndamm am Bahnhof Gesundbrunnen in Berlin Befestigungen aus Stacheldraht. (Quelle: dpa)

Der Mauerbau am 13. August 1961 ist ein Schock und reißt auch schlagartig den ÖPNV entzwei. Zahlreiche Verbindungen werden gekappt, Bahnhöfe zugemauert. Die Ringbahn beispielsweise wird an zwei Stellen unterbrochen: Die Bahnhöfe Gesundbrunnen und Schönhauser Allee sowie Sonnenallee und Treptower Park sind nun nicht mehr verbunden. Im Bild errichten Volkspolizisten im November 1961 Stacheldraht am Bahndamm am Bahnhof Gesundbrunnen.

Blick in die Anlagen des U-Bahnhofs am Potsdamer Platz in Berlin, aufgenommen am 09.03.1990. (Quelle: dpa/Peter Kneffel)

In der Zeit der Teilung wird der – 1949 reparierte – Nord-Süd-Tunnel weiterbetrieben. Einziger Halt ist der Bahnhof Friedrichstraße. An den anderen Bahnhöfen, etwa Nordbahnhof oder Potsdamer Platz, fahren die Züge durch. Der Begriff "Geisterbahnhof" für Bahnhöfe, die nicht angefahren werden, macht die Runde. Im Bild ist der nach fast 30 Jahren immer noch geschlossene Bahnhof Potsdamer Platz im Jahr 1990 zu sehen.

Willy Brandt und der DGB rufen am 17. August 1961 zum S-Bahn-Boykott auf.  (Quelle: AP)

Vier Tage nach Mauerbau rufen Willy Brandt und der DGB am 17. August 1961 zum S-Bahn-Boykott auf. Die Nutzung der S-Bahn ist nun politisch. Man will der DDR durch den Kauf von Fahrscheinen keine Devisen mehr zukommen lassen. Die BVG bricht aufgrund Zehntausender zusätzlicher Fahrgäste im U-Bahn- und Busbverkehr fast zusammen.

In der Nacht vom 8.1.1984 zum 9.1.1984 ging in Westberlin der S-Bahnbetrieb von der Reichsbahn an die BVG über. Das Bild zeigt den Bahnhof Gesundbrunnen in den Monaten vor der Übergabe. (Quelle: Picture Alliance/SZ Photo/Thomas Winter)

Die S-Bahn-Fahrgastzahlen in West-Berlin sinken dramatisch. Leere Züge, heruntergekommene Bahnsteige und ein maroder Fuhrpark sind die Folge. Die West-Berliner S-Bahn wird für die Deutsche Reichsbahn zum millionenschweren Verlustgeschäft.

,Übersichtsplan der S-Bahn Berlin 1974, S-Bahn (Stadtbahn). (Quelle: akg-images)

Eine Bahn, zwei getrennte Teile der Stadt: Die Karte zeigt einen S-Bahnplan aus dem Jahre 1974. Züge fahren hier nicht mehr durch. An den Sektorengrenzen ist Schluss

Menschen warten im Dezember 1986 am Alexanderplatz auf die S-Bahn in Ost-Berlin. (Quelle: Imago Images)

Während im Westen Berlins die S-Bahn an Bedeutung verliert, bleibt die S-Bahn im Ostteil der Stadt ein wichtiges Verkehrsmittel. Auf der Fotografie warten Fahrgäste 1986 am Bahnhof Alexanderplatz auf eine S-Bahn.

Streik der West-Berliner Reichsbahn Bediensteten: Bahnpolizisten haben am 22.09.1980 ein Stellwerk in Halensee von Streikenden geraeumt. (Quelle: Picture Alliance)

Im Westen hat die Reichsbahn über die Jahre das Streckennetz verkommen lassen und stellt 1980 einen Fahrplan vor, der zum folgenreichen zweiten Streik der Reichsbahner führt. Sie besetzen am 17. September 1980 Stellwerke unter anderem am Bahnhof Zoo und fordern eine Übernahme der West-Berliner S-Bahn in westliche Hände. Der gesamte S-Bahnverkehr und der Transitverkehr stehen still.

