Der Cottbuser Musiker Alexander Knappe. / imago images/Fotostand

Brandenburg Cottbuser Musiker Alexander Knappe: "Wenn Energie das Wunder Aufstieg schaffen sollte, würde sich ein Kreis schließen"

Stand: 28.12.2024 11:27 Uhr

Der Cottbuser Musiker und Ex-Hertha-Fußballer Alexander Knappe hat seit 2019 die "Liebe kennt keine Liga"-Festivals für den FC Energie organisiert. Nun hört er auf. Ein Gespräch über Fanliebe, seine Hymne für die Lausitzer - und den Höhenflug des Klubs.

rbb|24: Herr Knappe, Energie Cottbus hat sportlich ein sensationelles Jahr hinter sich. Sie haben für den Verein in einer schweren Zeit in den vergangenen fünf Jahren Spenden von 100.000 Euro organisiert. Man sagt ja immer, der Erfolg hat viele Väter. Sind Sie einer davon?
 
Alexander Knappe: Der Aufschwung von Energie ist natürlich vor allem den Trainern, Spielern und Vereinsmitarbeitern zu verdanken. Aber die Fans haben auch ihren Teil dazu beigetragen, das stimmt. Mit den vier "Liebe kennt keine Liga"-Festivals, die ich organisiert habe, konnten wir einiges Geld für den Verein einsammeln.

Sie sind inniger Fan. Seit wann?
 
Schon als Kind. Mein erstes Spiel sah ich 1997 gegen die Reinickendorfer Füchse in der Regionalliga. Weil ich kein Geld hatte, bin ich einfach ins Stadion geklettert. Damals wurde ich vom Virus erfasst.

Sie waren da noch selbst auf dem Weg zu einer Sportlerkarriere?
 
Ich habe als Leichtathlet in Cottbus begonnen, war in der Trainingsgruppe mit dem späteren Diskus-Olympiasieger Robert Harting. Es zeigte sich jedoch relativ bald, dass ich zu klein bin fürs Speerwerfen und auch im Laufen nicht gut genug war. Als mich bei einem internen Spiel ein Energie-Trainer sah, bin ich zum Fußball auf die Lausitzer Sportschule gewechselt. Von dort wurde ich mit 13 zu Hertha BSC gescoutet, wo ich unter anderem mit Änis Ben-Hatira, Kevin und Jerome Boateng zusammenspielte. Bis ich mit 18 einen Kreuzbandriss bekam und aufhören musste.

Ist in der Zeit bei Hertha der Kontakt zu Energie nie abgerissen?
 
Nein. Ich bin jedes zweite Wochenende mit dem RE2 nach Hause gefahren und zum Spiel ins Stadion gegangen. Ich befand mich damals in einer schwierigen familiären Situation, da war der Block im Stadion der Freundschaft so was wie mein Familienersatz.

Ich habe es nicht als Fußballer, aber mit dem Song auf den Rasen des Stadions der Freundschaft geschafft. Für mich ist damit echt ein Traum wahr geworden.

Sie hatten in Berlin Heimweh nach Energie?
 
Ja, in Berlin wussten alle, dass ich Cottbuser bin und mein Herz für Energie schlägt. Mein Spitzname war Ossi, was ich aber nicht als negativ betrachtete. Ich habe nie meinen Traum verheimlicht, eines Tages für Energie spielen zu wollen. Eigentlich hatte ich mir nicht vorstellen können, so früh aus Cottbus wegzugehen. Aber im Nachhinein war Berlin für mich das Beste, was mir passieren konnte. Da ist eine Tür zu einer Welt aufgegangen, mit der ich nicht gerechnet habe. Trotzdem habe ich immer meine Wurzeln behalten und mir geschworen, nie zu vergessen, woher ich komme.

Sie sind mit 19 Jahren professioneller Musiker geworden, ein sehr erfolgreicher, und haben 2014 auch eine Hymne auf den Verein geschrieben. Kam das von Ihnen oder vom Verein?
 
Ich wollte das, weil der Verein zu meiner Vita gehört. Der Song "Wir kommen auch morgen noch wieder" entstand, als Energie aus der zweiten Liga abstieg. Ich war nicht sicher, ob die Fans das Lied annehmen würden, weil es einen sehr autobiografischen Text hat und keine klassische Fußballhymne ist. Es ist dann aber durch die Fans zu einer Hymne für den Verein geworden, so dass ich sagen kann: Ich habe es nicht als Fußballer, aber mit dem Song auf den Rasen des Stadions der Freundschaft geschafft. Für mich ist damit echt ein Traum wahr geworden. Die Botschaft des Songs - wir kommen wieder - hat sich auch bewahrheitet. Wenn wir das Wunder Aufstieg schaffen sollten, würde sich ein Kreis schließen.

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Wie blicken Sie auf das, was gerade mit dem Verein passiert?
 
