Berlin Stärkung des Kinderschutzes: Das bedeuten die neuen Richtlinien für den Berliner Sport
Weitreichende Maßnahmen für den Kinderschutz werden im Berliner Sport verpflichtend. Tausende Ehrenamtler müssen deshalb Kurse besuchen. Ist der LSB vorbereitet? Die wichtigsten Fragen und Antworten. Von Shea Westhoff
- Berliner Sportverbände müssen ab 2025 Kinderschutzkriterien erfüllen, sonst drohen finanzielle Sanktionen
- Ab 2026 gelten die Auflagen auch für Vereine, wenn sie Förderungen aus öffentlicher Hand erhalten wollen
- Das Kinderschutzsiegel soll auch als Orientierungshilfe dienen, ob ein Verband/Verein eine sichere Umgebung für Kinder und Jugendliche bietet
- Mit den Richtlinien geht zusätzlicher bürokratischen Aufwand einher
Die neuen Richtlinien des Landessportbundes Berlin (LSB) zum Schutz der Kinder könnten wegweisend sein, denn mit ihnen sind Verpflichtungen verknüpft: Ab 2025 müssen alle Berliner Sportverbände bestimmte Kriterien für den Kinderschutz erfüllen. Tun sie es nicht, geht es ihnen ans Geld. Ab 2026 müssen auch die Vereine nachziehen, sofern sie bestimmte Förderungen erhalten wollen.
Der LSB hatte bereits 2021 das sogenannte Kinderschutzsiegel eingeführt, also ein Zertifikat, das den Einsatz eines Verbandes oder Vereins für die Sicherheit der Kinder unterstreichen soll. Allerdings habe man damit "noch nicht die breite Wirkung erzielt, die wir dabei erzielen wollen", sagt Friedhard Teuffel, Direktor des LSB.
Was ändert sich für die Verbände und Vereine?
Ab kommendem Jahr sind es zunächst die Verbände, welche die vom LSB vorgegebenen Voraussetzungen beim Kinderschutz zu erfüllen haben. Dabei geht es, vereinfacht gesagt, um die Verankerung von entsprechenden Leitlinien in der Satzung, gezielte Schulungen von Betreuern und die Überprüfung von Führungszeugnissen.
Bei Nichterfüllen der Anforderungen müssen die Sportverbände 50 Cent pro Verbandsmitglied unter 18 Jahren zahlen. Als Übergangsfrist haben die Verbände noch bis zum 30. Juni Zeit für die Erfüllung der Kriterien.
Im Jahr darauf betreffen die Auflagen dann auch die Vereine: Finanzhilfen durch Förderprogramme, beispielsweise zur Unterstützung bei der digitalen Transformation oder zur Bezuschussung von neuen Sportmaterialien, können die Vereine ab 2026 (je nach Förderprogramm ab 2027) nur noch beantragen, wenn sie das Kinderschutzsiegel haben.
Welche sechs Kriterien müssen Verbände und Vereine erfüllen?
- Kinderschutzbeauftragte müssen benannt und entsprechend geschult werden. An seiner Sportschule bietet der LSB dafür einen Workshop an. Der Beauftragte soll im Verband und Verein vor allem ein Ansprechpartner sein, wenn "eine Situation auftritt, die Unbehagen erzeugt", sagt Teuffel. Für Kinder, Jugendliche, Eltern und alle Vereinsmitglieder müsse klar sein, wer die Ansprechperson ist und wie man diese erreicht
- Die weitreichendste Neuerung: Alle Betreuer, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, müssen alle zwei Jahre Schulungen und Fortbildungen absolvieren, welche sich mit dem Kinderschutz und der Vorbeugung jeglicher - insbesondere sexualisierter - Gewalt im Sport befassen
- Jeder, der Kinder oder Jugendliche betreut, muss ein erweitertes Führungszeugnis beantragen und spätestens alle fünf Jahre beim Verein oder Verband vorzeigen
- Der Verein oder Verband muss die Prävention - also Vorbeugung - jeglicher Gewalt in der Satzung verankern
- Der Vorstand muss die Kinderschutzerklärung des LSB unterschreiben. Außerdem müssen alle ehren-, neben- und hauptamtlichen Personen, die Kinder oder Jugendliche betreuen, einen Ehrenkodex unterzeichnen
- Die weiteren vom LSB vorgegebenen Eckpunkte für ein Schutzkonzept sind bekannt und werden umgesetzt
Ist der LSB administrativ gewappnet?
