Collage: Union-Spieler Aljoscha Kemlein und Hertha-Torhüter Robert Kwasigroch (Bild: Imago Images/Matthias Koch; eu-images | Collage: rbb)

Brandenburg Berlin Kemlein und Kwasigroch bringen doppelt DFL-Geld für die Berliner Amateure

Stand: 08.12.2024 08:24 Uhr

Wenn bei Erst- und Zweitligisten junge Spieler debütieren, ist der Jubel besonders groß. Bei welchen Vereinen die "Eigengewächse" eigentlich anfingen, geht oft unter. Die DFL würdigt die Basis seit ein paar Jahren auch finanziell. Von Lynn Kraemer

Hätte Hertha-Torhüter Tjark Ernst am 17. September 2023 keinen Magen-Darm-Infekt gehabt, wäre der S.C. Berliner Amateure jetzt um einige Euro ärmer. Denn dann hätte der damals 19-jährige Robert Kwasigroch nicht sein Profi-Debüt für Hertha BSC gegen Eintracht Braunschweig gefeiert. Als Kwasigroch die Torwarthandschuhe anzog und den Rasen des Berliner Olympiastadions betrat, aktivierte er gleichzeitig die Ausbildungshonorierung der Deutschen Fußball Liga (DFL) für seinen Kindheitsverein.

Die U19 von Hertha BSC um Ibrahim Maza (vorne) und Boris Mamuzah Lum (3.v.l.) [Quelle: picture alliance / Eibner-Pressefoto | Lakomski/Eibner-Pressfoto]
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So funktioniert die Ausbildungshonorierung der DFL

Seit Einführung der Ausbildungshonorierung in der Saison 2017/18 hat die DFL mehr als elf Millionen Euro an Vereine unterhalb der 3. Liga ausgezahlt. Das Geld geht an Vereine, die spätere Lizenzspieler oder Vertragsspieler im Alter von sechs bis 21 Jahren ausgebildet haben, wenn diese vor ihrem 23. Geburtstag in der 1. oder 2. Bundesliga Spielminuten sammeln. "Wir wollten ein ganz klares Zeichen setzen, um den Amateurfußball zu stärken. Das ist eine Anerkennung der Leistung der Vereine und die honorieren wir mit den Zahlungen", sagt Andreas Nagel, Direktor für Sport und Nachwuchs bei der DFL.
 
Die DFL hat die Ausbildungshonorierung erst im Vorjahr angepasst und um 25 Prozent erhöht. Für alle Debüts ab der Saison 2024/25 gilt: War der Spieler im Alter von sechs bis elf Jahren im Verein gemeldet, gibt es pro Spielzeit 5.250 Euro (bis zur Saison 2023/24 noch 4.200 Euro). Die Ausbildungshonorierung vom 12. bis zum 21. Lebensjahr liegt bei 6.750 Euro pro Saison (bis zur Saison 2023/24 noch 5.400 Euro). Maximal kann ein Verein künftig also 99.000 Euro für die Ausbildung eines Spielers bekommen. Wahrscheinlicher ist aber, dass erfolgsversprechende Spieler im Jugendbereich in einen Profiverein mit Nachwuchsleistungszentrum wechseln. "Im Durchschnitt sind es ca. 15.000 Euro", so Nagel.

Doppelter Geldregen für die Berliner Amateure

Der S.C. Berliner Amateure kassierte gleich doppelt. Neben Robert Kwasigroch debütierte in der vergangenen Spielzeit auch Aljoscha Kemlein beim 1. FC Union Berlin. Zusammen brachten sie dem Verein knapp 50.000 Euro ein. "Wir haben uns über das Geld gefreut, aber mich persönlich macht es stolzer, die beiden dort zu sehen, wo sie jetzt sind. Das spiegelt unsere Arbeit im Verein wider", sagt Herbert Borchert, der 1. Vorsitzende des S.C. Berliner Amateure. Trotzdem sei es schön, dass die Jugendarbeit belohnt werde: "Wir sind zufrieden, dass wir so eine gute Ausbildung bieten können. Wir würden uns aber generell mehr Unterstützung wünschen. Alle Amateurvereine haben es verdient, dass sie unterstützt werden. Es reicht nicht, dem Ehrenamt einmal im Jahr zu gratulieren und in die Hände zu klatschen."
 
