Berlin Debatte über syrische Flüchtlinge - Saleh nennt CDU-Vorschläge "respektlos"
In Syrien ist Machthaber Baschar al-Assad gestürzt worden. Wie geht es nun weiter mit den Menschen, die vor dem Konflikt in Syrien nach Deutschland geflohen sind? Während manche schnelle Ausreisen erreichen wollen, mahnen andere zum Abwarten.
Nach dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad ist eine Diskussion um den Umgang mit den syrischen Flüchtlinge in Deutschland entbrannt. Während auf der einen Seite Überlegungen zu einer möglichen Rückkehr angestellt wurden, weisen andere auf die weiterhin unsichere Lage in Syrien hin. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) stoppte am Montag wegen der unklaren Lage vorerst alle Entscheidungen über Asylanträge aus dem arabischen Land.
Der Flüchtlingsrat Berlin kritisierte den Entscheidungsstopp des Bamf. Es sei nicht davon auszugehen, dass sich die Lage in Syrien in den nächsten Monaten deutich verbessere, sagte Emily Barnickel, Vorsitzende des Flüchtlingsrats Berlin, dem rbb. Die Menschen bräuchten aber Rechtssicherheit, teilte Mariella Lampe vom Flüchtlingsrat Berlin am Montag mit.
Streit über Rückkehr-Unterstützung
Der Berliner SPD-Fraktionsvorsitzender Raed Saleh kritisierte seinerseits Aussagen von CDU-Politikern, nach denen syrischen Flüchtlingen Geld und Reisemöglichkeiten für eine Rückkehr in ihr Heimatland angeboten werden könnten. "Es sind wieder die alten, populistischen Muster: Kaum gibt es eine solche Entwicklung in Syrien, sofort kommen Empfehlungen von Unionspolitikern wie Jens Spahn, mit Rückführungsprämien zu arbeiten, damit syrische Flüchtlinge Deutschland wieder verlassen", sagte Saleh der Deutschen Presse-Agentur. "Ich finde es angesichts der nach wie vor fragilen und politisch völlig unklaren Situation unanständig und respektlos, als Erstes zu sagen, die Leute müssen so schnell wie möglich wieder zurück", kritisierte der SPD-Politiker.
Unions-Fraktionsvize Jens Spahn hatte im RTL/ntv-"Frühstart" gesagt: "Wie wäre es, wenn die Bundesregierung sagt: Jeder, der zurück will nach Syrien, für den chartern wir Maschinen, der bekommt ein Startgeld von 1.000 Euro."
Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Alexander Throm (CDU), sagte dem "Handelsblatt", die Lage in Syrien habe sich durch den Sturz von Machthaber Baschar al-Assad "grundlegend geändert". Das gelte für diejenigen Flüchtlinge in Deutschland, die vor allem vor Assad geflüchtet seien. "Hier gilt es zu prüfen, ob der Schutzstatus nicht entfällt", sagte Throm. Eine freiwillige Rückkehr müsse unterstützt werden.
Kocak: Auch Islamisten unter den sogenannten Rebellen
Ferat Kocak von der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus betonte mit Blick auf die Lage in Syrien, dass die Ausgangslage nicht für alle Personen und Personengruppen gleich sei. "Kurden, Alaouwiten, Jesiden, Christen und andere religiöse Gruppen in Syrien fürchten sich vor der aktuellen Lage", sagte Kocak. "Denn die sogenannten Rebellen sind keine homogene Gruppe: Unter ihnen finden sich auch IS-Terroristen und andere dschihadistische Milizen", betonte er. Es dürften dürften keine Abschiebungen nach Syrien stattfinden, forderte Kocak im rbb.
Stäblein: Syrische Geflüchtete brauchen weiter Hilfe
Ähnlich äußerte sich auch der evangelische Berliner Bischof Christian Stäblein. "Angesichts der durchaus unterschiedlichen Interessen der derzeit gemeinsam agierenden Gruppen ist Syrien auch nach Ende der Assad-Diktatur kein sicheres Land", sagte Stäblein, der auch Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz ist.
"Es ist daher jetzt überhaupt nicht der Zeitpunkt, zu diskutieren, ob und wie Menschen in dieses Land zurückkehren sollen", betonte der Beauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Flüchtlingsfragen. Die Lage in Syrien sei unübersichtlich und es sei ungewiss, wie es weitergehe. Geflüchtete aus Syrien, die in Deutschland seien, müssten wissen, "dass sie hier weiterhin Schutz finden und nicht abgeschoben werden".
Stäblein begrüßte allerdings die Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Entscheidungen über den Asylstatus von syrischen Geflüchteten auszusetzen, bis die weiteren Entwicklungen verlässlich absehbar seien.
Freude und Zurückhaltung in der syrischen Community
Vertreter der syrischen Commonity zeigten sich dem rbb gegenüber eher abwartend. Der Berliner Menschenrechtsanwalt Anwar Al-Bunni, der 2014 aus Syrien floh, sagte dem rbb, in Syrien hätten mehrere Generationen auf ein Ende des Assad-Regimes gewartet. "Der Traum ist nun in Erfüllung gegangen", so Al-Bunni. "Nach dem Umsturz warten viele Menschen darauf, dass ihre Angehörigen aus syrischen Gefängnissen freikommen."
Er sei aber auch besorgt, dass nun etwa Anrainerstaaten Einfluss auf die politische Entwicklung in Syrien nehmen oder neue, religiöse Konflikte in Syrien entstehen könnten. "Dabei haben in Syrien Angehörige verschiedener Religionsgemeinschaften immer miteinander gelebt," betonte Al-Bunni.
Ibrahim Alsayed, der Vorsitzenden des Salam Kultur- und Sportclubs in Berlin, äußerte sich gegenüber dem rbb ebenfalls skeptisch, dass sich die Lage bald klärt. "Wir müssen jetzt erstmal abwarten, wie es in Syrien weitergeht", sagte Alsayed, der 2005 aus Syrien floh und 2013 in Wedding den Kulturverein Salam gründete. Die Lage habe sich zuletzt "dramatisch geändert". Er betonte aber auch: "Die Revolution in Syrien hat von 2011 bis vor ein paar Tagen gedauert."
Sendung: Brandenburg aktuell, 09.12.2024, 19:30 Uhr