Hunderte Vereine werden künftig Betreuer oder Trainerinnen aus dem Kinder- und Jugendbereich zu Schulungen entsenden - nicht zuletzt, um weiterhin an den Förderprogrammen teilnehmen zu können. LSB-Direktor Teuffel rechnet mit ungefähr 600 bis 700 Berliner Klubs. Und die verfügen teilweise über fünf, zehn oder noch mehr Kinder- und Jugendtrainer. Bedeutet: Den LSB erwarten also langfristig tausende Betreuer, die sich im Bereich des Kinderschutzes beraten lassen, für Kurse anmelden und sich dort letztlich fortbilden lassen.
Dafür hat der Landessportbund personell aufgestockt. Es wurden drei Stellen geschaffen, die sich mit Präventionsberatung, den Schulungen oder den zusätzlich anfallenden administrativen Aufgaben beschäftigen, sagt Teuffel. Die Tätigkeit der Kinderschutzbeauftragten sei zudem auf eine volle Stelle ausgebaut worden.
Außerdem habe der LSB sechs Stellen geschaffen, die bei den Verbänden angesiedelt sind und sich dort um die Beratungen für die Prävention, aber auch für das Kinderschutzsiegel verantwortlich sind.
Ob die Kinderschutz-Weiterbildungen allesamt in Präsenz stattfinden werden, also an der LSB-Sportschule in Schöneberg, oder ob es die Möglichkeit der digitalen Teilnahme gibt, ist noch offen.
Wie viele Vereine und Verbände haben das Siegel schon?
Aktuell haben 27 Verbände die Voraussetzungen für das Kinderschutzsiegel erfüllt, darunter mit dem Berliner Fußball-Verband (BFV) auch der mitgliederstärkste. Außerdem haben 88 Vereine - hauptsächlich ebenfalls mitgliederstarke - die Voraussetzungen erfüllt.
Auf Nachfrage bestätigt Teuffel, dass man beim LSB anpeilt, dass bis zum 30. Juni jeder Sportverband über ein Siegel verfügt.
Was sind die Herausforderungen für die Vereine?
Zu erwarten ist ein erhöhter bürokratischer Aufwand für die Vereine. Hendrik-Brian Melz vom Bezirkssportbund Reinickendorf, der die Interessen der Klubs im Bezirk vertritt, fasst es so zusammen: "Man muss regelmäßig gucken, dass die Übungsleiter Fortbildungen besucht haben. Man muss selbst einen Kinderschutzbeauftragten im Verein haben. Man muss ein Kinderschutzkonzept implementiert haben." Auch eine Satzungsänderung mit der Verankerung des Kinderschutzes ließe sich nicht mal eben so bewerkstelligen: Das könne nur einmal im Jahr bei einer Mitgliederversammlung bestimmt werden, sagt Melz. Er sorgt sich um die kleineren Klubs: Diese müssten nun erst einmal geeignetes Personal finden, das sich entsprechend fortbildet.
Was kostet das die Vereine und Verbände?
Es fallen Kosten für Weiterbildungen von Übungsleitern an, die in Vereinen und Verbänden mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben. Der LSB teilt auf Anfrage mit: "Hier entstehen bei zentralen Schulungen beim Landessportbund Kosten pro Teilnehmenden in Höhe von 28 Euro. Außerdem bietet der LSB Schulungen bei Vereinen und Verbänden an. Diese sind für maximal 30 Teilnehmende ausgelegt und kosten insgesamt 200 Euro, wovon 180 Euro das Dozent*innen-Honorar ausmachen."
Zudem gibt es die Workshops für die Kinderschutzbeauftragten: "Hier muss nur eine Person pro Verein/Verband teilnehmen, nämlich die (zukünftigen) Kinderschutzbeauftragten. Die Teilnahmegebühr beträgt hier 96 Euro."
Sendung: rbb24 Inforadio, 15.12.2024, 16:40 Uhr