
Berlin Warum Berlins "schönster Platz" nach der Neugestaltung fast kein Grün mehr hat
Zwei Jahre lang war der Berliner Gendarmenmarkt eine Baustelle. Nun kann zwischen Konzerthaus und Dom wieder flaniert werden – aber nur über Stein, denn Grünflächen gibt es nicht. Das wird heftig diskutiert. Von Nina Heinrich
Der Berliner Gendarmenmarkt ist in voller Pracht zurück – doch statt Freude gibt es vor allem Kritik an der neuen Gestaltung. Von den fast 20.000 Quadratmetern des Gendarmenmarkts wurden drei Viertel über zwei Jahren frisch gepflastert. Zwischen dem akkurat verlegten Raster aus Stein ist kein Platz für Grün geblieben – nur für die Debatte darüber.
Der Satire-Account "Der Postillon" schrieb: "Grashalm auf frisch saniertem Gendarmenmarkt entdeckt: Berliner Stadtverwaltung rückt mit Flammenwerfern an", der Autor und Satiriker Micky Beisenherz stellte ihm einen Steingarten gegenüber und schrieb von "same energy". Der ehemalige CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Armin Laschet gab sich staatsmännischer und formulierte, das Ergebnis sei "weder aus ästhetischen, denkmalpflegerischen noch aus klimaresilienten Gründen zu begreifen". Auch viele Berliner äußerten sich kritisch über die neue Fläche. Von "Stadtglatze" und "Steinwüste" ist in den Sozialen Medien immer wieder zu lesen.

Stadtentwicklungssenator weist Kritik zurück
Dabei ist die Kritik an der Gestaltung des erneuerten Gendarmenmarkts aus Sicht von Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler unberechtigt. "Man kann da immer unterschiedlicher Meinung sein", räumte der SPD-Politiker ein. Das Gesamtkonzept ist aus seiner Sicht aber richtig. "Das sollten sich alle erstmal in Ruhe angucken", empfahl er, "ich glaube, dann wird sich die Aufregung auch wieder legen."
Der in der vergangenen Woche wieder eröffnete Platz wurde etwa von Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU) als "einer der schönsten in Berlin" und gar "einer der schönsten Plätze Europas" bezeichnet. Im Rahmen der Umbaumaßnahmen wurden rund 14.000 Quadratmeter Natursteinpflaster denkmalgerecht erneuert. Außerdem erhielt er ein unterirdisches, rund fünf Kilometer langes Leitungsnetz für Strom, Wasser und Abwasser.
Er persönlich sei auch immer ein Fan davon, wenn es viele Bäume gebe, so Gaebler. Es habe vor dem Umbauprojekt aber lange Gespräche darüber gegeben, welcher historische Zustand wieder hergestellt werden solle. Der Platz in Berlin-Mitte habe sein Aussehen über die Jahrhunderte schließlich stark verändert. Am Ende sei die Entscheidung gefallen, sich an der Gestaltung während der DDR-Zeit zu orientieren - in der es schon vergleichsweise wenig Grün gegeben habe.
Die Gestaltung des im 17. Jahrhundert als Marktplatz angelegten Areals orientiert sich nun also am historischen Zustand der DDR-Moderne - und wurde vom Landesdenkmalamt in einem Bericht 2020 unter Denkmalschutz gestellt. Die Pläne für den Wiederaufbau des Platzes nach dem Zweiten Weltkrieg stammen dem Bericht zufolge ursprünglich aus der Nazi-Zeit. "1936 wurde anlässlich der Olympiade die Beseitigung der Vegetationsflächen vor dem Schauspielhaus sowie des Schillerdenkmals veranlasst, um eine einheitliche gerasterte Fläche anzulegen, die fortan als Aufmarsch- und Parkplatz diente", heißt es in dem Bericht. Auch bei der Neugestaltung des Platzes findet sich nun diese Rasterfläche.

