Außenansicht der Geflüchtetenunterkunft in ehemaligen Flughafen Berlin-Tegel (Quelle: dpa/Jens Kalaene)

Berlin Machtkampf zwischen CDU und SPD: Wie bringt Berlin in Zukunft Geflüchtete unter?

Stand: 02.01.2025 06:21 Uhr

In Berlin kommen monatlich im Schnitt knapp 1.800 Geflüchtete an. Alle müssen untergebracht werden - eine gesetzliche Verpflichtung. Doch im schwarz-roten Senat gehen die Meinungen über das "Wie" weit auseinander. Von Ute Schuhmacher

Im Studentendorf Schlachtensee wird seit 2016 gelebt, was als Modell für Geflüchtetenunterkünfte in Berlin dienen könnte: Geflüchtete wohnen gemeinsam mit Studierenden. Am Schlachtensee sind die Geflüchteten zwischen 17 und 22 Jahre alt, arbeiten an ihrem Schulabschluss oder gehen in die Lehre. Elf sind es insgesamt und sie leben zusammen mit Studierenden im Studentendorf.

Ein junger Mann läuft in Richtung des Studentendorfes Schlachtensee (Quelle: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert).

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Das laufe überwiegend reibungslos, sagt Sebastian Klaue vom Studentendorf Schlachtensee, weil die Studierenden aus vielen verschiedenen Ländern kommen. "Die Geflüchteten mischen sich da sehr natürlich darunter. Für Außenstehende ist kaum zu erkennen, wer zu welcher Gruppe gehört."

Integration, die sich quasi von selbst ergibt, ist auch für die Politik ein Traum. Unter anderem deshalb propagieren CDU und SPD inzwischen gemischte Unterkünfte als wünschens- oder mindestens prüfenswert.

Symolbild: Wartebereich für Geflüchtete auf dem ehemaligen Flughafengelände Berlin Tegel. Ukrainische Kriegsflüchtlinge werden nach dem Koenigsberger Schluessel auf die Bundeslaender verteilt am 01.04.202. (Quelle: picture alliance/Caro/Trappe)
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In der Soorstraße drängt die Zeit

In der Charlottenburger Soorstraße nahe dem Krankenhaus Westend sollten in einem leerstehenden Bürokomplex bis zu 1.500 Geflüchtete untergebracht werden. Eine Anwohnergruppe erklärte, dass das möglich sei. Eine andere protestierte heftig dagegen. Nachdem auch die CDU auf Distanz ging zu dem Projekt und intensiv nachfragte, legte die SPD-geführte Sozialverwaltung im Dezember einen neuen Plan vor: 950 Geflüchtete sollten nun noch in der Soorstraße untergebracht werden. Außerdem soll geprüft werden, ob in einem Teil des Gebäudes Studierende wohnen könnten.

"Auch Auszubildende mit ihrer geringen Ausbildungsvergütung brauchen bezahlbare Zimmer", sagte Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) dem rbb. Sie will deshalb noch mehr solcher Projekte in Berlin. Was die Soorstraße angeht, reichte der neue Vorschlag der CDU kurzfristig aber nicht. Und so blockierte die christdemokratische Fraktion im Dezember weiter die Gelder für das Projekt. Und das nicht zum ersten Mal. Nach rbb-Informationen haben blockierte Gelder für Geflüchtetenunterkünfte in den vergangenen drei Monaten dazu geführt, dass 3.500 bis 4.000 Geflüchtetenplätze mindestens vorerst nicht gebaut werden können.
 
Was die Blockade der Gelder für die Soorstraße angeht, könnte das langfristige Folgen haben. Denn weil über die Anmietung nicht mehr 2024 entschieden wurde, könnte es sein, dass die Unterkunft gar nicht mehr genutzt werden kann, um Geflüchtete unterzubringen. Ein Vertreter einer der beiden Besitzer der in Frage kommenden Immobilie hatte signalisiert, dass das Vermietungsangebot im nächsten Jahr nicht mehr stehe.

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Das Problem mit dem Haushaltsrecht

Bleibt es dabei, wäre eine wichtige Immobilie nicht nutzbar für die Geflüchtetenunterbringung. Und selbst, wenn die Eigentümer der Immobilie weiter bereit wären, zu vermieten, müsste der Vertrag neu ausgehandelt werden, was Zeit kostet, bestätigt die Sozialverwaltung. Damit hätte die CDU per Haushaltsrecht die Politik von SPD-Sozialsenatorin Kiziltepe konterkariert. Denn Kiziltepes Ziel ist es, möglichst viele und qualitativ bessere Geflüchtetenunterkünfte über Berlin verteilt zu bauen.
 
