Berlin Eiskunstlauf-Paar Hocke/Kunkel: "Man sollte auch dort fördern, wo es schon klappt"
Annika Hocke und Robert Kunkel sind eines von zwei vielversprechenden Paaren im deutschen Eiskunstlauf. Im Interview spricht das Berliner Duo über eine lästige Verletzung, die schwierige Finanzierung ihres Sports und die Perspektive Olympia.
rbb|24: Annika Hocke, Robert Kunkel, Sie sind beruflich viel in der Welt unterwegs - wo erreiche ich Sie gerade?
Kunkel: Wir sind momentan tatsächlich in Berlin.
Trainieren Sie etwa mittlerweile wieder hier oder sind Sie dafür nach wie vor in Bergamo?
Kunkel: Nein, wir trainieren nach wie vor in Italien. Wir sind nur am Dienstag nach Berlin gereist, um hier die Reha und Physiotherapie für Annis Fuß vorzunehmen. Das ist in Berlin doch ein bisschen professioneller und spezialisierter. Außerdem kennen die uns schon seit Jahren und haben uns bei mehreren Verletzungen betreut.
Was genau haben Sie sich zugezogen?
Hocke: Es ist eine Verletzung an meinem linken Fuß, die sich leider über einen längeren Zeitraum eingeschlichen hat und bei der ich die Ernsthaftigkeit etwas unterschätzt habe. Eine MRT-Untersuchung hat ein Knochenmarködem, einen gestauchten Knochen und Mikrorisse im Knochen ergeben. Das kann schnell zu einem Ermüdungsbruch führen, womit man sehr lange raus wäre. Aus diesem Grund haben wir uns für eine schnelle Behandlung in Berlin entschieden, um dem Fuß so schnell wie möglich zu helfen. Ich werde jetzt 10 bis 14 Tage keine Schlittschuhe anziehen und dann mal schauen, wie sich die Reha entwickelt und wann ich wieder aufs Eis zurückkehren kann.
Sie befinden sich mitten in der Saison. Zuletzt wurden Sie beim Grand Prix in Tokio Vierte. Wie stufen Sie Ihre bisherige Saison ein?
Kunkel: Wir hatten eine sehr gute Off-Saison - leider fast besser als die bisherige Wettkampfsaison. In der Vorbereitung hat tatsächlich alles geklappt und wir sind mit einem guten Gefühl in die Wettkämpfe gestartet. Leider hat man das auf dem Eis dann nicht so gesehen und wir mussten die ersten Leistungen mit unserem Trainer analysieren.
Unser erster Wettkampf war mit Blick auf die sehr gute Vorbereitung zu schwach. Dann folgten die zwei ersten Grands Prix. Beim ersten war Anni leider etwas erkältet, was man insbesondere in der Kür sehr gemerkt hat. Der zweite Grand Prix war dann wesentlich besser, die Fußschmerzen kamen aber schon durch und das Niveau war wirklich wahnsinnig hoch. Deswegen hat es dort, wie schon im ersten Grand Prix, nur für den vierten Platz gereicht. Durch die Zwangspause müssen wir sehen, wie es jetzt weitergeht. Das ganz große Ziel bleibt die WM mit der Olympia-Qualifikation.
Für Menschen mit nur wenig Eiskunstlauf-Wissen: Welchen Stellenwert haben die verschiedenen Wettkämpfe, die Sie jetzt schon angesprochen haben?
Hocke: Am Anfang der Saison gibt es verschiedene Challenger Cups, die bis in den Dezember reichen und quasi als Probe dienen. Auch wenn man hier schon Weltranglistenpunkte sammeln kann. Dann fangen die Grands Prix an: Die finden in verschiedenen Ländern statt und wenn man gut abschneidet, qualifiziert man sich für das Grand-Prix-Finale. Trotz des frühen Zeitpunkts sind die bereits wichtig. Im Januar gibt es dann mit der Europameisterschaft den ersten Saisonhöhepunkt. Das Wichtigste ist aber die Weltmeisterschaft, die im Eiskunstlauf jedes Jahr stattfindet.
Nun ist bereits Mitte Dezember, die EM steht also quasi vor der Tür. Kommt die Verletzung zur Unzeit?
