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Berlin Berliner Bundestagsabgeordneter Gelbhaar unter Druck: Grüne Sprachlosigkeit nach Belästigungsvorwürfen

Stand: 01.01.2025 20:58 Uhr

rbb|24 berichtete exklusiv über Frauen, die eidesstattlich versichern, von Stefan Gelbhaar belästigt worden zu sein. Die meisten Grünen schweigen zu dem Thema, doch in der Partei rumort es heftig. Von Ute Schuhmacher und Viktoria Kleber

Seit der rbb exklusiv über einige Fälle von Belästigung berichtet hat, liegen die Nerven in der Partei blank. Eine Frau versicherte rbb|24 an Eides statt, dass Gelbhaar sie geküsst hat, obwohl sie das nicht wollte. Später zur Rede gestellt soll er nach Angaben dieser Frau gesagt haben, ihr werde ohnehin niemand glauben, wenn sie das erzählt.
 
Wir konfrontieren Stefan Gelbhaar mit diesem und weiteren konkreten Fällen. Über seinen Anwalt bestreitet er alle Fälle vehement. "Die Vorwürfe sind gelogen", teilt er mit. Er vermutet eine Intrige gegen ihn, eine geplante Aktion. "Das Ziel ist mich massiv zu diskreditieren, überdies Teile der Partei in Aufruhr zu versetzen, und der Partei zu schaden." Die Vorwürfe die rbb|24 vorliegen sind teilweise anonym, teilweise mit eidesstattlicher Versicherung. Die Frauen die eidesstattliche Versicherungen abgegeben haben, sind damit bereit, im Falle eines Prozesses genau das, was sie uns geschildert haben, auch vor Gericht zu bezeugen.

Stefan Gelbhaar (Bündnis 90/Die Grünen). Bild: dts Nachrichtenagentur
Konkrete Belästigungsvorwürfe gegen Berliner Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar
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Landesvorstand nimmt Anschuldigungen ernst

Die Landesvorsitzenden der Berliner Grünen reagieren nur schriftlich auf die rbb-Recherche. Sie sprechen von erheblichen Anschuldigungen, die sie ernst nehmen. Sie verweisen auf das Ombudsverfahren, das seit mehreren Wochen zu den Vorwürfen in der Bundesgeschäftsstelle der Partei läuft und dass für dieses Verfahren Vertraulichkeit wichtig ist. Sanfte Kritik wird in dem Satz laut: "Eine öffentliche Diskussion des Vorgangs sowie Mutmaßungen über die Urheberschaft und Intrigen erscheinen uns nicht geboten." Stahr und Ghirmai verweisen ansonsten darauf, dass der Kreisverband Pankow über die Direktkandidatur noch einmal neu abstimmen wird. Das soll am 8. Januar passieren.

Keiner will die Rolle des Gegenkandidaten übernehmen

Andere Parteimitglieder äußerten sich bislang nicht öffentlich. In der Partei und besonders im Kreisverband Pankow wird aber immer heißer diskutiert. Nach rbb|24-Informationen werde in den Chatgruppen der Pankower Grünen deutlich, dass Gelbhaar von einem Teil weiter unterstützt werde. Er sei ein guter Politiker und Opfer einer Intrige. Andere erklären, dass es auf gar keinen Fall ginge, mit Gelbhaar als Direktkandidat in Pankow ins Rennen zu gehen.
 
Eine Entscheidung in der Sache gibt es noch nicht, einen Gegenkandidaten gegen Gelbhaar ebenso wenig. Niemand wolle die Rolle des Gegenkandidaten in der aufgeheizten Situation bisher übernehmen, heißt es. Einige hoffen darauf, dass Gelbhaar selbst zurückzieht, andere wollen, das er bleibt. Am 8. Januar soll die Entscheidung fallen. Denn dann stimmen die Pankower Grünen erneut über die Direktkandidatur für die Bundestagswahl im Februar in Pankow ab. Für den Fall, dass Gelbhaar Direktkandidat bleibt, haben mehrere Leute aus den Pankower Stadtteilgruppen nach rbb-Informationen angekündigt, die Wahlplakate mit Gelbhaars Bild nicht kleben zu wollen.

Archivbild: Stefan Gelbhaar im Bundestag. (Quelle: imago-images/dts)
Pankower Grüne sollen neu über Direktkandidaten entscheiden
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Reichen Ombudsverfahren bei Vorwürfen von Belästigung?

In der Zentrale der grünen Bundespartei sollen die Vorwürfe gegen Stefan Gelbhaar derweil in einem Ombudsverfahren geklärt werden. Gelbhaar selbst spricht von zwölf Meldungen von Betroffenen und sechs Meldungen von Nichtbetroffenen. Doch es ist nicht das erste Ombudsverfahren bei den Grünen gegen Stefan Gelbhaar. Er selbst berichtet auf seiner Internetseite über zwei weitere Verfahren. Eins im Jahr 2009, ein anderes im Jahr 2021. Nach rbb-Informationen gab es außerdem 2023 noch ein drittes Verfahren. Auch zu diesem Verfahren liegt rbb24 eine eidesstattliche Versicherung vor.
 
Warum ist nach drei Ombudsverfahren nicht mehr geschehen und reichen die bisherigen Verfahren aus um Belästigungen zu verhindern? Dazu erklären die beiden Grünen Landesvorsitzenden Stahr und Ghirmai rbb24: "Wir werden unsere Beschwerdestrukturen losgelöst von dem Fall überprüfen; unser Ziel ist es, dass sich alle Menschen in unserer Partei frei und sicher bewegen können und wohl fühlen."
 
Für das aktuell laufende Verfahren können solche Überlegungen keine Auswirkungen haben. Auf die Frage, ob das Ombudsverfahren weiterlaufen kann, obwohl von Stefan Gelbhaar vertrauliche Informationen veröffentlicht wurden, erklärt eine Sprecherin der Grünen Bundespartei rbb|24 schriftlich, dass Vertraulichkeit für dieses Verfahren essentiell ist und man sich deshalb grundsätzlich nicht zu Einzelheiten äußere.

Sendung: rbb24 Abendschau, 01.01.2025, 19:30 Uhr