Berlin Unfallschwerpunkte an Kreuzungen: Am Schlesischen Tor kracht es in Berlin am häufigsten
Unklare Verkehrsführung, schlechte Sicht, kurze Grünphasen: Der ADAC hat die Kreuzungen in Berlin untersucht, an denen die meisten Unfälle geschehen. Der Automobilclub wirft dem Senat vor, es mit der Verkehrssicherheit schleifen zu lassen.
- Die größten Unfallschwerpunkte in Berlin liegen am Schlesischen Tor, am Innsbrucker Platz, dem Tiergartentunnel und am Kottbusser Tor
- Fehlerhaftes Wechseln des Fahrstreifens ist die häufigste Unfallursache
- Viele Unfall-Hotspots sind laut ADAC bereits seit 2021 als solche bekannt
Laut Unfallzahlen der Polizei, die der ADAC ausgewertet hat, waren im vergangenen Jahr besonders die Kreuzungen am Schlesischen Tor, dem Innsbrucker Platz, Hauptbahnhof und Alexanderplatz gefährlich für Berliner Verkehrsteilnehmer. Das teilte der Automobilclub am Dienstag in Berlin mit.
Mit Abstand vorn liegt der Bereich rund ums Schlesische Tor in Kreuzberg: Im Bereich Bevernstraße / Oberbaumstraße / Oppelner Straße / Schlesische Straße / Skalitzer Straße / Köpenicker Straße gab es 2023 230 Unfälle mit Beteiligung von Autos. Der ADAC prüft in regelmäßigen Abständen, wie sich die Unfallgefahr an den Schwerpunkten entwickelt hat - und was der Berliner Senat dagegen tut.
Am Frankfurter Tor wurden die Radwege farbig markiert, nachdem der ADAC Kritik geäußert hatte. Die Unfälle dort sind um etwa 25 Prozent zurückgegangen. An vielen anderen Stellen aber gibt es immer noch Probleme, die schon 2021 bekannt waren, zum Beispiel unübersichtliche Verkehrsführungen, schlecht gestaltete Kreuzungen und schmale Radwege. Diese Probleme machen die Kreuzungen gefährlich für alle Verkehrsteilnehmer.
Kritik: Unübersichtlich, eng, schlecht markiert
Am Schlesischen Tor ist die Situation besonders schwierig: Die U-Bahn-Brücke der U1 behindert die Sicht, die Straßen sind relativ eng, zum Teil kurvig. Oft kommt es zu Unfällen, weil Autofahrer beim Überholen nicht aufpassen, der Sicherheitsabstand nicht eingehalten wird und die Verkehrsführung unklar ist und zu Missverständnissen führt. Hier sind die Unfallzahlen von 2021 bis 2023 um vier Prozent gestiegen.
Der ADAC fordert, die Verkehrsführung zu verbessern und überall Rad-Ampeln aufzustellen, um die Zahlen an dem Hotspot zu senken. "Man muss frühzeitig wissen, was einen erwartet, damit man reagieren kann. Ansonsten führt es dazu, dass aus Zeitknappheit oder sonst etwas Reaktionen entstehen, die man nicht haben möchte. Klare Regeln, klare Hinweise sorgen dafür, dass man etwas entspannter an die Kreuzungen herangeht und dazu helfen Beschilderungen und klare Lichtsignale", sagte Martin Koller, Vorstand für Verkehr im ADAC Berlin-Brandenburg am Dienstag dem rbb.
Hauptbahnhof: Besonders Abbiegen ist problematisch
Dazu passt auch Platz zwei der Statistik: der Innsbrucker Platz mit seiner Vielzahl von Auf- und Abfahrten - dass hier viele auf die oder von der A100 wollen macht die Sache nicht weniger kompliziert. Hier ist die Zahl der Unfälle von 2021 bis 2023 um 10,5 Prozent gestiegen, zuletzt waren es 136 Unfälle unter Beteiligung von Autos. Hier kritisiert der ADAC unverändert schmale Radfahrstreifen, die Konflikte zwischen Fahrradfahrern und Auto- oder Lkw-Fahrern seien durch die Verkehrsführung geblieben. Auch beim Linksabbiegen gebe es wegen der Ampelschaltungen immer wieder Probleme. Bei 60 Prozent der Unfälle hier waren Autofahrer die Verursacher.
