Berlin 1:1 gegen Bochum: Unions schlechte Leistung rückt nach Feuerzeugwurf in den Hintergrund
Das schwache 1:1 gegen den Tabellenletzten spielt nach einem Feuerzeugwurf gegen den Bochumer Torwart bei Union fast keine Rolle. Nach einem gebrauchten Nachmittag auf allen Ebenen entscheidet das DFB-Sportgericht über das Ergebnis. Von Till Oppermann
Vielleicht hat sich Schiedsrichter Martin Petersen nach dem Spiel die Handynummer von Bochum-Keeper Patrick Drewes besorgt. Schließlich sind sie Leidensgenossen. Wie Drewes wurde auch Petersen schon bei einem Fußballspiel mit einem Feuerzeug beworfen. Vor gut neuneinhalb Jahren war das. Das Pokalspiel Osnabrück gegen Leipzig wurde deshalb abgebrochen.
Ein tätlicher Angriff auf den Schiedsrichter habe keine andere Entscheidung zugelassen, erklärte der DFB damals. Trotz seiner persönlichen Erfahrung verzichtete Petersen zum Ärger der Bochumer auf einen Spielabbruch. "Die Sicherheit der Spieler war gewährleistet", erklärte er. Das hätten ihm Polizei und Ordnungsdienst bestätigt.
Bochum kündigt Einspruch an
Wie schon nach dem Golfball-Wurf auf Oliver Kahn im Jahr 2000 wurde also auch am Samstag zu Ende gespielt. Wenn man den "Nichtangriffspakt" zwischen Union und Bochum als "spielen" bezeichnen will. Nach einer fast halbstündigen Pause und Beratungen in der Kabine schoben sich beide Mannschaften den Ball hin und her, bis Petersen abpfiff.
"Wir wollten das Spiel beenden", erklärte Union-Geschäftsführer Horst Heldt. Man habe das Spiel mit nur unter Protest zu Ende gebracht, ergänzte sein Bochumer Amtskollege Ilja Kaenzig. "Und am Montag werden wir Einspruch einlegen."
Heldt nimmt Fans in Schutz
Nun wird der DFB-Kontrollausschuss über die Wertung der Partie beraten und seine Empfehlung dem Sportgericht vorlegen. Das höchste Kontrollorgan im DFB wird über das Ergebnis entscheiden.
Neben einer wahrscheinlichen Niederlage am Grünen Tisch muss sich der 1. FC Union auf eine empfindliche Geldstrafe einstellen. Auch Kollektivstrafen wie Zuschauerteilausschlüsse oder Geisterspiele sind eine mögliche Konsequenz.
Vielleicht sagte Heldt im Interview deshalb: "Es war die Tat eines Einzelnen". Und ergänzte: Es sei auch nicht so, als hätten sich alle Unioner daneben benommen. Für Union wäre ein Spiel ohne Zuschauer ein besonders einschneidendes Erlebnis. Kein Verein engagierte sich während der Corona-Pandemie so sehr dafür, wieder Fans im Stadion zu ermöglichen.
Häufig fliegen Gegenstände
Gleichwohl: Das Problem ist nicht neu. Durchsagen von Stadionsprecher Christian Arbeit, der die Fans dazu auffordert, das Werfen von Gegenständen zu unterlassen, gehören in der Alten Försterei mittlerweile gefühlt genauso zur Folklore wie Bratwurst und Nina Hagen. Auch das Feuerzeug, das Drewes traf, war lange nicht das einzige Wurfgeschoss von den Rängen.
Von einem Einzeltäter zu sprechen, ist deshalb verkürzt. Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, dass mal einer der Werfer treffen würde. Es wäre deshalb keine Überraschung, wenn der Verein in Zukunft konsequenter gegen die eigenen Fans durchgreift. Dass das möglich ist, bewies Unions Ordnungsdienst am Samstag. Der mutmaßliche Täter wurde schnell ermittelt und an die Polizei übergeben. Eine gute Nachricht für den Verein. Schließlich gehört Union zu den Klubs in der DFL, die sich am lautesten gegen Kollektivstrafen wehren.
Schwache Leistung von Union
So bleiben dieser Fahndungserfolg und das Fair-Play der Mannschaft für die Eisernen die einzigen positiven Aspekte des Nachmittags an der Alten Försterei. Denn dass es überhaupt zu der hitzigen Atmosphäre in der Schlussphase kam, hatte viel mit Unions schwachen sportlichen Auftritt zu tun. Niemals hätte es gegen den noch sieglosen Tabellenletzten aus dem Ruhrgebiet zu diesem Zeitpunkt noch Unentschieden stehen dürfen. Denn die Berliner spielten nach einer frühen Roten Karte gegen den Bochumer Koji Miyoshi gut 80 Minuten in Überzahl.
Teilweise wirkte es so, als wäre der Platzverweis ein Handicap für Union. Denn Bochum verschanzte sich mit allen zehn Mann vor dem eigenen Strafraum. Die unkreativen Unioner waren so gezwungen, sich ohne schnelles Umschaltspiel Chancen zu erspielen und scheiterten immer wieder. Nur der individuellen Klasse von Robert Skov und Benedict Hollerbach war es zu verdanken, dass die Köpenicker zumindest ab und zu gefährlich wurden.
Svensson hat Arbeit vor sich
"Es ist natürlich enttäuschend", fand auch Horst Heldt. Mangelnde Konzentration und individuelle Fehler in der Defensive waren schon vor seiner Zeit ein Problem. Auch am Samstag fiel das Gegentor, weil Rani Khedira seinen Gegenspieler nicht konsequent verfolgte und Frederik Rönnow durch seinen Straumraum irrte. So bringt sich die sonst so stabile Abwehr regelmäßig um den eigenen Lohn.
Noch schwerwiegender ist die schwache Offensive. Besonders nach der Einwechslung von Jordan Siebatcheu wurde deutlich, dass den Spielern eingeübte Abläufe fehlen. Der torlose Stürmer strahlte erneut keine Gefahr aus. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Ball, wenn er auf den ersten Pfosten lief, meistens auf den zweiten Pfosten gespielt wurde und umgekehrt. "Uns hat die Präzision gefehlt", analysierte Bo Svensson angesichts des Feuerzeugs am Kopf von Drewes unfreiwillig komisch. Dem Bochumer Torwart kann man an diesem Tag nur eines sagen: "gute Besserung".
Sendung: rbb24, 14.12.24, 21:45 Uhr