 Relikte der Friedhofsbahn (Stahnsdorfer Bahn) im Abschnitt zwischen Wannsee und Dreilinden, stillgelegt seit 1961 - Gleisreste im Düppeler Forst an der Steinbogenbrücke des Königswegs, aufgenommen am 07.02.2015.

Die Reichsbahn reagiert drastisch: Sie kündigt Hunderten Streikenden und legt im September 1980 etwa die Hälfte aller West-Berliner Strecken still. Es bleiben rund 71 Kilometer Strecke. Manche Strecken wie die Friedhofsbahn, die Stammbahn und die Siemensbahn sind bis heute nicht wieder in Betrieb - allerdings auch, weil in der Folge der Schließung parallele Verkehrswege mit Bussen oder neuen U-Bahn-Strecken etabliert werden in den West-Bezirken.

Fahrgäste aus Westberlin sitzen am 09.01.1984 im Bahnhof Wannsee in einer S-Bahn. (Quelle: dpa)

1981 wird bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus die S-Bahn Wahlkampfthema. Unter Richard von Weizsäcker, CDU, wird die Übernahme der S-Bahn durch die BVG vereinbart. Die Besatzungsmächte stimmen zu. Die Deutsche Reichsbahn gibt die Betriebsrechte für die S-Bahn-Strecken in West-Berlin am 9. Januar 1984 an die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ab.

S-Bahnhof Lehrter Stadtbahnhof in Westberlin in den 1980er Jahren. (Quelle: dpa/Wolfgang Goll)

Es gehen zunächst nur zwei Linien auf 21 Kilometern in Betrieb: die Strecke Lichtenrade – Anhalter Bahnhof als Linie S2 und Charlottenburg - Friedrichstraße als Linie S3. Auf dieser Linie ist seit 1961 der Lehrter Stadtbahnhof (heute Berliner Hauptbahnhof) Endpunkt aus West-Berlin und Grenzbahnhof in Richtung Friedrichstraße.

Blick von West-Berliner Gebiet, Gartenstraße, Stadtteil Wedding. Die Eisenbahnbrücke und das Hochhaus im Hintergrund befinden sich ebenfalls in West-Berlin. Die S-Bahn fährt an dieser Stelle von West-Berlin durch Ost-Berlin wieder nach West-Berlin. Aufgenommen 1985. (Quelle: Picture Alliance/Uwe Gerig)

Ab Mai 1984 kann die Strecke Wannsee – Charlottenburg (S3) wieder befahren werden, sowie die Strecke Anhalter Bahnhof – Gesundbrunnen (S2). Ab Oktober wird sie wieder bis Frohnau bedient. Und am 1. Februar 1985 wird die Wannseebahn feierlich wiedereröffnet. Hier fährt eine S-Bahn im Stadtteil Wedding von West-Berlin entlang der Gartenstraße durch Ost-Berliner Gebiet und kurz darauf wieder nach West-Berlin.

 im Deutschen Technikmuseum im Ortsteil Kreuzberg in Berlin befindet sich ein alter S-Bahnwagen mit Sitzen aus Holz, fotografiert am 29.09.2013.

71 Kilometer Strecke sind in West-Berlin kurz vor dem Mauerfall wieder in Betrieb. Die S-Bahn erfreut sich auch dort wieder zunehmender Beliebtheit. Zu sehen ist hier die Holzklasse, die mit Holzbänken und Holzvertäfelung ausgestattete Bauart "Stadtbahn".

Berlin war überfuellt, auch am zweiten Wochenende besuchten Millionen von DDR Bürgern den Westteil von Berlin und das Bundesgebiet. 18.11.1989

Die Maueröffnung vom 9. November 1989 und die Tage danach werden zum Fest. Der öffentliche Nahverkehr wird regelrecht überrannt. Lokführer melden sich freiwillig, um die Fahrgäste von Ost nach West und von West nach Ost zu fahren.

