Brandenburg Frühere Brandenburger Integrationsbeauftragte Lemmermeier verlässt SPD
Vom Sozial- ins Innenministerium: Der Zuständigkeitswechsel der Integrationspolitik veranlasst die ehemalige Brandenburger Integrationsbeauftragte zu einem drastischen Schritt. Im Groll verlässt Doris Lemmermeier die Sozialdemokraten.
- Lemmermeier war von 2013 bis 2024 Integrationsbeauftragte des Landes Brandenburg
- Scharfe Kritik am Wechsel der Zuständigkeit von Sozialpolitik zu Innenpolitik
- Innenministerin Lange weist Vorwürfe zurück - es werde keine Abstriche bei der Integrationspolitik geben
Die langjährige Brandenburger Integrationsbeauftragte Doris Lemmermeier tritt aus der SPD aus. Als Begründung führt sie den Wechsel der früheren Finanzministerin Katrin Lange (SPD) an die Spitze des Innenministeriums und die Angliederung der Integrationsbeauftragten an das Innenministerium an. Bisher war die Integrationsbeauftragte beim Sozialministerium angesiedelt.
"Überrascht, entsetzt und zutiefst besorgt"
In ihrer Austrittserklärung, die rbb|24 vorliegt, schreibt Lemmermeier, die bisherige Finanz- und neue Innenministerin Lange habe in den vergangenen Jahren demonstriert, dass sie von Integration wenig halte und Migrationsberatung sowie Integrationsprojekte für sie unnötig seien. "Mich schaudert bei dem Gedanken, dass sie nun für diese vielfältige und kreative Landschaft verantwortlich ist und was dort angerichtet werden kann", so Lemmermeier.
Die frühere Integrationsbeauftragte geht mit der SPD hart ins Gericht: "Die Partei, in die ich vor 20 Jahren eingetreten bin, wäre auf eine solche Idee niemals gekommen." Vor diesem Hintergrund könne sie es nicht verantworten, weiter in der SPD zu bleiben.
Auf Herausforderungen im Bereich der Integration in der neuen Regierung durch das BSW sei sie vorbereitet gewesen, schreibt Lemmermeier. "Dass diese nun von der SPD verursacht werden, überrascht, entsetzt und besorgt mich zutiefst." Gegenüber der SPD empfinde sie "wachsende Ohnmacht".
"Gefährliche Kurskorrektur in der Integrationspolitik"
Besonders scharf kritisiert die 66-Jährige den Wechsel der Zuständigkeit für Integrationspolitik und die Ansiedlung der Integrationsbeauftragten beim Innenministerium. Dies sei "ein Signal für eine radikale und gefährliche Kurskorrektur in der Integrationspolitik". Es werde "der Bock zum Gärtner gemacht".
Die Integrationsbeauftragte könne gegenüber der Behörde nicht unabhängig und kritisch auftreten. Dies sei jedoch notwendig, da das Ministerium auch für Ausländerbehörden und Abschiebungen zuständig sei. Integrationspolitik sei Sozialpolitik, bei der es um Themen wie Willkommenskultur, Teilhabe, interkulturelle Kompetenz und Toleranz oder auch Rassismus und Diskriminierung gehe. Diese seien dem Innenministerium "fremd".
Auch im Koalitionsvertrag von SPD und BSW fehle beim Thema Migration "jeder soziale Aspekt". Stattdessen stünden die Abwehr sogenannter irregulärer Migration und Abschiebungen im Zentrum.
Lange: Keine Abstriche bei der Integrationspolitik
Innenministerin Lange wies gegenüber rbb|24 zurück, dass es Abstriche bei der Integrationspolitik geben werde. "Asylberechtigte Personen werden den Schutz und die bestmögliche Integration bekommen, wie es üblich war in diesem Land", sagte Lange. Die Rolle der Integrationsbeauftragten und die Rolle des Innenministeriums seien klar definiert. Man werde gut zusammenarbeiten.
In einer schriftlichen Mitteilung heißt es, die Erklärung Lemmermeiers gehe "an den Tatsachen vorbei". Es handele sich um unzutreffende und unsachliche Unterstellungen gegenüber dem Innenministerium. "Integrationspolitik ist weit mehr als nur Sozialpolitik, und jeder der die Augen aufmacht, weiß das auch." Lemmermeier sehe über "zahlreiche weitere politische und kulturelle Herausforderungen" hinweg, die mit Migration verbunden seien, so Lange. Der früheren Integrationsbeauftragten wirft sie vor, sich in der Vergangenheit selbst der Abschiebung von Straftätern widersetzt zu haben. "Ihre und meine Auffassungen gehen da in der Tat auseinander", so Lange.
SPD-Generalsekretär Fischer verteidigt Ressortwechsel
Der amtierende SPD-Generalsekretär Kurt Fischer kritisierte, Lemmermeier hätte mit der Partei nie über die Beweggründe für ihren Austritt gesprochen. Beispielsweise bei Diskussionen über den Koalitionsvertrag zwischen SPD und BSW mit der Parteibases habe er "von Frau Lemmermeier nie etwas gehört".
Fischer verteidigte den Wechsel der Integrationspolitik ins Innenressort: "Die Neusortierung der Landesregierung ist richtig. Wir wollen mit der Integration besser werden und das ist auch dringend notwendig." Zudem sei es zu früh, die Integrationspolitik der gerade erst gestarteten Regierung aus SPD und BSW zu bewerten.
Lemmermeier war von 2013 bis 2024 Integrationsbeauftragte des Landes Brandenburg und zuletzt beim von Ursula Nonnemacher (Grüne) geführten Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz angesiedelt. Im April übernahm die Sozialwissenschaftlerin Diana Gonzales Olivio das Amt.
Sendung: rbb24, 19.12.2024, 13.00 Uhr