Brandenburg Berlin Filmförderungsgesetz: Deutsche Filmbranche hofft auf Reform, die die Filmwirtschaft ankurbeln soll
High Noon für die Filmbranche nach dem Koalitionsende: Das neue Filmförderungsgesetz würde den Produktionsstandort Deutschland wieder auf die Füße stellen - auch in der Region. Doch es ist ungewiss, ob es tatsächlich im neuen Jahr kommt. Von Luis Babst
Würde Tom Tykwer seinen Kultfilm "Lola rennt" von 1998 heutzutage drehen, würde Lola durch Prag rennen statt durch Berlin. Es wird wenig gedreht in ganz Deutschland, das Studio in Babelsberg steckt in der Krise. Gefilmt wird dagegen in Tschechien oder Spanien, denn dort sind die Produktionskosten niedriger und die Förderungen deutlich höher.
Seit drei Jahren arbeitet die deutsche Filmbranche mit der Bundeskulturbeauftragten an einem neuen besseren Gesetz, das unter anderem die Fördermittel anhebt. Kurz vor der Verabschiedung kam nun der Bruch der Ampel-Koalition. Die Branche bangt, dass sie ab dem 1. Januar ohne einen Cent vom Bund dastehen könnte. Denn das aktuelle Filmfördergesetz (FFG) läuft Ende dieses Jahres aus.
Im Internationalen Vergleich ist Deutschland abgehängt
Ein neues reformiertes Filmförderungsgesetz ist dringend notwendig. Anfang dieser Woche bekam etwa die deutsche Serie "Liebes Kind" in New York einen internationalen Emmy - eine der renommiertesten Auszeichnungen für TV-Produktionen, die außerhalb der USA produziert wurden. Ein bedeutender Erfolg für die Serie und für eine der wichtigsten deutschen Produktionsfirmen Constantin Film. Ihr Chef Oliver Berben weiß aber, dass Deutschland momentan auf dem Filmmarkt, wie er sagt, "nicht wettbewerbsfähig" ist. Man könnte auch sagen: Deutschland hat den Anschluss verloren.
Denn im internationalen Vergleich fällt Deutschland weit ab. "Wir befinden uns in Europa nicht einmal im oberen Drittel der Fördermengen", beklagt Martin Heisler, der in Berlin als Produzent arbeitet. Durch die geplante Novelle der Filmförderung würde Deutschland keine Vorreiterrolle in Europa einnehmen, hebt er noch einmal hervor. Es sei das Minimum, um wieder auf Augenhöhe mit Ländern wie Frankreich und Italien zu sein. Denn dort gibt es bereits Steueranreize und Investitionsvorgaben, die in Deutschland noch fehlen. Das neue FFG ist also bitter nötig.
Wir befinden uns in Europa nicht einmal im oberen Drittel der Fördermengen.
Produktionen werden ins Ausland verlagert
77 Prozent der Produktionsunternehmen schätzen die wirtschaftliche Lage in Deutschland schlecht bis sehr schlecht ein. 70 Prozent aller Unternehmen haben angekündigt, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern, um dort die besseren Förderbedingungen zu erhalten. Das geht aus der am 28. November veröffentlichten Herbstumfrage der Produktionsallianz hervor.
Dabei hat Deutschland durchaus Orte mit internationaler Strahlkraft. Das Studio Babelsberg in Potsdam, das einst Hollywood den Rang ablaufen wollte, ist mit seiner historischen Bedeutung und seiner neuesten technischen Ausstattung ein Aushängeschild der deutschen Filmlandschaft. Dort wurden in den vergangenen Jahren internationale Blockbuster wie "Matrix Resurrections" (2021) oder "Uncharted" (2022) gedreht. Jetzt bleiben die Aufträge aus. Auch hier hoffen alle auf die Reform, die die Filmwirtschaft wieder ankurbeln soll.
