Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) (Bild: imago images/dts nachrichtenagentur)

Berlin Kultursenator Joe Chialo (CDU): "Es wird im Kulturbereich auf jeden Fall Anpassungen geben"

Stand: 06.12.2024 20:22 Uhr

Drei Milliarden Euro müssen die Berliner Senatsressorts im nächsten Jahr einsparen - immerhin 12 Prozent ihres Budgets muss allein die Kultur beisteuern. In Nachverhandlungen konnten jetzt Durchbrüche erzielt werden, wie Senator Chialo im rbb-Interview berichtet.

rbb: Herr Chialo, allein in Ihrem Kulturetat müssen zwölf Prozent eingespart werden. In Bereichen wie Bildung und Wissenschaft ist inzwischen Bewegung gekommen - gibt es Umschichtungen auch bei Ihnen?

Joe Chialo: Ja, es wird auf jeden Fall Anpassungen geben. Die Voraussetzungen dafür sind natürlich juristische und technische Möglichkeiten. Und das gibt uns natürlich die Möglichkeit, auch kulturpolitische Schwerpunkte zu setzen und zu schauen, wie wir an welcher Stelle welche Korrekturen vornehmen können. Und wenn ich 'wir' sage, dann meine ich natürlich auch die Parlamentarier, denn es ist ja ein Gesetz, das verabschiedet wird. Wir arbeiten ganz eng zusammen, weil wir natürlich auch im Schulterschluss gucken müssen, was ist umsetzbar und was nicht für uns als Haus. Das funktioniert ganz gut.

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Es wird ja beispielsweise über die Kinder- und Jugendtheater viel diskutiert.
 
Ja, ich kann jetzt noch nicht finale Einrichtungen nennen und schon gar keine Höhen, die damit zusammenhängen. Weil das natürlich auch unter Vorbehalt des Koalitionsspitzentreffen steht. Aber klar ist - und das haben der Regierende und ich auch in den letzter Zeit immer gesagt -, dass Kinder und Jugendtheater wichtig für Berlin sind, weil sie natürlich auch einen Bildungsauftrag haben.

Ich war kürzlich bei der Eröffnung vom Theater an der Parkaue. Wir haben gesehen, dass es dort schwierig würde, das Programm zu gestalten. Das Haus hat gerade nach dem langen Umbau wieder eröffnet, und wenn man sieht, dass da gar kein Programm machbar ist, dann schauen wir schon, was wir da machen können, gemeinsam mit den Parlamentariern, die ja jetzt im Zuge sind. Und ich bin da bester Hoffnung, dass wir eine gute Lösung finden werden.

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Viel gesprochen wird auch über die Komische Oper. Die ist ja in einer besonderen Situation, weil sie gerade nicht an ihrem eigentlichen Ort spielt in der Behrenstraße, sondern im Ausweichquartier Schillertheater. Sie spricht von sogenannten Migrationskosten 3,3 Millionen Euro jährlich, unter anderem für Lager und Logistik, die sie braucht wegen dieses anderen Standortes. Auf der anderen Seite kann sie nicht die Plätze füllen wie sonst. Das wird im Moment durch Rücklagen aufgefangen. Hinzu kommt die unklare Sanierung des Hauses. Ist da noch Bewegung?

Dieses Thema haben wir fest im Blick. Wir wollen nicht, dass da eine langfristige Baustelle im Herzen der Stadt zurückbleibt. Und gleichzeitig ist es wichtig, dass die Komische Oper auch ihre Arbeit fortsetzen kann. An diesen Details sind die Parlamentarier dran. Und ich bleibe auch optimistisch, dass wir dann eine gute Lösung finden werden, weil das eines der Schwerpunktthemen ist, die wir jetzt gerade ins Auge gefasst haben.

Auch die Schaubühne hat sehr viele Unterstützer, auch über sie wird sehr viel gesprochen. Die Schaubühne sagt, sie müsse weniger Inszenierungen machen. Sie wird die Preise erhöhen, die teuersten Tickets sollen 85 Euro kosten. Und die Studiobühne wird am 1. Januar zunächst nicht mehr gespielt. Gibt es da noch Bewegung?