Kein Naherholungsgebiet, sondern Veranstaltungsort
Einer Bepflanzung, etwa durch Rasen, Bäume und Büsche, wurde dagegen wenig Priorität eingeräumt. Im Rahmen der Baumaßnahme mussten 23 Bäume entfernt werden, wie Michael Herden, Sprecher der Senatsverwaltung für Verkehr und Klimaschutz, sagt. Das habe vor allem an technischen Anforderungen gelegen.
Da der Platz in erster Linie als Veranstaltungsort dienen soll - etwa für das Classic Open Air im Sommer oder den Weihnachtsmarkt im Winter - wären viele Bäume eher hinderlich, sagte auch Senator Gaebler. "Da kann man hinterher immer drüber streiten."
Für eine bessere Barrierefreiheit wurde der Platz auch abgesenkt, wie Herden berichtet. Unter einigen Bäumen verlief zudem ein U-Bahn-Tunnel, was zusätzliche bauliche Einschränkungen mit sich gebracht hätte.
Gaebler wies derweil darauf hin, dass durchaus zusätzliche Bäume vorgesehen seien. "Sogar solche, die besonders viel Schatten spenden." Neu gepflanzt wurden drei japanische Schnurbäume und drei Magnoliengehölze, die sehr hitzebeständig seien und deren Kronen einen Durchmesser von bis zu 18 Metern erreichen sollen. Weitere Pflanzen waren laut der Senatsverwaltung im Rahmen der Neugestaltung nicht möglich, aufgrund denkmalpflegerischer Vorgaben und der unterirdisch verlaufenden technischen Anlagen und Leitungen.
Laut der Senatsverwaltung ist der neue Gendarmenmarkt aber ökologisch nachhaltig gestaltet. Im Sinne des Konzepts "Schwammstadt" wird durch die Fugen zwischen den Steinplatten Regenwasser gesammelt, gefiltert und gereinigt ans Grundwasser abgegeben. Neben einem unterirdischen, rund fünf Kilometer langem Leitungsnetz für Strom, Trink- und Abwasser wurde der historische Platz mit einem sogenannten Regenwassermanagement ausgestattet. Regenwasser wird dafür in unterirdischen technischen Anlagen vorgereinigt und gespeichert.

Gut zu erkennen: Viel Stein, kein Grün bedeckt den Berliner Gendarmenmarkt.
Auch Gabi Jung, Landesgeschäftsführerin des BUND Berlin, kann die Debatte um den Gendarmenmarkt nicht nachvollziehen. Bei städtebaulichen Planungen sollte zwar immer die Devise gelten, grüne Flächen zu schaffen und zu erhalten, sagte sie. Doch es gebe andere Orte in Berlin, über die man eher sprechen sollte. "Vor allem bei überdimensionierten Verkehrsflächen, zum Beispiel die Leipziger Straße, die Spandauer Straße am Marx-Engels-Forum oder auch bei der Fläche am Humboldt-Forum, wäre mehr Grün und Entsiegelung dringender notwendig", sagt Jung.
Statt mehr Bäumen auf einer Fläche wie dem Gendarmenmarkt, der als Veranstaltungsort geplant sei, fordert sie ein generelles Umdenken bei der Verkehrspolitik bezüglich des städtebaulichen Klimaschutzes.

Wären mehr Grünflächen dennoch möglich?
Eine zusätzliche Grünfläche kann dabei laut Heinrich Strößenreuther für die dringend notwendige Kühlung sorgen. Er engagiert sich mit der politischen Bewegung "Initiative BaumEntscheid" für die Pflanzung von mehr Bäumen im Stadtbild. Der Platz würde sich in den Sommermonaten zur "Hitzehölle" aufheizen, so Strößenreuther. "Wir brauchen Bäume für Kühlung, für bessere Luft. Alles andere ist ungesund, insbesondere für ältere Menschen und kleine Kinder."
Mit dem "Volksentscheid Baum" hat der Umweltaktivist ein Klimaanpassungsgesetz erarbeitet. Im September 2024 reichte die Initiative mit der Grünen-Fraktion in Friedrichshain-Kreuzberg beim Berliner Senat eine schriftliche Anfrage zu den Kosten für die Umsetzung ein. Die wurde als kaum bezifferbar beantwortet.
Die Hauptforderung aus dem Gesetzesentwurf stellt Strößenreuther auch beim Gendarmenmarkt auf: Entlang der Straße ein Baum alle 15 Meter, sodass man "von Schatten zu Schatten hüpfen" könne. Nur wäre dann für Veranstaltungen wie das Classic Open Air für ein bis zwei Stuhlreihen weniger Platz. Auch in der Mitte des Platzes wäre, wie Strößenreuther sagt, etwas Raum für Rasen, ohne dass das die Nutzung des Gendarmenmarkts als Veranstaltungsort beeinträchtigen würde. Das aktuelle Ergebnis bezeichnet Strößenreuther in Anbetracht des langen Planungsvorlaufs als weder adäquat noch zeitgemäß.
Mit Material von Olga Patlan
Sendung: rbb24 Abendschau, 13.03.2025, 19:30 Uhr