Archivbild vom 06.05.2024: Ein Asylbewerber zeigt seine Bezahlkarte in einer Außenstelle des Sozialamtes vom Landkreis Märkisch-Oderland in Brandenburg (Quelle: dpa / Patrick Pleul).

Brandenburg Potsdam führt keine Bezahlkarte für Asylbewerber ein

Stand: 16.12.2024 18:09 Uhr

Hilfe im Kampf gegen Schlepper? Oder ein Hindernis für die Integration? Die geplante Bezahlkarte für Flüchtlinge ist umstritten. In Potsdam hat die Debatte dazu geführt, dass hier - zumindest Stand jetzt - keine solche Karte ausgegeben wird.

  • Potsdam wird keine Bezahlkarte für Asylbewerber ausgeben
  • Alle anderen Brandenburger Landkreise und Kommunen verteilen die Karten
  • Mit ihnen sollen maximal 50 Euro pro Monat abhebbar sein
  • In Potsdam selbst gibt es Widerspruch und Lob für diesen Sonderweg

Die Stadt Potsdam wird keine Bezahlkarte für Asylbewerberinnen und Asylbewerber einführen. Das bestätigte die Stadtverwaltung dem rbb am Montag auf Anfrage. Zuerst hatten die "Potsdamer Neuesten Nachrichten" berichtet.

Potsdam geht damit einen Sonderweg. Alle anderen Brandenburger Landkreise und kreisfreien Städte haben sich für die Einführung solcher Bezahlkarten entschieden. Mit diesen können Asylbewerber Waren und Dienstleistungen bezahlen und einen begrenzten Betrag Bargeld abheben.

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50 Euro maximal abhebbar

Der monatlich in bar abhebbare Betrag soll auf 50 Euro für Erwachsene und 25 Euro für Minderjährige begrenzt sein. Die Karte soll in ganz Deutschland einsetzbar sein. Mit der Karte soll unter anderem verhindert werden, dass Migranten Geld an kriminelle Schlepper überweisen - und sie soll den Anreiz verringern, sich auf den Weg nach Deutschland zu machen. Ob diese Wirkung tatsächlich besteht, ist bisher nicht belegt. Im Land Brandenburg leben nach Angaben der Regierung derzeit rund 13.000 Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sowie rund 2.700 Menschen in den Erstaufnahmeeinrichtungen.
 
Der Landkreis Märkisch-Oderland hatte im Alleingang bereits im Mai die Bezahlkarte eingeführt. Mehrere Landkreis-Verwaltungen, die die Karte bereits einige Monate in Betrieb haben, zogen eine positive Zwischenbilanz, sie berichten von weniger Verwaltungsaufwand und einer höheren Akzeptanz in der Bevölkerung. Kommunen wie Hamburg berichten aber auch von Schwierigkeiten, da die Karte zum Beispiel nicht überall akzeptiert wird [evangelische-zeitung.de].

Deutlicher Widerstand im Stadtparlament

Die Potsdamer Stadtverwaltung selbst hatte die Einführung der Karte bereits im vergangenen September als Beschlussvorlage im Stadtparlament eingebracht. Der Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) und die Sozialdezernentin Brigitte Meier (SPD) waren beide dafür, sie warnten davor, dass durch einen Potsdamer Sonderweg ansonsten eine Ungleichbehandlung drohe - alle anderen Städte im Land wollten die Karte schließlich einführen. Etwa 3.000 Asylbewerber in Potsdam wären laut der Sozialdezernentin davon betroffen.
 
Die Angelegenheit wurde danach aber immer wieder vertagt. Die Potsdamer SPD votierte auf einem Parteitag gegen die Bezahlkarten, ebenso die Fraktionen Grünen-Volt-Die Partei, Die Andere und die Linke. Sie argumentierten unter anderem, die Karte erschwere eine Integration. Sie haben gemeinsam eine Mehrheit im Potsdamer Parlament. Nun zog die Verwaltung die Beschlussvorlage zurück.