Fahrtzielanzeigetafel mit Symbolkraft. Feierliche Wiedereroeffnung des Berliner S-Bahnrings auf dem Bahnhof Westhafen am 15.06.2002. (Quelle: Imago Images)

Bereits ab 2. Juli 1990 fährt die Stadtbahn wieder durchgängig von Charlottenburg bis Ostbahnhof. Und ab dem 1. September halten die Züge auch auf den unterirdischen "Geisterbahnhöfen" der Nord-Süd-Bahn, mit Ausnahme Potsdamer Platz. Bei der Ringbahn wird es bis zum 15. Juni 2002 dauern, ehe der S-Bahn-Ring mit der Inbetriebnahme der Verbindung von Wedding nach Westhafen wieder geschlossen ist.

Auf der S-Bahn-Strecke zwischen Gesundbrunnen und Humboldthain sind die letzten Arbeiten im Gange, damit auch hier ab August grünes Licht für den Fahrbetrieb gegeben werden kann. (Quelle: dpa-Zentralbild/Peer Grimm)

Gemäß Einigungsvertrag ist nach der Wiedervereinigung Deutschlands am 03. Oktober 1990 der Beschluss gefasst worden, das Schienennetz der Berliner S-Bahn wie es 1961 bestand, wieder herzustellen. Am 1. Januar 1994 wird die S-Bahn Teil der neu gegründeten Deutschen Bahn AG.

Blick über Bahnsteige des Ostbahnhofs, zwischenzeitlich Hauptbahnhof Berlin, aufgenommen am 23. August 1994. (Quelle: dpa-Zentralbild/Hubert Link)

Die DDR-Baureihe (BR) 485 aus den 1980er Jahren, über viele Jahre mit roter Lackierung unterwegs, wird von manchen "Coladose" genannt. Hier steht eine davon neben S-Bahnen anderer Bauart im Ostbahnhof (1994).

In der Betriebswerkstatt der Berliner S-Bahn am Adlergestell stehen entkernte und abgeschliffene Wagons, die im nächsten Schritt lackiert werden und einen neuen Innenausbau bekommen. Hier werden gebrauchte S-Bahnen geprüft und restauriert, bevor sie wieder genutzt werden. Die Berliner S-Bahn wird 100 Jahre alt. (Quelle: picture alliance/dpa/Annette Riedl)

Im Betriebswerk der S-Bahn am Berliner Adlergestell werden die Wagen aufgearbeitet, wie auch die ab 1996 eingesetzte genannte Baureihe 481. Die entkernten und abgeschliffenen Waggons werden im nächsten Schritt lackiert und bekommen einen neuen Innenausbau.

Die neue S-Bahn-Baureihe für Berlin 483 / 484 steht zur Fertigung im Stadler-Werk Berlin.

2016 wird die Baureihe 483/484 vorgestellt. Sie ist seit 2022 auf den Linien S46, S8 und den beiden Ringbahnlinien S41 und S42 unterwegs.

 Neubau Ostkreuz, 7.10.2018 Gleisanlagen, historischer Wasserturm, S-Bahn,

473 Millionen Fahrgäste nutzen 2023 die Berliner-S-Bahn auf 340 km Strecke, davon 257 km in Berlin. 1.278 Triebfahrzeugführer fahren die S-Bahnen früh bis spät und am Wochenende durch die Nacht.

Das Fragment des einzigen originalen S-Bahn-Triebwagens aus der ersten Fahrzeugserie von 1924, der Bauart „Bernau“. SDTB / Foto: Steffi Hengs

Zum 100. Geburtstag der Berliner S-Bahn zeigt das Deutsche Technikmuseum [technikmuseum.berlin] in Berlin die kleine Sonderschau "Besser, schneller, elektrisch!". Ab 4. August 2024 kann man einen der originalen S-Bahn-Triebwagen aus der ersten Fahrzeugserie von 1924, der Bauart "Bernau" sehen.

