Hertha-Fans während des DFB-Pokal-Spiels in Köln

Berlin Hertha-Allesfahrer: "Letztes Jahr sind 15 Urlaubstage für Hertha draufgegangen"

Stand: 06.12.2024 16:22 Uhr

Phillip Mechelk ist da, wo Hertha spielt, fast immer und überall. Im Interview spricht der 27-jährige Berliner über Opfer, die er für seinen Verein bringen musste, sein Lieblingsziel, einen besonderen Moment - und über den Kostenfaktor Bier.

rbb|24: Herr Mechelk, wann haben Sie zuletzt ein Hertha-Spiel im Fernsehen angeschaut?
 
Phillip Mechelk: Tatsächlich erst vor ein paar Tagen zum DFB-Pokal-Achtelfinale. Da habe ich es zeitlich beziehungsweise arbeitstechnisch nicht hinbekommen, nach Köln zu fahren.
 
Couch statt Tribüne, wie hat sich das für Sie angefühlt?
 
In dem Fall war es in einer Kneipe. Es wurde laut. Aber natürlich ist es nicht dasselbe wie im Stadion.

Christian Fiél, Trainer von Hertha BSC. (Bild: IMAGO / Revierfoto)
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Sie sind sogenannter Allesfahrer, der seinen Lieblingsverein möglichst überall hin begleiten will. Um welche Spiele geht es genau?
 
Alle Heimspiele und Auswärtsspiele. Wenn die Bubis spielen (Anm.: Hertha II), nehmen wir das auch gerne mit, außerdem die Heimspiele von BFC Dynamo. Und wenn es sich anbietet, auch noch Hertha Zehlendorf.
 
Sie sprechen von "wir"?
 
Ja, oft fahre ich mit Freunden und mittlerweile auch mit Arbeitskollegen, die habe ich ebenfalls angefixt. Die Gruppengröße ist total unterschiedlich, weil es auch vom Kartenkontingent abhängt. In Hamburg, beim HSV, da hatten wir auf einmal 20 Karten. Neulich in Magdeburg waren es nur drei.
 
Wie sind Sie bei Auswärtsfahrten unterwegs?
 
Mit Zug, Bus oder Auto, je nachdem. Für die Fahrt nach Hamburg hatten wir uns eine Gruppenkarte geholt, nach Nürnberg und Karlsruhe sind wir mit dem Auto gefahren.
 
Was ist Ihr Lieblings-Auswärtsziel?
 
Nürnberg macht mir schon Spaß. Es ist eine schöne Stadt – und eine Strecke, die man vergleichsweise schnell bewältigen kann. Ich bin ehrlich: Zweite Liga ist mir auch lieber als die erste. Wenn man nach München fährt und die Hütte voll kriegt, macht es wenig Spaß, den ganzen Weg dann wieder zurückzufahren. Selbstverständlich gehört auch Karlsruhe zu den Lieblingszielen.
 
Welches Stadion würden Sie am liebsten meiden?
 
Um ehrlich zu sein, die Alte Försterei (Anm.: Stadion des Stadtrivalen Union Berlin). Ich sehe mich da nicht so.

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Wer muss mehr Verständnis für Sie und Ihre Leidenschaft aufbringen: der Arbeitgeber oder Freunde und Familie?
 
Früher war ich in der Schichtarbeit tätig, da war das Hobby schwierig mit dem Beruf in Einklang zu bringen, etwa Wunscharbeitszeiten oder Urlaub zu beantragen. Letztes Jahr sind 15 Urlaubstage nur für Hertha draufgegangen, was ein bisschen viel ist. Somit habe ich die Abteilung gewechselt, innerhalb des Car-Sharing-Unternehmens, für das ich arbeite. Jetzt habe ich keinen Schichtdienst mehr. Deswegen leiden jetzt mehr oder weniger nur noch meine Mutter, ihr Freund, die Oma unter meinem Hobby. Aber es wird Verständnis gezeigt.
 
Aber wie schaffen Sie es, diesen Lifestyle mit dem Beruf zu vereinbaren?
 