Eine Bezahlkarte für Asylbewerber wird in einer Außenstelle des Sozialamtes vom Landkreis Märkisch-Oderland in Brandenburg gezeigt (Quelle: dpa/Patrick Pleul).
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Wunsch nach Weisung vom Innenministerium - das aber lehnt ab

Die 15 Landkreise und drei kreisfreien Städte in Brandenburg handhaben die Umsetzung der Bezahlkarte unterschiedlich. Der Landkreis Märkisch-Oderland hat sein eigenes Modell, alle anderen haben laut des Sprechers des Innenministeriums eine Rahmenvereinbarung mit dem Land unterzeichnet.
 
Dass nun Asylbewerber nach Potsdam ziehen, weil dort keine Bezahlkarte gilt, ist laut der Potsdamer Verwaltung nicht zu erwarten - Asylbewerber könnten sich den Wohnort und "ihren örtlichen Leistungsträger" nicht aussuchen, sagte eine Stadtsprecherin den "PNN".
 
Da es im Land unterschiedliche Arten gebe, mit der Bezahlkarte umzugehen, sei der Wunsch nach einem einheitlichen Vorgehen nur dadurch zu erreichen, dass es eine Weisung aus dem Brandenburger Innenministerium gibt, sagte Sozialdezernentin Meier. Ein Sprecher des zuständigen Ministeriums machte hingegen deutlich, den Kommunen sei ein gesetzlich verankertes Ermessen eingeräumt. Daher seien zwingende Vorgaben "nicht zulässig". Auf Anfrage des rbb sagte der Sprecher am Montag, die Innenministerin Katrin Lange (SPD) bedauere es, dass Potsdam einen eigenen Weg ohne Bezahlkarte gehen wolle.
 
Alle anderen Bundesländer haben eine solche Weisung der Landesregierung. Auf die Frage, warum das in Brandenburg nicht der Fall sei, antwortete Potsdams Sozialdezernentin Meier (SPD): "Das hat einen Grund. Man hatte eine grüne Ministerin, die gegen die Bezahlkarte war und einen Ministerpräsidenten, der für die Bezahlkarte war. Jetzt haben sich die politischen Farben verändert und es wäre eigentlich ein Leichtes, eine Weisungslage herzustellen."

Integrationsbeauftragte sieht Bezahlkarte kritisch

Potsdams Integrationsbeauftragte Amanda Palenberg hatte sich zuletzt kritisch zu der Karte geäußert. Am Montag sagte sie in rbb24 Brandenburg aktuell, sie erwarte, dass der neue Auszahlungsmodus Betroffene in finanzielle Schwierigkeiten bringen werde. Mit der Beschränkung auf 50 Euro Bargeld im Monat durch die Bezahlkarte würden Menschen von Bargeld-Geschäften, beispielsweise beim Kauf von Gebrauchtwaren größtenteils ausgeschlossen; dies sei diskriminierend.
 
Behauptungen, wonach Asylbewerber Leistungen angeblich in kriminelle Strukturen überweisen, würden Menschen stigmatisieren und kriminalisieren. "In den letzten Monaten wurden viele Behauptungen darüber aufgestellt, dass Asylbewerber viele Leistungen ins Ausland überweisen oder in kriminelle Strukturen überweisen. Dazu gibt es aber gar keine Daten als Grundlage. Es gibt kleine Anfragen beispielsweise an die Bundesregierung und diese Daten liegen nicht vor", sagte Palenberg.

Symbolbild:Ein Asylbewerber zeigt im eine der Bezahlkarten die er zuvor erhalten hat.(Quelle:picture alliance/dpa/S.Hoppe)
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In Berlin will der Senat die Einführung der Bezahlkarte am Dienstag beschließen. Auf die Bezahlkarte hatten sich CDU und SPD im Senat erst nach langen Diskussionen geeinigt. Sie kommt nun mit der umstrittenen 50 Euro-Obergrenze pro Monat beim Bargeldabheben. Allerdings ist geplant, dass die nach sechs Monaten entfällt - der Zweck der Karte damit also wieder aufgehoben wird.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 16.12.2024, 19:30 Uhr