Eine S-Bahn mit der Aufschrift „100 Jahre Berliner S-Bahn“ auf dem S-Bahnhof Südkreuz. Die Berliner S-Bahn feiert im Jahr 2024 ihren 100. Geburtstag. Am 8. August 1924 fuhr der erste elektrifizierte Zug auf der Vorortbahn zwischen dem Stettiner Vorortbahnhof (heute: Nordbahnhof) und Bernau. (Quelle: picture alliance/dpa/Jens Kalaene)

Die S-Bahn Züge zeigen sich schon jetzt mit Jubiläumssignet und wie seit 100 Jahren in Rot-Beige. Zum Artikel | Weitere Bildergalerien

Sendung: rbb24 Abendschau, 08.08.2024, 19:30 Uhr


 


Berlin im 19. Jahrhundert – Boomtown dank Eisenbahn

Im frühen Industriezeitalter vervierfachte sich Berlins Bevölkerung, von rund 250.000 Einwohnern im Jahr 1830 auf mehr als eine Million 1877. Die Eisenbahn machte diese Entwicklung erst möglich: Zwischen 1838 und 1875 entstanden die wichtigsten Fernstrecken ab Berlin. Über sie konnte die Industrie ihre Waren schnell abtransportieren. Deren Arbeitskräftebedarf lockte massenhaft Landbewohner.
 
Doch das damalige Berlin umfasste nur wenig mehr als die heutigen Bezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg. Die berüchtigten Mietskasernen entstanden, die Wohnungsnot grassierte. Im damaligen Umland, also Orten wie Schöneberg, Lichtenberg oder Reinickendorf, war dagegen noch Platz. Um Arbeiter, die sich dort ansiedelten, zügig zu ihren Betrieben zu befördern, lag es nahe, das Bahnnetz weiterzuentwickeln. An den Fernstrecken entstanden zusätzliche Bahnhöfe in der näheren Umgebung Berlins. Viele erhielten zusätzliche Gleise für den Vorortverkehr, um die Fernzüge nicht auszubremsen.

Zur Anbindung von Nachbarstädten wie Charlottenburg und Vororten wie Rixdorf entstanden neu die Ringbahn 1877 und die Stadtbahn 1882. Die erfreuten sich großer Beliebtheit: Schon 1906 fuhren 170 Millionen Passagiere mit den Stadt-, Ring- und Vorortbahnen - ein Drittel des Beförderungsvolumens der Berliner S-Bahn von 2023.

Schon vor 100 Jahren: Modernisierungsstau bei der Bahn

Im Jahr 1924 sah die Bahn schon einmal ziemlich alt aus: Die Technologie der Dampfzüge war 200 Jahre alt. Dabei gab es seit der Erfindung der Elektro-Lok 45 Jahre zuvor schon längst etwas Neues, das sich außerdem seit über 30 Jahren bei der Straßenbahn und seit über 20 Jahren bei der U-Bahn bewährt hatte.

Die preußische Staatsbahn hingegen experimentierte ab 1900 mit Stromschienen und Oberleitungen. Erkenntnisse daraus bescherten zwar Hamburg eine elektrische Vorortbahn, aber in Berlin blieb es bis 1924 bei den Versuchen. Das lag nicht nur am Ersten Weltkrieg und der Zeit der Hyperinflation danach. "Das Eisenbahnnetz ist ja ungleich größer als ein kommunales Straßenbahnnetz", erklärt Peter Schwirkmann vom Deutschen Technikmuseum.
 
Hinzu kam: Die preußische Staatsbahn beschäftigte sich jahrelang mit technischen Grundsatzfragen: Gleichstrom oder Wechselstrom? Vorhandenes Wagenmaterial weiterverwenden oder komplett neue Züge bauen? Mit jeder Entscheidung waren Vorteile, Nachteile und Folgekosten verbunden. "Und dann musste man schließlich auch noch die Frage klären, auf welche Weise eigentlich angetrieben werden sollte: Mit einer elektrischen Lokomotive, mit einem Triebgestell, das man einfach nur unter vorhandene Wagen stellt und oder eben dann mit dem modernen Triebwagen-Steuerwagen-Beiwagen-Konzept", so Schwirkmann.

Der moderne Ansatz setzt sich durch

Die 1920 gegründete Reichsbahn entschied sich für das Konzept, das auf ihrem langlebigsten, von der preußischen Staatsbahn geerbten Versuchsbetrieb seit 1903 in der Erprobung war: Zwischen Groß-Lichterfelde-Ost und dem heute nicht mehr existierenden Potsdamer Bahnhof am Potsdamer Platz pendelten Züge mit Triebwagen, zwischen denen motorlose sogenannte "Beiwagen" gekuppelt waren. Gleichstrom aus einer Stromschiene setzte die Triebwagen in Bewegung. Dieses System ging weiterentwickelt am 8. August 1924 auf der Strecke Berlin - Stettiner Vorortbahnhof (später: Nordbahnhof) - Bernau in den regulären Betrieb.