Da sieht man wieder mal, dass der Fußball manchmal wie das Leben ist. Wer fällt, kann auch aufstehen. Der Verein ist durch die Hölle gegangen, von der Bundesliga durchgereicht in die vierte Liga. Er stand mit dem Rücken zur Wand, war eigentlich tot. Trotzdem haben die Fans in der Region zu ihm gehalten und jetzt lebt er umso mehr. Treue zeigt sich ja nicht in guten Zeiten, sondern erst bei Gegenwind. Das macht mich sehr stolz. Wir müssen das jetzt mitnehmen, aufsaugen und einspeichern für schwierige Zeiten. Die werden ja kommen.

Seit 2019 haben Sie jährlich - bis auf 2020 während der Corona-Pandemie - "Liebe kennt keine Liga"-Open-Airs zugunsten von Energie veranstaltet. Wofür wurden die Einnahmen verwendet?
 
Sicher nicht für einen neuen Kader. Ich weiß, dass im letzten Jahr Geld genutzt wurde, um auch die demolierten Toiletten im Gästeblockbereich zu erneuern. Auch der Nachwuchs hat profitiert. Als wir 2019 begannen, war der Verein fast bankrott. Man muss natürlich sagen, dass 100.000 Euro über vier Jahre verteilt keine riesengroße Summe sind. Aber das Festival hat ja mehr als eine finanzielle Bedeutung, es ist für die Fans wie ein Kleber zum Verein. Es geht um Identifikation und ein positives Image nach draußen. Auch innerhalb der ostdeutschen Fußballfamilie zeigen: Hey, der Verein lebt noch! Es gab ja viele negative Schlagzeilen. Mir war wichtig zu zeigen, dass der Verein auch eine andere Seite hat, die viel stärker ist. Union hat das Weihnachtssingen und wir haben halt dieses Festival.

Wie gelang es Ihnen eigentlich, bekannte Bands wie Culcha Candela, Glasperlenspiel und Gestört aber Geil für die Konzerte zu gewinnen?
 
Nicht mithilfe einer großen Gage. Es ging ihnen auch darum, die Kulturszene in Cottbus weiterleben zu lassen. Die Musiker mussten jedenfalls nicht zwingend Energie-Sympathisanten sein, aber ich hätte jetzt nicht Die Atzen oder Nina Hagen eingeladen, die nun mal für Hertha oder Union stehen.

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Und jetzt soll Schluss, das Festival 2024 das letzte gewesen sein?
 
So ein Festival ist ein unglaublicher Aufwand, zudem sind die Kosten extrem gestiegen. Das finanzielle Risko habe ich mit meinem kleinen Team stets getragen, wobei uns die Sponsoren aus der Region außergewöhnlich unterstützt haben. Wir sind stolz, dass wir es in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation überhaupt über die Bühne bekamen. Man sieht ja, wie überall Festivals und Clubs sterben.

Sie beenden parallel auch Ihre Musikerkarriere. Warum?
 
Ich bin 20 Jahre im Geschäft und habe gefühlt alles erlebt. Ich hatte drei Top-Ten-Alben, ausverkaufte Tourneen, eine eigene Radiosendung und ein eigenes Orchester. Ich glaube, jeder Künstler hat ähnlich wie ein Fußballer eine Halbwertszeit. In der Karriere musst du alles rausholen. Man merkt immer nicht, wenn etwas anfängt, aber man spürt, wenn etwas aufhört. Ich hatte Angst, den Moment zu verpassen. Das Schwerste ist doch immer das Loslassen. Wir wissen halt nie, ob wir die richtigen Entscheidungen treffen. Am 15. Februar gebe ich in der Cottbuser Stadthalle mein letztes Konzert. Das wird für mich sehr emotional und wohl auch für etliche Energie-Fans, die kommen werden.

Sie könnten nach Ihrer Musikerlaufbahn ja auch Veranstalter werden und Ihr Festival, das mit 4.000 Zuschauern im Spreeauenpark auch 2024 wieder ausverkauft war, fortführen?
 
Wer weiß. Viele fragen mich tatsächlich, ob es nicht weitergehen kann. Vielleicht ist das ja tatsächlich möglich, dank Sponsoren oder eines Kulturfördertopfs. Es wäre schon schön, denn es ist ein Festival von Fans für Fans. Das hat ja auch den Charme ausgemacht, dass es kein Event des Vereins war, obwohl der es immer etwas unterstützt hat.

Sofern Energie tatsächlich das Aufstiegswunder schaffen würde, dann würden Sie bei einer großen Aufstiegsparty doch sicher ein Comeback als Sänger hinlegen, oder?
 
An Aufstiegsparty denke ich jetzt nicht. Wenn der Klassenerhalt sicher ist, kann der Klub natürlich all in gehen, aber es kann noch so viel passieren. Ich war lange genug Fußballer, um das zu wissen. Die zweite Liga wäre natürlich eine Riesengenugtuung für Energie und sogar für den ostdeutschen Fußball. Dass der Verein wie Phönix aus der Asche steigt, würde allen zeigen, dass man niemals aufgeben sollte.

Vielen Dank für das Gespräch!
 
Das Interview führte Gunnar Leue, rbb Sport.