Brandenburg Berlin Frankfurter Friseur: "Wenn ich jetzt nach Syrien zurückgehe, muss ich von Null anfangen"
Am 8. Dezember 2024 brach das Assad-Regime in Syrien nach Jahren des Bürgerkriegs zusammen. Für viele Syrer stellt sich nun die Frage: Wie geht es weiter? Gehen sie zurück oder bleiben sie in Deutschland? Für manche gibt es keine Wahl. Von Maximilian Devantier
"Ist das Wasser so in Ordnung?", fragt Abdulwahil Alali, während er die Haare einer Kundin in seinem Friseurgeschäft "Free Style" in Frankfurt (Oder) wäscht. Der Sturz des Assad-Regimes bedeute für ihn nicht, zurückkehren zu wollen, sagt Alali. Er habe in Frankfurt eine zweite Heimat gefunden, die ihn und seine Familie nicht so einfach loslasse.
Wenn er jetzt nach Syrien zurückginge, müsse er von Null anfangen: "Ich kann nicht sagen: 'Okay, ich will zurück'. Weil ich habe alles hier aufgebaut. Meine Kinder sind hier geboren, das ist auch nicht so einfach, dass ich nach zehn Jahren wieder nach Syrien gehe. Und wir haben auch da nichts mehr."
Ein langer Weg bis zum eigenen Friseurgeschäft
Dass er heute in Frankfurt in seinem eigenen Geschäft schneidet, föhnt, stylt und tönt, verdankt er vor allem seiner Beharrlichkeit und Geduld. Hinter Alali liegen zehn Jahre Ankommensgeschichte und ein Neuanfang. Anfang 2015 floh er mit seiner Frau aus Syrien:
"Es war nicht einfach. Es war meine Heimat. Ich habe nie gedacht, dass ich mal weggehe. Aber es war Krieg, das konnte man nicht selber entscheiden," erinnert er sich. Auch ihre Anfänge, die davon geprägt gewesen seien, nichts zu verstehen und nichts zu kennen, sind ihm noch gut im Gedächtnis.
Trotz einiger bürokratischer Hürden sei es ihm schnell gelungen, einen kostenlosen Online-Sprachkurs zu besuchen, mit dem er sein Deutsch auf B1-Sprachniveau verbessern konnte, sagt Alali. Anschließend habe er einige Jahre bei einem Herrenfriseur in Frankfurt gearbeitet.
Um sich seinen Traum von der Selbstständigkeit zu erfüllen, habe er dann zunächst eine Berufsausbildung zum Friseur absolviert und danach die Meisterprüfung in Oldenburg bestanden. Mit dem Meisterbrief kehrte er nach Frankfurt (Oder) zurück. Dort eröffnet er im Januar 2023 seinen eigenen Friseurladen in der Lebuser Vorstadt.
Sorge um Minderheiten
Die Situation in Syrien sei gerade für Minderheiten, wie die der Kurden, denen er angehört, zu instabil und gefährlich. Für die Zukunft Syriens wünscht er sich Rechte und Schutz für Minderheiten: "Wir sind alle Syrer. Wir haben so viele nationale Minderheiten und auch religiöse Minderheiten. Ich hoffe, dass wir dahin zurückfinden, dass alle zusammenleben in Frieden, Freiheit und Demokratie."
Seinen Eltern, die in Nord-Syrien geblieben sind, gehe es gut, sagt er. Sie seien von den derzeitigen Angriffen pro-türkischer Milizen nicht selbst betroffen.
Zwischen Berlin und Damaskus
Um die Minderheiten in Syrien sorgt sich auch Miriam Khammas, die den syrischen und den deutschen Pass besitzt und sich selbst als "zweite Generation Mix" bezeichnet: "Mein Vater ist Syrer. Er ist in Syrien aufgewachsen, mit einem irakischen Vater und einer deutschen Mutter."
In Berlin geboren, hat sie als Kleinkind in Damaskus bei ihrem Großvater gelebt und verbringt seitdem auch die Sommer dort. Ihr Bruder habe bislang nicht mitreisen können, sagt sie, aus Angst vor einem möglichen Wehrdienst unter dem Assad-Regime. Als der Diktator Baschar al-Assad gestürzt sei, habe sie eine Achterbahn der Gefühle durchlebt:
"Totale Angst, Schock, über große Freude, Erleichterung. Ich habe nicht geschlafen, und ich war bis morgens um neun wach, die ganze Zeit im Austausch mit Freundinnen vor Ort. Und ich kenne keinen Menschen mit Syrien-Bezug, der geschlafen hat."
Innersyrischer Austausch wieder möglich
Miriam Khammer bezeichnet sich selbst als Optimistin. Der Machtwechsel biete eine große Chance für ein vielfältiges und friedliches Syrien, in dem auch wieder ein innersyrischer Austausch stattfinden kann:
"Ich lade Freunde ein, nach Damaskus zu kommen, die noch nie in ihrem Leben in Damaskus waren, die aus anderen Regionen waren, zum Beispiel Idlib oder wo sehr viel Krieg und Konflikte herrschten. Die wiederum laden mich zu sich nach Hause ein."
Sorge um die Stabilität in Syrien
Gleichzeitig sei sie besorgt, dass sich Syrien langfristig nicht stabilisiert und es ähnliche Entwicklungen wie im Irak oder Afghanistan gibt. Um den Menschen in der Region Rojava (Nordsyrien), wo Tausende Kurden vertrieben werden, zu helfen, engagiert sich Khammas auch bei "Wir packen's an", einem Berlin-Brandenburger Verein, der sich für Geflüchtete in Krisengebieten einsetzt. Im Verein würde man aktuell prüfen, ob man Hilfe aus dem Lager in Biesenthal (Barnim) schickt oder regionaler über den Nordirak.
Bei kalten Temperaturen sei es "das Wichtigste, dass die Leute nicht auf der Straße sind, was aber de facto passiert. Sie brauchen einen Ort, wo sie warm im Trockenen sind, wo sie was zu essen kriegen, wo sie warme Kleidung haben und wo sie Schutz haben."
Sendung: Antenne Brandenburg, 13.12.2024, 14:10 Uhr