Archivbild: S-Bahn Berlin in Richtung Westkreuz, DDR 50er-60er Jahre. (Quelle: dpa/MAZ)

Berliner S-Bahn aus den 1950er/60er Jahren

Peter Schwirkmann vergleicht die Zeit bis zu dieser Entscheidung mit dem Mobiltelefon: "Wenn Sie schauen, wie lange es dauert, um den Stecker für das Handy-Ladegerät zu normieren, sind 25 Jahre auch eine stolze Zeit für eine relativ simple technische Aufgabe", sagt er.
 
Der Bedarf für ein schnelles Massenverkehrsmittel war gewaltig: Durch Eingemeindungen war Berlin seit 1920 mit 3,8 Millionen Einwohnern die drittgrößte Stadt der Welt. Eine "Elektrisierung", wie es damals hieß, versprach die schnellste Erschließung des großen Stadtgebietes: Denn die U-Bahn gab es fast nur in der Innenstadt, Straßenbahn und Bus waren für größere Distanzen zu langsam und die wenigen Autos waren für die meisten unerschwinglich. Die Bahn hingegen verlief bereits sternförmig von der Innenstadt aus in alle Richtungen. Und nachdem sich Elektro auch auf der Strecke nach Bernau bewährte, machte die Bahn richtig Tempo: In nur fünf Jahren setzte sie 230 Kilometer des Berliner Netzes bis ins Umland unter Strom. Seit 1930 vermarktet sie es als "S-Bahn" mit dem bis heute üblichen grünen Logo.

Ein Triebfahrzeugschlosser arbeitet am Dienstag (30.08.2011) im Bahn-Reparaturwerk Wittenberge (Prignitz) an einem sanierten Viertelzug der S-Bahn Berlin. (Quelle. dpa-Zentralbild/Jens Büttner)
Ein letzter Tanz für die Züge der Baureihe 485
Eigentlich sollte es schon vor 20 Jahren für sie vorbei sein, doch viele von den S-Bahnzügen der Baureihe 485 fahren bis heute über Berliner Schienen. Nun steht die Ausmusterung kurz bevor. Fans können am Sonntag Abschied nehmen.mehr

Nur anderthalb Wagen der Ur-S-Bahn existieren noch

Die erste Fahrzeugserie der Berliner S-Bahn, die sogenannte "Bauart Bernau", erwies sich schnell als überholt. Schon ab 1925 ließ die Bahn Nachfolgemodelle entwickeln. Eines davon, die Bauart "Stadtbahn", war gewissermaßen der VW Käfer unter den Schienenfahrzeugen. In großer Stückzahl gebaut und mit rund 70 Jahren Einsatzdauer besonders langlebig, prägten diese Züge für Jahrzehnte das Stadtbild und auch die Klangkulisse Berlins.
 
Neben einem Exemplar aus dieser Serie zeigt das Technikmuseum auch das, was von einem Bernauer Triebwagen noch übrig ist. "Das Fahrzeug wurde 1942 stillgelegt und stand in Schöneweide, wurde mutmaßlich dort in den 1950er Jahren als Schulungsraum, später als Werkstatt genutzt", erzählt Peter Schwirkmann. Weil er dort im Weg stand und für den Straßentransport auf ein anderes Bahngelände zu sperrig war, wurde er 1992 einfach halbiert. Einen sogenannten "Beiwagen" der Bauart Bernau, also ein Waggon ohne Motor und Steuerstand, restauriert das Technikmuseum derzeit noch.

Das Fragment des einzigen originalen S-Bahn-Triebwagens aus der ersten Fahrzeugserie von 1924, der Bauart „Bernau“. SDTB / Foto: Steffi Hengs

Im Lokschuppen: Das Fragment des einzigen originalen S-Bahn-Triebwagens aus der ersten Fahrzeugserie von 1924, der Bauart "Bernau". (SDTB / Foto: Steffi Hengs)

Sendung: rbb24 Abendschau, 08.08.2024, 19:30 Uhr