Symbolbild: Eine Frau beim Online-Shopping. (Quelle: dpa/Westend61)

Brandenburg Berlin Schuldnerberater: "'Buy now, pay later' sollte immer eine Ausnahme bleiben"

Stand: 06.12.2024 06:15 Uhr

Die Überschuldung von Menschen unter 30 Jahren steigt seit zwei Jahren leicht an. Probleme bereiten unter anderem "Buy now, pay later"-Angebote. Was junge Menschen dabei beachten sollten, erklärt Schuldnerberater Oliver Salmen.

rbb|24: Herr Salmen, der aktuelle Schuldneratlas zeigt, dass die Überschuldung in Deutschland insgesamt rückläufig ist. Bei unter 30-Jährigen steigt sie aber seit zwei Jahren leicht an. Kommen vermehrt junge Menschen zu Ihnen?
 
Oliver Salmen: Junge Menschen kommen leider meistens zu spät. Häufig wissen sie nicht, dass es überhaupt kostenlose Schuldnerberatung gibt. Viele versuchen auch erstmal, Schulden mit sich selber auszumachen. Es fällt ihnen nicht leicht, sich Hilfe zu suchen. Schulden sind ein sehr schambehaftetes Thema. Wir erleben immer wieder, dass Menschen, die sich in ihren Zwanzigern verschuldet haben, erst zehn oder 20 Jahre später zu uns kommen.

Illustration: Buy Now-Pay Later (Quelle: rbb/Hari Sas)
Jetzt kaufen, später schulden
Beim Online-Shopping wird es immer einfacher, erst zu bestellen und später zu bezahlen. Besonders beliebt sind die "Buy now, pay later"-Angebote bei jungen Menschen. Doch die Gefahr, damit in Schulden zu rutschen, ist groß. Von Linh Tranmehr

Viele junge Menschen verschulden sich über "Buy now, pay later"-Angebote. Das heißt, sie nutzen die Angebote von Finanzdienstleistern wie Klarna oder Paypal, das Produkt direkt zu kaufen, aber erst nach 30 Tagen oder in Raten über einen längeren Zeitraum zu zahlen. Wie sehen Sie solche Angebote?
 
"Buy now, pay later" bedient die Lust auf Impulskäufe. Viele denken sich: Den Beitrag zahle ich einfach in ein oder zwei Monaten ab. Die Überlegung, ob man gerade überhaupt die finanziellen Mittel hat, fällt dabei weg. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass ein Konsum, der in Form von "Buy now, pay later" oder einem Ratenkredit stattfindet, nie das Normal sein sollte. Sondern dass dieser Konsum wirklich eine Ausnahme darstellen sollte und nur dann genutzt wird, wenn ich gar keine andere Möglichkeit für mich sehe.

Welche Rollen spielen dabei soziale Medien wie Instagram und Tiktok?
 
Wir verfolgen skeptisch Trends auf Social Media, wo damit geprahlt wird, wer die höchsten Schulden bei Dienstleistern wie Klarna hat. Das ist etwas, was sicherlich kritisch zu beurteilen ist. Denn es ist nicht etwas, was langfristig cool ist, sondern im Gegenteil eher zu Problemen führt.
 
Social Media ist geprägt von einem Gesellschaftsbild, dass Konsum glücklich mache. Gleichzeitig gibt es leider relativ wenig Content dazu, dass Sparen einem ein Gefühl von Sicherheit und innerer Ruhe geben kann. Dazu wird leider zu wenig thematisiert.

Welche Konsequenzen kann es haben, wenn man eine "Buy now, pay later"-Rechnung nicht bezahlt?
 
In dem Fall gibt der Zahlungsdienstleister das an ein Inkasso-Unternehmen weiter. Die Kosten können sich dann schnell vervier- oder verfünffachen. Dann ist man in einer Kostenspirale, aus der Schuldner nur schwer wieder herauskommen.

Was droht im schlimmsten Fall?
 
Wer auch die Forderungen des Inkasso-Unternehmens nicht begleichen kann, dem drohen Pfändungen und ein Schufa-Eintrag. Dann wird es schwer, eine Wohnung zu bekommen oder einen Kredit.

Was sind Ihrer Erfahrung nach die Gründe, warum sich junge Erwachsene verschulden?
 
Es ist die Lebensphase, wo die erste Wohnung eingerichtet werden muss oder das erste Kind zur Welt kommt. Gleichzeitig will man aber auch mithalten in allen Konsumfragen: Reisen, das passende Handy, Klamotten et cetera. Dazu kommt, dass man als junger Erwachsener noch nicht die Möglichkeit hat, sich einen finanziellen Puffer anzusparen.

Wenn Sie von einem finanziellen Puffer sprechen – von wieviel Geld sprechen wir da im Idealfall?
 
Es wäre gut für junge Menschen, zwei bis drei Monatsgehälter als Rücklage zu haben. Damit lassen sich dann auch unvorhersehbare Ausgaben stemmen, ohne sich zu verschulden.

Wie gelingt es, so einen Puffer aufzubauen?
 
Es ist wichtig, sich erstmal einen Überblick über den eigenen Haushalt zu verschaffen, also die monatlichen Einnahmen und Ausgaben vernünftig aufzuschreiben. Wir erleben häufig, dass junge Menschen impulsiv konsumieren und erst danach fragen: Wie bekomme ich das Ganze eigentlich bezahlt?

Wie lässt sich das ändern?
 
Wir gehen regelmäßig an Berufsschulen und machen mit jungen Menschen zwischen 18 und 25 Jahren Finanzbildung. Dort merken wir, dass Grundlagen fehlen. Vielen jungen Menschen ist zum Beispiel nicht bewusst, wie eigentlich das Rentensystem funktioniert und welche Probleme es da in Zukunft geben könnte. Dementsprechend denken nur wenige darüber nach, wie sie früh Rücklagen bilden können, damit es ihnen auch langfristig gut geht.

Also müsste Finanzbildung dann in der Schule implementiert werden?
 
Die Bundesregierung setzt im Moment die nationale Finanzbildungsstrategie auf. In der geht es unter anderem darum: Wie investieren wir in Aktien und bedienen ETF-Sparpläne? Aus unserer Sicht wäre es auch wichtig zu schauen, wie wir es eigentlich schaffen, dass Menschen sich nicht überschulden. Mehr als acht Prozent der Deutschen sind überschuldet, das heißt sie können fällige Rechnungen oder Raten nicht mehr bezahlen. Das bedeutet, dass viele Menschen sich erstmal die Frage stellen müssen, wie komme ich eigentlich auf die schwarze Null?

Vielen Dank für das Gespräch!
 
Das Interview führte Linh Tran, rbb|24

Sendung: rbb24 Abendschau, 06.12.2024, 19.30 Uhr