Berlin Männerfreier Salon: Eine Berliner Friseurin bedient nur noch Frauen
Daniela Mechow hat in diesem Sommer entschieden, dass sie Diskriminierungen satt hat. Das bewog sie dazu, in ihrem Friseursalon in Berlin-Neukölln keine Männer mehr zu bedienen. Ein rbb|24-Video im September schlug Wellen. Wie ging es für sie weiter? Von Anna Severinenko.
rbb|24: Im September haben wir bereits über Ihren Salon berichtet. Wie ging es danach weiter und was war eigentlich der Auslöser für das Männerverbot?
Daniela Mechow: Ich arbeite seit vielen Jahren als Friseurin, meine Schwester und ich haben einen eigenen Salon. Ich hatte viele tolle männliche Kunden, aber leider auch oft viele, die diskriminierende Sprüche losließen. Es kamen Dinge, wie: "Ihr Frauen solltet alle lesbisch werden", "Alle Geflüchteten sollten auf dem Weg über‘s Mittelmeer ertrinken". Oder Bemerkungen zu mir: "Für diese Hose brauchst du einen Waffenschein". Ich hatte es irgendwann einfach leid und habe mit meiner Schwester beschlossen, dass wir nur noch weibliche Kundinnen bedienen möchten.
Wie kam es zu dieser Ladenpolitik?
So eine Entscheidung ist echt nicht leichtfertig gefällt. Da mussten schon viele Gründe zusammenkommen, um so einen Schritt zu gehen, denn ich habe gerne Männer frisiert. Ich hatte viele Bedenken, habe mich gefragt, wie ich das machen soll, ob es richtig ist oder nicht? Dennoch habe ich die Antwort in mir gespürt, denn es ging mir auch nicht mehr gut damit. Die diskriminierenden Bemerkungen kamen ja nicht von allen Männern - aber wenn, dann nur von Männern. Ich arbeite hier auch oft allein und bin damit angreifbar. Ich schließe ohnehin immer die Tür ab, man muss klingeln, um reinzukommen. Aber ich kann mich nur schützen, indem ich Männer hier nicht mehr bediene. Ich will nicht per se Männer komplett ausschließen, aber ich möchte auch für Frauen einen safe space kreieren, die - so wie ich - viele negative Erfahrungen machen mussten.
Es geht also auch um Ihre Kundinnen?
Ich rede hier jeden Tag mit Frauen und sie erzählen mir von ihren schlechten Erfahrungen mit Männern. Ich bin seit zwölf Jahren Friseurin und ich höre solche Geschichten fast jeden Tag. Sie schildern mir, was sie erfahren mussten, was ihre Freundinnen erfahren müssen, und so geht es on and on. Also jede hat schon mal mindestens eine negative Erfahrung machen müssen und da will ich jetzt meine Stimme erheben. Ich möchte mich für Frauen einsetzen. Nicht gegen Männer arbeiten, sondern für Frauen. Deshalb haben wir gesagt: unser Laden, unsere Philosophie, unsere Regeln.
Warum haben Sie sich damals entschieden, Ihre Ladenphilosophie öffentlich zu machen?
Die neue Ladenphilosophie hat als oberstes Gebot, Sexismus, Rassismus und Diskriminierung jeglicher Art keinen Zutritt mehr zu erlauben. Es öffentlich zu machen, war genau das Richtige. Das musste mal raus, ich habe mich erleichtert gefühlt. Als der Beitrag online gegangen ist, stand mein Handy nicht mehr still. Was gut ist, denn dieses Thema soll zur Diskussion anregen. Ich habe weit über hundert Nachrichten, Mails und Kommentare bekommen, aus Berlin aber auch deutschlandweit. Auch andere Medien haben mich daraufhin angefragt. Das Video hat anscheinend einen Nerv getroffen.
Wie waren die Reaktionen?
Ich habe so viele Nachrichten bekommen von Menschen, die mich verstehen, die mitfühlen können oder auch die selbst solche Erfahrungen gemacht haben. Es kamen viele positive Reaktionen von Frauen, die es schön finden, dass man endlich darüber spricht, dass man im Alltag belästigt und diskriminiert wird.
Weil ich im Video von meinen Erfahrungen in der Arbeitswelt erzählt habe, habe ich sehr viele Nachrichten von anderen Frauen in Berufen mit körpernahen Dienstleistungen bekommen - aus der Zahnmedizin, aber auch Fitnesstrainerinnen, Therapeutinnen, Masseurinnen und natürlich anderen Friseurinnen. Einige von ihnen haben berichtet, dass sie Belästigung oder Diskriminierung auf der Arbeit erfahren, während auch andere mit im Raum sind, aber es trotzdem keine Konsequenzen gibt. Das heißt: Nicht nur mir passiert es so oft, weil ich meist allein hier bin. Sondern es passiert auch anderen ständig im Alltag: im vollen Friseursalon, in der vollen Zahnarztpraxis. Mir ist noch mal ganz bewusst geworden, dass sowas unser aller Alltag ist. Mir haben aber auch andere Salons geschrieben, dass sie solche oder so ähnliche Ladenphilosophien bereits seit Jahren umsetzen, es aber nicht an die große Glocke hängen, aus Angst vor Kritik.
Gab es auch Kritik?
Negatives Feedback war abzusehen. Ich weiß ja, die Leute schreiben manchmal viel schneller, als sie nachdenken. Aber es war schon krass und beängstigend, als ich zum ersten Mal so eine negative Welle und auch so heftige Beleidigungen bekommen habe. Teilweise habe ich richtig lange Hass-E-Mails bekommen, auch über meine Person. Die Beleidigungen waren auch nicht kreativ, es ging oft nur um meine Optik. Ich hätte mir ein bisschen mehr konstruktive Kritik gewünscht, ein bisschen mehr auf die Thematik bezogen. Und das kam halt leider nicht. Viele fühlten sich von meiner Brille getriggert und ich frage mich: Leute warum? Was habt ihr denn gegen meine Brille? [lacht]
Welche Auswirkungen hatte die Berichterstattung auf Ihren Salon?
Es waren ein paar Trolle dabei und ein paar Leute, die mein Geschäft schlecht bewertet haben [auf Google, Anm. d. Red.]. Das ist richtig schade und natürlich mies für's Geschäft. Jeder Unternehmer und jede Unternehmerin weiß, Rezensionen sind enorm wichtig. Man kann auch gerne seine negativen Erfahrungen da reinschreiben, wenn die tatsächlich auch stattgefunden haben. Es macht mich aber traurig, wenn dann auf einmal da nur Ein-Sterne-Bewertung zu von Menschen kommen, die nie hier waren oder die keine echten Erfahrung in meinem Geschäft gemacht haben.
Gab es auch positive Effekte?
Insgesant hat sich das Video wirklich gut auf unser Geschäft ausgewirkt. Für die paar schlechten Bewertungen haben wir auf der anderen Seite hundert neue tolle Kundinnen gewonnen. Es hat mich gefreut, dass so viele Frauen zu mir gekommen sind und mich unterstützen wollten. Das wirkt immer noch nach. Und seitdem geht es mir auch mental besser, weil es mich auch wirklich belastet hat. Ich habe nach diesem Video gespürt, dass ich nicht allein bin. Dass wir zusammen dran sind und sich so viele Menschen gegen Diskriminierung und Belästigung engagieren. Ich bin, dass ich diesen Weg gegangen bin.
Das Interview führte Anna Severinenko, rbb|24. Sie hatte im September das Video im Salon gedreht.