Die DFL gibt zwar nicht fest vor, wofür das Geld verwendet werden muss, aber für Borchert ist klar: "Das kommt auf jeden Fall der Jugend zugute." Es soll beispielsweise für neue Jugendtore und Bälle benutzt werden. Außerdem wurden alle Mannschaften neu eingekleidet. "Da gibt es immer etwas", sagt der Vereinsvorsitzende.

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2024 waren sieben Vereine aus Berlin und Brandenburg dabei

In diesem Jahr wurde an insgesamt 116 Vereine unterhalb der 3. Liga eine Ausbildungshonorierung ausgeschüttet [dfl.de]. Gesamtsumme: rund 1,7 Millionen Euro. Aus Berlin und Brandenburg profitierten neben den Berliner Amateuren sechs weitere Vereine: Der 1. FC Wacker 1921 Lankwitz, Hertha 03 Zehlendorf, der FSV Union Fürstenwalde, die Füchse Berlin Reinickendorf, der SC Borussia 1920 Friedrichsfelde sowie der Weißenseer Fußball Club.
 
Pascal Klemens, Marten Winkler, Ibrahim Maza und Robert Kwasigroch debütierten bei Hertha BSC. Aljoscha Kemlein sammelte seine ersten Spielminuten als Profi beim 1. FC Union Berlin. Und Lukas Ulrich spielte erstmals für Borussia Mönchengladbach.
 
Mit Blick auf die letzten fünf Jahre wurden über 30 Vereine aus der Region berücksichtigt. Die meisten Spieler stellten Hertha 03 Zehlendorf und der FC Energie Cottbus mit jeweils fünf. Danach folgen Tennis Borussia Berlin und der Berliner Sport-Club, die jeweils an der Ausbildung von drei Profis beteiligt waren. "Es ist weit gestreut, aber wir stellen fest, dass ambitionierte Amateurklubs immer wieder Spieler hervorbringen", sagt Andreas Nagel von der DFL. Gerade Vereine aus der 3. Liga und Regionalliga, die eigene Leistungszentren haben, tauchen öfter auf.

Wenn die ganze Mannschaft geht

Der S.C. Berliner Amateure profitierte 2024 erstmalig. Kemlein und Kwasigroch waren allerdings nicht die einzigen Spieler aus der Jugendmannschaft, die den Verein verließen. Ein Jahr nach dem Wechsel von Kemlein sei fast die ganze Mannschaft weggeholt worden, berichtet der damalige Jugendtrainer Edgar Döring. "Das hat uns ziemlich wehgetan in der Jugend, weil wir einen Jahrgang verloren haben und auch abgestiegen sind." In den Folgejahren habe sich das Abwerbespiel wiederholt. "Es war schon ein bisschen deprimierend, für andere Vereine auszubilden."

Döring wechselte als Konsequenz in den Erwachsenenbereich. Er trainiert inzwischen die 1. Herren der Berliner Amateure. "Ich habe Stück für Stück Jungs zurückgeholt, die früher in der Jugend bei uns waren." Mit Erfolg: Von 33 Spielern stammen 24 aus dem eigenen Nachwuchs. Das Team spielt in der Landesliga. Über die Wechsel seiner damaligen Schützlinge zu größeren Vereinen sagt er: "Du weißt zwar, du hast eigentlich etwas Gutes gemacht, aber trotzdem fühlt es sich nicht gut an. 'Betrayal' (Verrat, Anm. d. Red.) wäre etwas hart, aber es ist kein schönes Gefühl. Man muss erstmal lernen, damit umzugehen."
 
Die Karrieren von Kemlein und Kwasigroch verfolgt Döring eng, ist mit ihnen immer mal wieder im Austausch: "Irgendwann kriegt man es zurück. Die Jungs schreiben mir und sagen: 'Danke, du hast auch deinen Anteil daran.' Das fühlt sich gut an. Aber währenddessen kriegt man das natürlich nicht."

