Berlin Neues Theaterstück von Rosa von Praunheim: Finsterböse Polit-Farce zum Totlachen
Mit "Die Insel der Perversen" albträumt Rosa von Praunheim die deutsche Geschichte ein Schrittchen in die Zukunft: Alice Weidel und Sahra Wagenknecht regieren das Land. Eine finsterböse musikalische Polit-Farce zum Totlachen. Von Barbara Behrendt
Am Abend verschickt die Berliner Schaubühne die Meldung, dass ihre Studiobühne wegen der Radikalkürzungen von CDU und SPD schließen muss. Zwei neue Arbeiten im großen Haus sind ebenfalls gecancelt.
Ein paar Kilometer weiter östlich, am Deutschen Theater, ist man da schon ein Schrittchen weiter bei der Abschaffung der Kultur. Hier begrüßen Alice Weidel und Sahra Wagenknecht in Rosa von Praunheims Stück "Die Insel der Perversen" das Publikum. AfD und BSW haben darin die Herrschaft über Deutschland übernommen – und das Theater gründlich ausgemistet: "Jetzt sind all die grünversifften Idioten tot oder interniert. Endlich!", seufzt Wagenknecht. Endlich wieder Theater national: "Schluss mit der albernen Demokratie. Und Schluss mit diesem linken Gesinnungstheater. Solchen Stuss kann doch keiner wollen. Wir spielen endlich wieder Deutsche Klassiker, mit klaren Frauen- und Männerrollen", singt Alice Weidel am Klavier.
Heinar Bomhard, der auch Regie führt, steht mit spitzem Weidel-Mund, blondem Zopf und blauem Blazer auf der Bühne, gemeinsam mit Božidar Kocevski als Sahra Wagenknecht – natürlich mit brünetter Beton-Frisur zum feuerroten Kostüm.
Szene aus "Die Insel der Perversen"
Rosa von Praunheim: raus!
Gemeinsam gehen sie durch die Reihen – die Marens dürfen bleiben, die Mohammeds kommen auf die Abschiebe-Liste. Und der pink schillernde Rosa von Praunheim, gespielt von Florian Köhler, wird unsanft nach draußen befördert. Schwule raus, Menschen aus der Ukraine, aus Afrika, Syrien und Afghanistan sowieso. Dafür 20 Millionen Russen rein – auf gute Nachbarschaft mit dem Busenfreund Putin.
Das Problem ist nur: Das dumme deutsche Volk will sich die deutschen Komödien, die Weidel und Wagenknecht ausgesucht haben, einfach nicht anschauen. Noch nicht mal den "Gesang der dicken Penisse" vom Genossen Oskar. Schließlich wird Nena beaufftragt, mit dem Stück "88 Luftballons". Denn: "dem Volk ist alles Recht, was rechts ist".
Szene aus "Die Insel der Perversen" mit Božidar Kocevski
Mal so richtig "dagegen" sein
Praunheim (alias Florian Köhler) taucht derweil, eine Bewegung der Drehbühne macht’s möglich, auf der "Insel der Perversen" auf – dorthin sind die Linksgrünversifften und Schwulen verschifft worden. Das Schöne an diesem schrillen Spaß ist: Auch sie müssen einiges wegstecken. Auf der Insel feiern sie sich dafür, wie sie mal "so ein richtig linkes Theaterstück gemacht haben" und es "denen so richtig gegeben haben"! Wem jetzt genau? "Na, denen eben!" Sie waren so richtig "dagegen"!
Echt linke Theaterstücke vor echt linkem Publikum – es hat nicht funktioniert. Wie singt der reinkarnierte Jesus auf der Insel der Perversen? "Mit keinem einzigen Gendersternchen, mit keinem einzigen Ostermarsch, habt ihr die Rechten aufgehalten. Euer Pazifismus – fickt euch in den Arsch!"
Die Zukunft der Populist:innen hat längst begonnen
Rosa von Praunheim, der wirkliche, ist mit seinen 82 Jahren noch immer eine Ikone der deutschen Schwulenbewegung. Künstler, Aktivist, Filmemacher, der Zeit seines Lebens für eine Veränderung der homophoben Gesellschaft gekämpft hat. Kein Wunder, dass seine neue musikalische Polit-Farce so böse, so bitter ist beim Blick auf die Gegenwart. Ohne Pimmelwitze kommt er zwar auch diesmal nicht aus, doch bei allem Trash und bei aller Komik trifft der Abend schmerzhaft ins Schwarze – gerade weil er eine Zukunft der Populist:innen und Diktator:innen beschreibt, die weltweit nicht weit weg erscheint.
Nach Hitler und Trump kommt irgendwann Putin auf einem Braunbären hereingeritten, nackter Oberkörper, einen großen Fisch schwingend, und singt: ein kitschiges Musical über seine Liebe zu Tieren. Aber weil Musicals ja wohl schwul sind und Russen natürlich auf keinen Fall, nennt er es: musikalische Spezialoperation. Dass dieser finstere Witz tatsächlich zündet, liegt am rasanten, gnadenlosen Spiel von Heiner Bomhard und Božidar Kocevski.
Die Reise geht übrigens auch für Sahra und Alice am Ende nicht gut aus; Thomas Gottschalk ist daran nicht ganz unschuldig. Wer es genauer wissen will – tja, der muss das "linksgrünversiffte" Deutsche Theater besuchen. Dem CDU und SPD übrigens ab Januar voraussichtlich drei Millionen Euro streichen. Der Populismus der Zukunft hat längst begonnen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 05.12.2024, 07:55 Uhr