Es war dafür tatsächlich wichtig, dass ich die Abteilung wechsle. Wenn Hertha in der 1. Liga um 15:30 Uhr gespielt hat, und ich am selben Tag eine Spätschicht hatte, dann war das schwierig. Dann hast du dir die Spiele ein halbes Jahr auf dem Bildschirm angeguckt, ein ganzes Jahr, und dann dachte ich: Alles klar, ich muss hier weg.
 
Das heißt, Sie haben wegen Ihres Lieblingsklubs die Stelle gewechselt?
 
Das kann man unter anderem so sagen. Aber nicht nur wegen Hertha, auch das private Leben ist damals total untergegangen.

Phillip Mechelk, Hertha Fan

Phillip Mechelk, Hertha-Fan

Ist nicht auch Ihr Hobby ein Vollzeit-Job? Während der Woche gilt es sicherlich, die Reise zu planen, ein Hotel zu buchen...
 
Es geht eigentlich. Tatsächlich gab es bis jetzt keine Auswärtsfahrt, die mit einer Übernachtung geendet ist. Es geht meistens früh los, etwa fürs Auswärtsspiel in Karlsruhe um 0:25 Uhr. Dann ist man kurz vor zehn Uhr dort, schaut sich das Spiel an, bleibt noch ein bisschen, und dann wird der ganze Weg wieder zurück getigert.

Wie lang machen Sie das schon?
 
Die erste Auswärtsfahrt war 2016, Hertha musste im DFB-Pokal bei St. Pauli ran (Anm.: 2:0 für Hertha). Und dass ich fast jedes Spiel mitnehme, das geht seit rund zwei, zweieinhalb Jahren so. Wie gesagt, das war auch mit dem Beruf nicht so einfach zu handeln.
 
Wie viel geben Sie pro Saison aus, um alle Spiele zu sehen?
 
Schwere Frage. Ein Stadionticket kostet zwischen 20 und 30 Euro, dazu kommt die Anfahrt. Gegen Magdeburg, da sind wir für knapp 50 Euro für drei Personen hin- und zurückgekommen. Das hat funktioniert. Aber es ist unterschiedlich. Es gibt auch mal eine Flixbus-Fahrt, mal einen Flix-Train, es gibt den ICE, es gibt das Auto.
 
Anders gefragt: Was ist der größte Kostenfaktor?
 
Bier.
 
Bitte führen Sie das aus.
 
Großeinkauf bei Rewe, Hauptbahnhof, ab an den Zug.
 
Sicherlich fällt das Stadionbier am meisten ins Gewicht. Wie viel kostet der Becher?
 
Nach zwei, drei Bier sieht man das ein bisschen lockerer. Zwischen fünf und sieben Euro sind es schon.

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Was war ein unvergesslicher Moment?
 
Es ist immer wieder unfassbar, was die Jungs in der Kurve abreißen, gerade was die Choreos angeht, ob auswärts oder zu Hause. Aber ich denke, was einen mitgenommen hat, das war der Trauermarsch für Kay Bernstein. Das war schon ziemlich emotional. Alle schwarz gekleidet, alle eine Rose in der Hand. Das war ja wirklich ein Gänsehautmoment, leider im negativen Sinne. Man kann zusammen feiern, man kann zusammen trauern.
 
Das europäische Geschäft ist für Hertha in weiter Ferne. Aber wenn es um internationale Reisen geht: Sie wären immer dabei?
 
Definitiv. Ich müsste es nur mit meinem Arbeitgeber klären.
 
Was würden Sie jemandem raten, der ebenfalls darüber nachdenkt, ein Allesfahrer zu werden?

 
Mach es. Du kommst raus aus Berlin. Es kommen so viele besondere Erlebnisse zusammen. Selbst die Pleite neulich in Köln, auch die wird für diejenigen, die waren, ein unvergesslicher Abend gewesen sein.
 
Vielen Dank für das Gespräch!
 
Das Interview führte Shea Westhoff, rbb Sportredaktion.

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.12.2024, 14:15 Uhr