Berlin Konzert | Crucchi Gang in der Columbiahalle: Her mit dem schönen Leben
Die Crucchi Gang spielt deutsche Popsongs auf Italienisch und im Stil des in Deutschland so beliebten Italo-Schlager-Pop. Eine herzerwärmende Idee, die auch live einen ganz eigenen Charme hat - mit einigen Gästen. Von Hendrik Schröder
Man darf sich einen der seltenen Abende mit der Crucchi Gang nicht wie ein Konzert irgendeiner Band auf Tour vorstellen. Die Band ist ja eher ein Projekt um den Musiker Francesco Wilking, bei dem zahlreiche Musiker und Musikerinnen mitmachen. Die Konzerte sind eher eine Art Nummern-Revue, ein Zirkus, bei dem die Big Band stehen bleibt und sich vorn wechselnde Sängerinnen und Sänger die Klinke in die Hand geben.
Das alles verläuft in einem Vibe irgendwo zwischen Klassenfahrt und Klassentreffen und vor einem post-feiertagsbedingt extrem gut gelaunten Publikum, was an diesem Abend in der Berliner Columbiahalle nicht zufällig gekommen ist, sondern genau wie die Hauptfiguren eine starke Affinität zu Italien hat. Gar nicht so wenige sprechen augenscheinlich sogar ziemlich gut Italienisch und singen die Texte mit.
Alle so bescheiden
Allerdings dauert es eine ganze Weile bis der Dampfer so richtig Fahrt aufnimmt, obwohl die Columbiahalle richtig voll ist. Das könnte daran liegen, dass das Vorprogramm mit DJ Eric D. Clark (der mit "From Disco to Disco" mal einen Nummer-Eins-Hit in Italien hatte) etwas zu lang und auch etwas zu lahm gerät. Erst mit rund 40 Minuten Verspätung kommt die Crucchi Gang auf die Bühne.
Es könnte auch daran liegen, dass Initiator Wilking zwar der liebste Mensch der Welt zu sein scheint, wie er da im blauen Sommeranzug und Segelschuhen fahrig freudig über die Bühne läuft, sich aufrichtig gefühlte 25-mal bedankt, dass so viele gekommen sind, er aber trotz jahrzehntelanger Bühnenerfahrung bei seinen Bands Tele und Die höchste Eisenbahn kein Zirkusdirektor ist, der die Meute präsentiert und mit großer Geste durch den Abend führt.
An seine verschmitzt zurückhaltende Art müssen sich die Leute erst ein bisschen gewöhnen. Zudem sind alle Beteiligten derart bescheiden, dass es den Eindruck hat, keiner wolle unnötig Raum einnehmen.
Respekt für beide Sprachen
Die Idee mit den deutschen Songs, die im Italo-Pop-Schlager-Stil gesungen werden, hatte Francesco Wilking schon vor ein paar Jahren. Er ist mit einer italienischen Mutter aufgewachsen, spricht die Sprache. Die Legende sagt, dass Wilkings Oma bei den ersten Songs noch bei der Übersetzung half. Zwei Platten hat er bislang mit den verschiedensten Leuten zusammen gemacht, eine dritte erscheint demnächst. Und die Idee ist gut.
Die bekannten Melodien von Songs wie zum Beispiel "Der goldene Reiter" von Joachim Witt oder "Für mich soll's rote Rosen regnen" von Hildegard Knef, gesungen auf Italienisch, einer Sprache, die für das durchschnittsdeutsche Ohr immer noch und immer wieder Wärme, Lebensfreude, Romantik, Sehnsucht ausstrahlt, aber nicht als Parodie und als Witz, sondern ganz zärtlich und beiden Sprachen respektvoll gegenüber - das gefällt den Leuten. Und als an diesem Konzertabend die Wiener Sängerin Madleina für "La dolce vita" auf die Bühne schreitet, kommt dann auch langsam Feuer rein.
Und am Ende kommt immer Sven Regener
Die Big Band, die Wilking zusammengestellt hat und die den Sound für die wechselnden Leadsänger und -sängerinnen macht, ist eh ganz stark. Schlagzeug, Bass, Gitarre, Keyboard, Percussion, vier Bläserinnen und Bläser. Der Sound ist gut.
Und die Gäste kommen Schlag auf Schlag. Oder Knall auf Fall? So ganz sicher ist sich Wilking nicht, welche Redewendung besser passt. Von-wegen-Lisbeth-Sänger Matze Rohde singt die italienische Version ihres Hits "In meiner Kneipe": "Al mio locale". Bilderbuchs "Bungalow" ("Il mio Bungalow") singt wieder Wilking, Tristan Brusch hat sich kurzfristig angekündigt mit einem ganz traurig berührenden Song.
Lina Maly steigt unter anderem bei Wir sind Heldens "Solo una parole" ("Nur ein Wort") mit ein. Wilkings Tochter und ihre beste Freundin geben die Background-Sängerinnen und natürlich kommt dann unter großem Jubel auch am Ende Sven Regener auf die Bühne und singt ein neues Stück vom kommenden Crucchi-Gang-Album sowie den Song "Carta Bianca" ("Weißes Papier") seiner Band Element of Crime.
Zum Finale stampfen dann alle zusammen das unvermeidliche "Azzuro". Ein am Ende dann doch ziemlich launiger Abend, nachdem man sofort in einen Alfa Romeo steigen und über den Brenner nach Italien brettern und nie wieder in dieses graue, kalte, nasse, harte Berlin zurückkehren will. Ciao Ciao.
Sendung: rbb24 Inforadio, 28.12.2024, 7:55 Uhr