Auch in Babelsberg gedreht: "Matrix 4 - Resurrections"
Berlin habe grundsätzlich Glück, meint Martin Heisler, die Stadt sei attraktiv für Produktionsfirmen. Hier lassen sich sehr viele gut ausgebildete Leute finden. Wenn das neue Filmfördergesetz allerdings nicht kommen sollte, sieht es auch für das filmwirtschaftliche Herz Deutschlands schlecht aus. Viele Arbeitskräfte verlassen jetzt schon das Land oder die Branche. Denn nicht nur Hollywood lässt den Filmstandort Deutschland links liegen. Auch deutsche Produktionen verlassen immer häufiger das Land. Wie zuletzt bei dem vierfach Oscar-gekrönten Film "Im Westen nichts Neues" von Edward Berger, der vor allem in Tschechien gedreht wurde.
Studio-Babelsberg Co-Produktion "Unchanged" mit Tom Holland
Neues Filmfördergesetz soll Standort Deutschland attraktiv machen
Das neue Filmfördergesetz soll nun Abhilfe schaffen. Das FFG möchte es den Ländern, in denen jetzt vor allem gedreht wird, gleichtun und damit den Filmstandort Deutschland wieder attraktiv machen. Dabei setzt es vor allem auf die zwei Mechanismen, die in vielen anderen europäischen Ländern schon eingesetzt werden: Zum einen soll es Förderungen im Umfang von 30 Prozent der Produktionskosten geben - internationaler Standard. Zum anderen sollen Streamingdienste und Sender, die in Deutschland agieren, dazu verpflichtet werden, einen Teil ihrer Einnahmen, wieder ins System zu speisen. Also das Geld in Deutschland für deutsche Filme auszugeben, wie es bereits in Frankreich und Spanien der Fall ist. In der Schweiz heißt das System "Lex Netflix".
Kann die Förderung durch den Bund ganz entfallen?
Momentan gäbe es in Deutschland einfach keine Planungssicherheit, erklärt Oliver Berben von Constantin Film. Die Planungsphase für große Filmproduktionen kann sich auf mehrere Jahre belaufen. Doch in Deutschland ist nicht einmal sicher, wie es um die Filmförderung in fünf Wochen steht. Denn wenn das neue Gesetz nicht bis Jahresende verabschiedet wird, gibt es ab dem 1. Januar 2025 gar keine Filmförderung des Bundes mehr.
Die Allianz Deutscher Produzenten Film und Fernsehen hat nach dem Bruch der Ampelkoalition an die Politik appelliert, das geplante Filmförderungsgesetz schnell zu beschließen. Geschäftsführer Björn Böhning sagte in der rbb24 Abendschau, er hoffe, dass alle Fraktionen im Bundestag sich einen Ruck geben, um die Reform noch vor Weihnachten beschließen.
Auch die Bundeskulturbeauftragte Claudia Roth hofft weiterhin, dass das Gesetz kommen wird. Sie hat drei Jahre lang mit der deutschen Filmbranche an der Novellierung gearbeitet. Die Vorhandlungen hätten so lange gedauert, weil man kein "Reförmchen" wollte, sondern die "größte Filmförderreform der vergangenen 20 Jahre", bekräftigt Roth im Gespräch mit dem rbb. 120.000 Arbeitsplätze in Deutschland seien davon abhängig. Ihre Behörde arbeite fieberhaft daran, dass das Gesetz in den kommenden Wochen noch im Bundestag besprochen wird.
Eigentlich sind sich also alle einig: Es braucht das neue Filmfördergesetz. Doch ob es noch in diesem Jahr den parlamentarischen Prozess durchlaufen wird, ist weiterhin ungewiss. In der Vergangenheit gab es immer wieder Gegenwind aus den Bundesländern und auch aus der Filmbranche. Jetzt müssen alle ein letztes Mal an einem Strang ziehen.
Sendung: rbb24 Abendschau, 01.12.2024, 19:35 Uhr