Sie haben natürlich spannende und heiße Themen aufgegriffen, die ja alle im Opern- und Theaterbereich sind. Und natürlich schauen wir auch da nach Lösungen. Ich bin ja selber jetzt, am kommenden Sonntag, in der Schaubühne und werde dort natürlich auch zu den Einsparungen sprechen. Klar, wir haben auch mit dem Berliner Ensemble ein Thema, im Deutschen Theater ein Thema - ich könnte die Liste so endlos weiterführen. Uns ist völlig bewusst, dass das Programm für die Häuser schon steht und die Verkündung der Ergebnisse am 19. Dezember sehr nah am 1. Januar 2025 ist. Und das ist natürlich für alle eine unglaublich große Herausforderung. Deshalb ist es ja unser Anliegen und auch Anliegen der Parlamentarier, das Ganze entsprechend so aufzusetzen, das trotz der Herausforderungen eine Umsetzung möglich ist.

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Bei all dem, wie Sie es schildern - irgendwie müssen ja diese drei Milliarden Euro eingespart werden im kommenden Jahr. Halten Sie noch an ihrer Idee fest, die ZLB an der Friedrichstraße im ehemaligen Lafayette Kaufhaus unterzubringen?

Die ZLB ist ja eine Idee, die schon seit sehr langer Zeit hier in Berlin vorherrscht, seit 1914 um genau zu sein. Und es ist bislang nicht gelungen, drei Standorte zu einem Standort für die Zentral- und Landesbibliothek zu vereinen. Und wenn ein Traum so lange dauert, dann muss man sich vielleicht in Berlin auch fragen, was so dysfunktional ist, dass eigentlich eine solche tolle Einrichtung nicht zentral zusammengeführt werden kann.

Und es hat ja kürzlich auch Umfragen gegeben. Viele Berlinerinnen und Berliner wünschen sich einen zentralen Ort für ihre Landesbibliothek, wo nicht nur im klassischen Sinne Bücher ausgeliehen werden können, sondern wo es auch darum geht, dass man einen Ort schafft mit qualitätsvollem Aufenthalt, wo Menschen hingehen können, um erstmal einfach sein zu dürfen, wo sie nicht sofort befragt werden, ob sie noch einen Kaffee bestellen wollen oder nicht, wo sie Bildung erfahren, wo sie sich mit neuen Technologien auseinandersetzen können wie KI, wo sie Unterstützung bekommen, beispielsweise bei der Steuererklärung, also, kurzum ein Ort, wo auch Jugendliche Aufnahmen machen können.
 
Dass man daran festhält, ist legitim. Tatsache ist aber auch, dass es derzeit schwierig ist, ein solches Projekt in dreistelliger Millionenhöhe aus dem Haushalt finanzieren zu wollen. Deshalb ist es wichtig, gerade bei der Zentral- und Landesbibliothek vielleicht über private Investoren eine Anschubfinanzierung zu erreichen.

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Angesichts der Turbulenzen auf Berliner Landesebene werden Ihnen Ambitionen nachgesagt, auf die Bundesebene zu wechseln und Kulturstaatsminister werden zu wollen. Denken Sie darüber jetzt intensiver nach?

Ich denke sehr intensiv darüber nach, wie wir das hinkriegen mit dem Haushalt 25. Wie wir für die Kulturschaffenden hier in Berlin eine Situation schaffen, die sie erst mal beruhigt. Ich denke sehr viel darüber nach, wie wir mit diesem Haushalt eine strukturelle Veränderungen in Berlin erzielen können, die die Institutionen und Künstler stärkt, sodass sie wirklich in die kommenden Jahre, die auch in der Breite hart werden. Sie sehen ja: Deutsche Bahn entlässt 30.000 Leute. Ford hat auch viele Entlassungen. SAP - die Liste ist endlos lang. Das heißt, wir steuern auf eine sehr, sehr angespannte Haushaltslage im Bund zu, auch in den Ländern. Das sind Themen, die mich so sehr beschäftigen, dass keine Zeit für andere Dinge bleibt - ich habe noch nicht mal Zeit, mit meiner Familie und meiner Tochter genügend Zeit zu verbringen.

Ich bin sehr gerne Kultursenator hier in Berlin und was mich wirklich freuen würde, wäre, wenn wir es schaffen, aus dieser depressiv-aggressiven Stimmungslage heraus wieder so etwas wie Optimismus und ein Blick nach vorne zu richten und auch darauf zu vertrauen, dass Berlin immer eine Stadt war, die die unterschiedlichsten Krisen durchlebt hat und immer stärker hervorgegangen ist. Das ist hart, aber wir können in den nächsten zwei, drei Jahren eine Situation kreieren, die Berlin für die Zukunft noch stärker und resilienter macht.

Herr Chialo, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Kirsten Buchmann, rbb-Redaktion Landespolitik.