Die Kreuzung mit den drittmeisten Verkehrsunfällen liegt vor dem Berliner Hauptbahnhof: Hier krachte es im vergangenen Jahr 131-mal - besonders beim Abbiegen. Der ADAC beobachtete im Bereich Invalidenstraße / Minna-Cauer-Straße und der Einfahrt in den Tiergartentunnel fehlende Markierungspfeile auf der Straße, unabgestimmte Ampelschaltungen, unklare Beschilderungen und eine kurze Grünphase für Fußgängerinnen und Fußgänger.
Wo gehts lang? Der Bereich am Berliner Hauptbahnhof.
Häufigste Unfallursache: Falsches Spurwechseln
Auf Platz 4 landete die Ecke Mollstraße / Otto-Braun-Straße nahe des Alexanderplatzes in Mitte. Hier stiegen die Unfallzahlen um 7 Prozent im Vergleich zu 2021. Weil der Radfahrstreifen nicht eindeutig fortgeführt werde, machten Auto-, Bus- oder Lkw-Fahrer an der Kreuzung Fehler beim Rechtsabbiegen, kritisiert der ADAC. Weil die Markierung unterbrochen ist, wird der Radweg über den Fußweg geführt - das führe zu neuen Konflikten.
Der Verein empfiehlt deshalb, die Radwege im gesamten Kreuzungsbereich farblich zu markieren, damit alle Verkehrsteilnehmer wissen, woran sie beim Abbiegen sind. "Das Problem ist, dass sich seit 2020 hier nichts verändert hat. Die Situation ist genau gleich, die Anzahl der Unfälle sind gleich, die Anzahl der Beteiligten sind gleich. Und das alles, obwohl durch einfache Maßnahmen, wie zum Beispiel eine deutliche Fahrbahnmarkierung für Radfahrer, hier schon vieles entzerrt werden könnte", sagte Martin Koller dem rbb.
Autos, Fahrräder, Fußgänger, Straßenbahnen: An der Mollstraße / Ecke Otto-Braun-Straße wirds schnell unübersichtlich.
Die häufigste Unfallursache an den Kreuzungen ist generell mit Abstand das fehlerhafte Wechseln der Fahrspur, zum Beispiel wenn man glaubt, den Stau auf der anderen Seite schneller zu überwinden oder einem doch noch einfällt, dass man abbiegen wollte - und den Autofahrer hinter sich beim Herüberziehen überrascht.
Auf den Plätzen zwei und drei stehen zu geringer Abstand und Fehler beim Rechtsabbiegen. Seit 2020 ist die Zahl der Verkehrsunfälle in Berlin gestiegen, allerdings auch die Zahl der Kfz-Zulassungen - es wird schlichtweg voller auf den Straßen.
Bisher 53 Verkehrstote in diesem Jahr
Generell kritisierte der ADAC am Dienstag den Senat - viele der notwendigen Maßnahmen für bessere Verkehrssicherheit würden nur schleppend oder gar nicht umgesetzt. "Solange eine Gefahrensituation in Berlin mit so einfachen Mitteln wie Farbe, dem Versetzen einer Linie oder dem Aufstellen eines Verkehrsschildes nur ansatzweise entschärft werden kann, muss sich der Berliner Senat Kritik gefallen lassen", sagte Koller.
Der ADAC bezeichnete seine Mitteilung am Dienstag wieder als "Wake -Up-Call", wie schon 2021 - als Weckruf, um die besonders gefährdeten Verkehrsteilnehmer zu Fuß und auf dem Rad besonders zu schützen. In diesem Jahr sind bisher 53 Menschen durch Verkehrsunfälle in Berlin ums Leben gekommen, umgerechnet fast jede Woche starb also ein Mensch im Berliner Straßenverkehr. Knapp die Hälfte davon waren Fußgänger oder Radfahrer, acht waren Autofahrer oder -beifahrer.
Sendung: rbb24 Abendschau, 17.12.2024, 19.30 Uhr