Die Soorstraße mit ursprünglich maximal 1.500 Plätzen war da ein wichtiger Baustein. Solche neuen Unterkünfte sollen es ermöglichen, die viel kritisierte Massenunterkunft in Tegel zu schließen.

Einblick in die Geflüchtetenunterkunft Berlin-Tegel mit Doppelstockbetten und Kinderzeichnungen an der Wand (Quelle: dpa/Carsten Koall).

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CDU-Fraktionschef widerspricht SPD-Senatorin

Das Gegenteil will die CDU, wie Fraktionschef Dirk Stettner schon mehrfach betonte. Die Großunterkünfte auf den beiden früheren Flughäfen Tegel und Tempelhof will er auf keinen Fall schließen. "Wir werden in Tempelhof aufbauen und wir werden auch in Tegel nicht reduzieren und dafür Sorge tragen, dass wir keinen bestehenden Platz verlieren", stellte Stettner gegenüber rbb24 klar. Auf bis zu 10.000 Plätze könne Tegel erweitert werden und neben der Erstaufnahme auch gleich einen Abschiebegewahrsam beherbergen, findet Stettner. Das hatte er zuerst in einem dpa-Interview gesagt. Das ist das Gegenteil von dem, was Berlins Sozialsenatorin will. Ihr Ziel ist es weiter, mehr Geflüchtetenunterkünfte über Berlin verteilt zu eröffnen, um die Massenunterkunft in Tegel schließen zu können. Zu Stettners Vorstoß äußert sie sich nicht direkt. Auf rbb-Anfrage teilt ihr Sprecher lediglich mit: "An der Strategie des Senats für die Unterbringung geflüchteter Menschen hat sich nichts geändert."
 
Für den CDU-Fraktionschef steht dennoch fest: "Wir werden nicht 30, 40, 50 weitere Unterkünfte über das Stadtgebiet verteilen, weil auch dort keine vernünftige Integration stattfindet."

Das frühere City Hotel Berlin East in der Landsberger Straße 203 in Berlin-Lichtenberg, Aufnahme am 07.11.2024 mit Langzeitbelichtung. (Quelle: Picture Alliance/Markus Lenhardt)
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Studierende und Azubis für bessere Integration Geflüchteter

Bei der Integrationsfrage setzt die neue Strategie an, die auch die SPD-geführte Sozialverwaltung verfolgt: Geflüchtete sollen zunehmend gemeinsam mit Studierenden oder Auszubildenden untergebracht werden. Auch für die Soorstraße schlägt Senatorin Kiziltepe dieses Modell jetzt vor: 950 Geflüchtete und zusätzlich für einen Gebäudeteil prüfen, ob da Studierende wohnen könnten.
 
Aus Koalitionskreisen heißt es, dass das der Kompromiss sein könnte, der für die CDU zustimmungsfähig ist. Denn auch die Union sieht die Chance für mehr Integration bei solchen Wohnmodellen. Sie sind nicht ausschließlich für die Charlottenburger Soorstraße im Gespräch.

Auch für das frühere Lichtenberger Hotel in der Landsberger Allee, das zur Geflüchtetenunterkunft umgebaut wird, gibt es solche Überlegungen. Das ist auch in den Augen von Berlins Flüchtlingskoordinator Albrecht Broemme ein sinnvoller Weg für eine bessere Integration.
 
Zwei Dinge sind für Broemme allerdings wegen der verzögerten Genehmigung und der erwogenen Mischunterkünfte schon jetzt klar: Es brauche dann mehr Plätze für Geflüchtete an anderen Orten der Stadt. Und weil die erstmal gefunden werden müssen, führe es dazu, dass die Massenunterkunft in Tegel noch länger genutzt werden dürfte, was Sozialsenatorin Kiziltepe (SPD) unbedingt vermeiden will. Aus Sicht des CDU-Fraktionschefs ist dagegen eine intensivere Nutzung Tegels kein Problem, im Gegenteil: Wenn an anderen Orten in Berlin die benötigten Plätze nicht gefunden werden, will er sie ausdrücklich in Tegel oder Tempelhof einrichten lassen. Weil die Positionen von CDU und SPD was Tegel und Tempelhof angeht weiterhin deutlich auseinander liegen, wird auch 2025 ein zähes Ringen um jede Genehmigung erwartet.