Brandenburg Berlin Warum Meta die Regeln für Fakten-Checks in Deutschland nicht so leicht ändern kann
Meta, der Konzern hinter Facebook und Instagram, plant radikale Änderungen: Die Faktenprüfung durch unabhängige Experten soll in den USA enden. In Europa könnte der Digital Services Act das Vorhaben ausbremsen. Wie genau? Von Hasan Gökkaya
Der Konzern, der hinter Facebook und Instagram steckt, heißt Meta - und dessen Chef Mark Zuckerberg will nun zunächst in den USA fundamentale Änderungen am Moderationsmodell vornehmen. Die Zusammenarbeit mit unabhängigen Faktenprüfern wird eingestellt - stattdessen sollen die User selbst irreführende oder falsche Inhalte kennzeichnen können. Das kündigte Mark Zuckerberg am Dienstag in einem Video an.
Der Schritt ist eine gravierende Entschärfung des Vorhabens, gegen irreführende, hetzende oder falsche Inhalte auf den größten Internetplattformen der Welt vorzugehen.
Zuletzt hatten einige Medien in Deutschland, aber auch Experten, die zu Politik und Gesellschaft publizieren, sich von der Plattform X (früher Twitter) verabschiedet. Grund ist, dass die Plattform seit der Übernahme von Elon Musk zunehmend als unseriös und hetzerisch empfunden wird.
Musk ist auch der Gründer des E-Autobauers Tesla und jener Tech-Milliardär, der Donald Trump im US-Wahlkampf unterstützte und dabei immer wieder Behauptungen ins Netz schoss, etwa dass Medienhäuser, auch die im Ausland, politisch gesteuert seien und generell Lügen verbreiten würden. Der Mann, der sich über vermeintliche Fake News beschwert, tat dies zuletzt, in dem er selbst Fake News ins Netz streute.
"Correctiv": "Wir beobachten die Entscheidung von Meta kritisch"
In Anbetracht der Tatsache, dass Trump der nächste US-Präsident wird und Musk als Trumps Unterstützer eine gewichtige Rolle einnehmen wird, hat nun wohl auch Mark Zuckerberg nachgegeben. Zumindest ist klar, dass das neue "Free Speech"-Modell von Meta dem republikanischen Lager um Trump deutlich mehr zusagen wird.
Die Frage ist nun: Wird Meta die Faktenprüfung nur in den USA ausstellen oder auch in anderen Teilen der Welt, etwa in Europa und Deutschland?
Hierzulande hat Meta für das unabhängige Factchecking Verträge mit dem Recherchenetzwerk "Correctiv" und der Deutschen Presse-Agentur (DPA). Die Äußerungen Zuckerbergs seien so zu verstehen, dass nur die USA betroffen sein werde, teilten "Correctiv" und DPA dem "Handelsblatt" mit. Allerdings mit dem Verweis: Dass die mit Meta abgeschlossenen Verträge bis Ende 2025 laufen.
Und danach? Es könnte gut sein, dass nach Zuckerbergs Ankündigung dann Schluss ist. Auf Nachfrage von rbb|24 teilte "Correctiv" mit: "Wir beobachten die Entscheidung von Meta kritisch, da sie die mangelnde Bereitschaft der Plattform unterstreicht, ihrer Verantwortung im Einsatz gegen Desinformation gerecht zu werden".
EU in dieser Sache kein "zahnloser Tiger"
Doch so einfach wird Meta es in Europa nicht haben, denn was dieses Thema angeht, sei die EU durchaus kein "zahnloser Tiger", sagt Eva Flecken, Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB). Zutun hat das mit dem Digital Services Act (DSA) - ein EU-Gesetz, das Regeln für Online-Plattformen wie Facebook, Instagram oder Amazon festlegt, um Nutzer, vor allem Kinder und Jugendliche, vor illegalen Inhalten, Desinformation und Risiken zu schützen.
