Brandenburg Stettin: Prozess gegen deutsche Frauenärztin wegen illegaler Abtreibungen in Polen wird fortgesetzt
In der Corona-Zeit soll eine Prenzlauer Gynäkologin Abtreibungspillen über die Grenze nach Polen geschickt haben. Nun wird der Prozess gegen sie in Stettin fortgesetzt. Entscheidend ist die Frage, ob Beweismittel illegal beschafft wurden.
Am Bezirksgericht im polnischen Stettin (Szczecin) wird am Mittwoch der Prozess gegen Maria Kubisa, die leitende Gynäkologin im Krankenhaus Prenzlau (Uckermark), fortgesetzt. Sie ist polnische Staatsbürgerin und soll Frauen während der Coronazeit in Stettin in insgesamt sechs Fällen mit Abtreibungspillen bei Schwangerschaftsabbrüchen geholfen haben. Das verstößt gegen polnisches Recht. Ihr drohen bis zu drei Jahre Haft.
Polinnen kommen zur Abtreibung nach Deutschland
Polen hat aktuell eines der restriktivsten Abtreibungsrechte in Europa. Der Abbruch einer Schwangerschaft ist nur möglich, wenn diese aus einer Vergewaltigung oder Inzest hervorging oder wenn das Leben und die Gesundheit der Frau gefährdet sind.
Alternativ lassen sich viele Polinnen von Ärzten in Deutschland beraten und gegebenenfalls Abtreibungen vornehmen. Dann wird ein Termin gemacht, es gibt eine Beratung und schließlich - wenn nötig - den Eingriff. Im Krankenhaus Prenzlau werden so mehreren tausend Patientinnen jährlich behandelt.
Die jetzt von der polnischen Justiz angeklagten Fälle sollen sich während der Coronazeit in Stettin abgespielt haben. Frauen in Not war in dieser Zeit der Weg nach Prenzlau versperrt. Kubisa soll laut Anklage Medikamente zum Schwangerschaftsabbruch nach Polen geschickt haben. Ihr wird vorgeworfen, die Pillen verkauft zu haben, um daraus finanzielle Vorteile zu erzielen. Kubisa bestreitet die Vorwürfe. "Das ist eine Lüge", sagte sie zum Prozessauftakt im Oktober dem rbb. Ihr zufolge sei Frauen in lebensbedrohlichen Situationen medizinische Hilfe geleistet worden.
Gefährdung von Frauen und illegale Beweismittel?
Der Fall gestaltet sich als schwierig. Denn war in den sechs Fällen tatsächlich die Gesundheit oder gar das Leben der Schwangeren in Gefahr, wären die Abbrüche auch vom polnischen Recht gedeckt.
Erschwerend kommt die Beweisgewinnung hinzu. Das Wissen der Bezirks-Staatsanwaltschaft Stettin stammt aus Patientenakten, die ein Sonderkommando in der Stettiner Praxis von Maria Kubisa beschlagnahmt hatte. Dabei handelt es sich laut Verteidigung um 6.000 Akten mit Inhalten, die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen.
Maria Kubisa und auch Patientinnen sind gegen die Beschlagnahme juristisch vorgegangen und haben Recht bekommen. Die Aktion wurde von einem polnischen Gericht als illegal eingestuft. Schließt sich das Bezirksgericht Stettin dieser Einschätzung an, wäre das Beweismaterial auch in den sechs angeklagten Fällen illegal beschafft - und ein Freispruch wäre die Folge.
Verteidigung spielt auf Zeit
Ein Urteil wird von Prozessbeobachtern des rbb am Mittwoch nicht erwartet. So sollen erst einmal weitere Zeugen vernommen werden. Der Anwalt der Gynäkologin setzt zudem auf den Faktor Zeit. Während der Prozess läuft, der laut den Beobachtern von vielen Polen als politisch motiviert betrachtet wird, läuft im polnischen Parlament erneut eine Debatte, das Abtreibungs-Gesetz zu liberalisieren.
Es ist der zweite Versuch der Bürgerkoalition um Regierungschef Tusk, eines ihrer zentralen Wahlversprechen umzusetzen und das von der nationalkonservativen Vorgängerregierung der PiS-Partei umgesetzte nahezu vollständige Abtreibungsverbot zu lockern. Die Mitte-Regierung hat zudem bereits im August die Justiz im Land aufgefordert, im Rahmen der bestehenden Rechtsprechung auch eine Gefährdung der psychischen Gesundheit einer Frau als ausreichenden Grund für einen Schwangerschaftsabbruch anzuerkennen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 10.12.2024, 15:10 Uhr
Mit Material von Michael Lietz