Kunkel: Es ist schwer zu sagen, wie sich die nächsten Wochen entwickeln. Die EM ist laut der Ärzte aber ein realistisches Ziel. Die Frage ist auch immer, wie viel vorher man wieder trainieren will und wie viel Risiko man gehen möchte. Bei der letzten EM hatte ich zuvor eine Rückenverletzung, die zwei oder drei Wochen vorher ausgeheilt war - dann ist die Vorbereitung natürlich nicht allzu lang. Es bringt also nichts, wenn Anni erst am Tag der EM wieder fit würde. Man muss sich auch ein bisschen darauf vorbereiten. Stand jetzt haben wir den Wettkampf aber fest eingeplant.
Allgemein hat man im Moment das Gefühl, dass sich insbesondere der deutsche Paarlauf in Ihrer Sportart gut entwickelt. Das Duo Hase/Volodin gewann zuletzt den Grand Prix in Grenoble. Wie blicken Sie auf die derzeitige Situation?
Kunkel: Eigentlich sind die Paarläufer im deutsche Eiskunstlaufen traditionell am stärksten. Bei der letzten WM hatten wir immerhin Platz drei und fünf. Die anderen Kategorien waren noch nicht einmal für das Finale qualifiziert. Ich würde mich daher freuen, wenn die Deutsche Eislauf-Union (DEU) auch bei uns die Finanzierung und Projekte mit höherer Priorität angeht. Ein Olympiaprojekt wie im Einzel gibt es bei uns nicht.
Was meinen Sie?
Kunkel: Bei diesem Olympiaprojekt im Einzellaufen werden Trainingskosten sowie weitere Ausgaben übernommen. Es werden also alle Läufer, die Chancen auf Olympia haben, zusammengeführt und finanziert. Das gibt es im Paarlaufen leider nicht. Man kann natürlich sagen, dass es dort Förderung braucht, wo es besonders nötig ist. Ich finde aber, dass man auch dort fördern sollte, wo es schon klappt.
Ihre Kritik am Verband ist nicht neu. Sie haben in der Vergangenheit bereits mangelnde Förderung und fehlende Sponsoren angeprangert. Hat sich die Lage irgendwie verbessert?
Kunkel: Die Situation ist nicht mehr ganz so problematisch, das liegt aber vor allem an unserem eigenen Handeln. Wir sind durch private Sponsoren, unsere Preisgelder und Auftritte bei Shows ganz gut abgesichert. Finanzierungen durch den Verband gibt es mittlerweile auch, aber meistens sehr spät und wenig planbar. Es kann also sein, dass plötzlich nach anderthalb Jahren irgendwas übernommen wird, was man vorher aber gar nicht weiß. Es ist also gut, dass wir uns einen Puffer aufbauen können und Kosten im Nachhinein eventuell von der DEU übernommen werden. Planen kann man damit aber leider nicht.
Wie ist denn das Gefüge im Verband: Würden Sie das derzeit so erfolgreiche Paar Hase/Volodin eher als Kollegen oder trotz derselben Nationalität als Konkurrenten bezeichnen?
Hocke: Das Schöne am Paarlauf ist, dass man nie alleine kämpft. Allgemein spüre ich seit meinem Wechsel vom Einzel- zum Paarlaufen deutlich weniger Konkurrenzkampf. Wir konzentrieren uns eher auf uns selbst. Wir trainieren ja auch in unterschiedlichen Ländern, deswegen sehen wir Minerva Hase und Nikita Volodin sehr selten - eigentlich nur bei Wettkämpfen oder gelegentlich in Berlin.
Kunkel: Angenommen, man wird Zweiter. Ob die Nation vor einem Deutschland, Polen oder meinetwegen Ungarn ist, ist im Endeffekt egal. Die Nationen sind mittlerweile auch so durchmischt, dass es darauf eigentlich nicht mehr wirklich ankommt.
Anfang 2026 finden in Italien die Olympischen Winterspiele statt - für jeden Sportler das größte Ziel. Wie sieht Ihr Plan aus, die Spiele zu erreichen?
Hocke: Wie schon erwähnt, ist die Weltmeisterschaft wegen der ersten Chance zur Olympiaqualifikation in dieser Saison so wichtig. Da sollte man also auf jeden Fall fit sein und keine Fußverletzung haben, um die Startplätze für Deutschland zu holen. Meistens gibt es dann im September noch einmal die Möglichkeit, sich für die letzten Plätze zu qualifizieren. Den Stress auf den letzten Drücker wollen wir aber natürlich vermeiden.
Kunkel: Das Besondere ist aber, dass wir unser persönliches Ticket noch nicht sicher haben, selbst wenn wir gemeinsam mit dem anderen Paar zwei Startplätze für Deutschland holen. Für diese Plätze gibt es nächstes Jahr nochmal eine interne Qualifikation.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Jonas Bürgener, rbb sport.