Berlin Konzertkritik: Trettmann in Berlin - Godfather of Lässigkeit
Der Rapper Trettmann schaffte erst spät seinen Durchbruch. Dafür aber nachhaltig. Beim Konzert in der Berliner Max Schmeling Halle konnten Künstler und Fans gar nicht genug voneinander bekommen. Von Hendrik Schröder
Es ist ja schon eine erstaunliche Karriere, die Trettmann (bürgerlich Stefan Richter) da gemacht hat. Als Ronny Trettmann hatte er jahrelang mehr oder weniger lustige Rap Songs veröffentlicht und sich als Rapper mit sächsischem Akzent vermarktet. Das war musikalisch schon viel besser, als man jetzt denken würde, aber der ganz große Durchbruch kam erst viele Jahre später, 2017, als das "Ronny" aus dem Namen verschwunden war und sich die Lyrics von lustig auf gefühlig änderten. "D.I.Y" hieß das erste Erfolgsalbum. Da war Richter aka Trettmann schon Mitte 40.
Der Star ist die Technik
Auf der Bühne sieht er an diesem Abend alterslos jugendlich aus. In weißer Fellmütze, Sonnenbrille, Footballtrikot, Turnschuhen. So steht Trettmann auf der Bühne und klettert zu Beginn erstmal auf eine der zwei Videowände. Der Star an diesem Abend ist nämlich immer mal wieder: die Technik.
Die hintere Videowand scheint riesig, fast so groß wie ein Handballfeld. Die kleinere davor ist begeh- und bekletterbar und das soll später auch noch ganz tricky aussehen, wenn vier Tänzerinnen in Stiefeln und mit Regenschirmen auf ihr tanzen, während auf dem großen Screen der Regen fällt.
Nun wandert Trettmann aber erst mal ganz alleine über die Bühne und hat dabei weder riesiges Charisma, noch die lustigsten Sprüche der Welt im Gepäck. Aber er macht das alles mit einer derart beiläufigen Coolness, dass er Anwärter auf den Udo Lindenberg Gedächtnispreis sein wird, sollte es jemals so etwas geben. Wirklich beeindruckend, wie lässig man vor tausenden von Menschen stehen kann.
Über 30 Songs
Bevor es dann doch etwas langweilig wird, immer nur Trettmann anzuschauen, zumal er seine Sonnenbrille nie abnimmt und auch keine Kamera ihn von Nahem einfängt, kommen auch schon Tänzerinnen und immer wieder Gastsänger und -sängerinnen auf die Bühne. Bonez MC zum Beispiel.
Nicht gerade ein kleiner Name im deutschen Rap. Sehr gut. So passiert etwas. Manchmal werden auch einfach die Kollaboarationspartner seiner Hits wie zum Beispiel Cro auf der Videowand eingeblendet und der Refraingesang dazu eingespielt, Trettmann steht nickend daneben oder geht kurz was trinken und setzt dann zu seinem Part wieder ein.
Manche Tracks reißt er auch nur an, so bekommt er über 30 oder vielleicht sogar knapp 40 Lieder in ein Konzert, inklusive einem halben Dutzend Zugaben. Auch neue Sachen sind dabei, die er nach der Trennung von seinem langjährigen Produzentenduo produziert hat.
Modulierte Stimme und Melodien
Diese Art der Liveumsetzung seiner Songs ist nur konsequent. Sein Dancehallclouddreamyrap oder wie man das nennt ist ja komplett digital komponiert, die Lieder selten auch nur drei Minuten lang, seine Stimme geht immer durch Effektgeräte und ist nie wirklich pur, das ist sein Style, so funktionieren seine Songs. Was soll man da beim Konzert so tun, als sei irgendetwas davon organisch? Am Ende geht es um die Melodien und um die Lyrics. Die vom Aufwachsen im Plattenbau handeln oder von der großen Liebe.
Die besten Fans der Stadt
Abgesehen von der tollen Videoshow und seiner unaufgeregten Freundlichkeit hat Trettmann auch die vielleicht besten Fans der Stadt. Die aktuelle Tour musste verschoben werden, Trettmann ging es nicht gut. Gesundheitlich nicht, künstlerisch nicht. Seine Beziehung ging zu Bruch, wenn man den Klatschmedien glauben darf.
Jetzt bedankt er sich mit großen Worten bei seinen Fans für ihre Treue. Er sei jetzt auch für sie da, sagt er. Ihr für mich, ich für euch. Zum Glück verschwindet der Pathos solcher Sätze an diesem Abend ganz und gar unter Trettmanns Lässigkeit, sonst fängt noch einer an zu weinen vor Rührung.
Die Fans sind jedenfalls von Takt 1 am Start und begrüßen fast jeden Song, als käme jetzt der Überhit. Stehplätze und Unterrang sind ausverkauft, es ist gut was los. Das ist schon wirklich sehr süß und mitreißend, obwohl wie beschrieben auf der Bühne, wenn man ehrlich ist, gar nicht viel passiert. Anfang 50 ist Trettmann jetzt, ein Karrierespätstarter, der sich vor ein paar Jahren erst noch mal neu erfunden und scharenweise junge Fans ins Boot geholt hat. Die Musik muss man dabei nicht abendfüllend interessant finden. Aber der Typ und seine Crowd sind super.
Sendung: rbb24 Inforadio, 14.12.2024, 7.55 Uhr