Meta werde in der Kategorie "Very Large Online Platform" (sehr große Plattform) geführt, weshalb der Konzern besondere Kriterien erfüllen müsse, wolle er seine Dienste in der Europäischen Union anbieten, stellt Flecken klar.
So muss Meta etwa zwei Mal im Jahr einen Bericht an die EU-Kommission einreichen, aus dem hervorgeht, wie die Plattform arbeitet, welche Systeme sie einsetzt, um etwa Risiken zu minimieren, dass Nutzer Hass und Hetze ausgesetzt sind. "Zudem muss das Unternehmen ein Meldesystem bereitstellen, über das Nutzerinnen und Nutzer, Behörden sowie zivile Organisationen rechtswidrige Inhalte einfach und schnell melden können", sagt Flecken.
EU-Gesetz kann "zertifizierte Fakten-Checker" implantieren
Das EU-Gesetz schreibt aber noch etwas vor: In jedem EU-Land darf die zentrale Plattformaufsicht vertrauenswürdige Hinweisgeber, sogenannte Trusted Flagger, zertifizieren. In Deutschland liegt die Aufsicht darüber bei der Bundesnetzagentur. Sie darf also unabhängige Parteien zum Beispiel Fakten-Checker-Organisationen anerkennen. Wenn diese dann Inhalte aus dem Netz meldeten, die gegen geltendes Recht verstießen, müsse eine Plattform wie Meta dem "mit Priorität" nachgehen, sagt Flecken.
Aufbauend an diesem Beispiel könnten zum Beispiel Parteien wie "Correctiv" und DPA auch nach Aufhebung des - freiwilligen - Vertrags mit Meta sich bei der Bundesnetzagentur als Trusted Flagger melden und zertifizieren lassen. Über diesen Hebel würde Meta an Fakten-Checkern doch nicht vorbeikommen. Bisher gebe es in Deutschland mit der "Meldestelle Respect! – Gegen Hetze im Netz" eine Institution, die als zertifizierte Stelle Inhalte im Netz melde.
Und wenn Meta sich weigert? "Dann wird die EU-Kommission eingeschaltet. Sie könnte bei Verstößen gegen den DSA eine Geldbuße erlassen, die bis zu sechs Prozent des Gesamtumsatzes vom Vorjahr ausmachen kann", erläutert Flecken. Es liefen schon jetzt Verfahren gegen Meta, Strafzahlungen habe es bisher aber noch keine gegeben. "Die Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. Die Verordnung ist aber auch erst seit Februar 2024 vollständig anwendbar", so Flecken.
Nicht mehr verboten: Frauen als "als Haushaltsgegenstände" zu bezeichnen
Was künftig ohne Folgen auf Facebook und Instagram veröffentlicht werden könnte, zeigt die Tech-Website "The Verge" [theverge.com]. Demnach hat Meta seine Moderations-Policy in den USA bereits überarbeitet. Unter anderem heißt es da nun laut "The Verge": "Angesichts des politischen und religiösen Diskurses über Transgenderismus und Homosexualität und der allgemeinen, nicht ernst gemeinten Verwendung von Wörtern wie "weird" (seltsam), lassen wir Behauptungen über Geisteskrankheiten oder Abnormität zu, wenn sie auf dem Geschlecht oder der sexuellen Ausrichtung basieren."
Laut der Website wurde zudem der Abschnitt vollständig gestrichen, der zuvor die Bezeichnung von Frauen "als Haushaltsgegenstände oder Eigentum oder Objekte im Allgemeinen" ausdrücklich verbot.
Die Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg weist noch auf etwas anderes hin. "Herr Zuckerberg sagt, dass Facebooks eigene Filter zu fehleranfällig seien und sie deshalb nun abgestellt werden. Ich muss deshalb leider davon ausgehen, dass insbesondere Jugendliche künftig deutlich mehr Inhalte sehen werden, die Hass und Hetze beinhalten", so Eva Flecken.
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