Edgar Döring trainiert die 1. Herren des S.C. Berliner Amateure (Bild: rbb/Lynn Kraemer)

Edgar Döring beim Training der 1. Herren der Berliner Amateure

Besonders viele Scouts in Berlin

Edgar Döring freut sich über das System der Ausbildungshonorierung: "Gerade in Berlin gibt es viele Vereine, die gute Arbeit leisten und Hertha und Union sind am Ende die Profiteure davon. Die haben einen Standort, den sonst keiner in Deutschland hat. Es ist nur richtig, dass die kleinen Vereine auch davon profitieren." Auch Janek Kampa, Leiter des Nachwuchsleistungszentrums des 1. FC Union Berlin, weiß um den umkämpften Markt in der Hauptstadt: "In dem Ballungsgebiet tummeln sich überproportional viele andere Scouts. Es ist nicht so, dass Union allein ist. Man kann davon ausgehen, dass jeder größere Bundesligist einen festangestellten Scout in Berlin hat."
 
Kleinere Berliner Vereine würden zwangsläufig darunter leiden: "Man muss ehrlicherweise auch sagen, dass eine Leistungspyramide so aufgebaut ist. Unten an der Basis fange ich mit dem Breitensportverein an. Wenn ich ein besonderes Talent habe, wird das auf der nächsten Stufe gefördert." Das sei in anderen Sportarten und Bereichen auch so. Der 1. FC Union Berlin sichtet über die Saison mehrere tausend Kinder und Jugendliche in allen Altersgruppen. Ein Angebot bekommen, laut Janek Kampa, sehr viel weniger: "Ich würde schätzen, dass wir momentan 25 bis 30 Kinder ins NLZ aufnehmen."

Eigengewächs, aber in welchem Verein?

Als Aljoscha Kemlein 2022 seinen Vertrag als Lizenzspieler bei Union unterzeichnete, tauchte der S.C. Berliner Amateure in den Meldungen dazu nicht auf. "Ich habe den Artikel gelesen, in dem Union 'aus dem eigenen Nachwuchs' schrieb und gedacht: Uns habt ihr dabei aber ganz vergessen", sagt Herbert Borchert. Die Köpenicker hätten Kemlein im NLZ zwar ausgebildet, aber: "Ein Satz dazu, wo er herkommt, hätte uns auch mit Stolz erfüllt. Das hätte ich mir vielleicht sogar gewünscht."

"Vereine stellen es natürlich immer sehr positiv dar, wenn jemand aus dem eigenen NLZ am Ende im Profikader spielt", sagt Janek Kampa. Für ihn sei Kemlein auch ein Union-Eigengewächs. Als der Mittelfeldspieler seine ersten U17-Länderspiele absolvierte, zeigte in jedem Büro ein Bildschirm die Partien. "Das löst nochmal andere Emotionen aus, wenn jemand sehr lange hier war."

Mehr Geld und Anerkennung für die Amateurvereine

Der Leiter des Union-Nachwuchsleistungszentrums begrüßt, dass die DFL und der DFB mehr Geld in den Amateurbereich leiten: "Wir erkennen die Ausbildungsleistung der Vereine, wo die Jungs angefangen oder lange gespielt haben, absolut an. Es ist völlig berechtigt, das zu entschädigen." Neben der Ausbildungshonorierung, die aus einem DFL-Topf stammt, zahlen Profiklubs eine Ausbildungshonorierung ab der D-Jugend an alle bisherigen Vereine, wenn deren Spieler ins NLZ wechseln. Auch dort wurden die Beträge 2023 verdoppelt. Auswirkungen auf die Arbeit im Union-Nachwuchsbereich habe das nicht gehabt: "Wir haben das bewusst nicht zum Thema gemacht. Wir begrüßen, dass die Summen angepasst wurden."
 
Auch der Jugendtrainer von Aljoscha Kemlein und Robert Kwasigroch sieht eine Veränderung. "Manchmal ist es schade, dass ein kleiner Verein wenig Credits dafür bekommt. Ich habe aber das Gefühl, dass in letzter Zeit mehr passiert", so Edgar Döring. Die Ausbildungshonorierung ist ein Teil davon.

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