
Brandenburg Vergabe öffentlicher Aufträge: In Brandenburg könnte bald schneller saniert werden
Bisher müssen Brandenburger Kommunen alle Aufträge über 1.000 Euro brutto ausschreiben. Ein bürokratischer Aufwand für Verwaltung und Betriebe. Zwecks Bürokratieabbau soll die Grenze auf 100.000 Euro netto erhöht werden. Von Ronja Bachofer
Mit einer Münze kratzt Malermeister Sven Thielecke die alte Farbe von den Treppenstufen, um zu demonstrieren, wie leicht sie abblättert. Auch die Wände und Decke sind in die Jahre gekommen. Die Beschichtung hat vor zehn Jahren die Zulassung verloren. Das Treppenhaus wurde Mitte der 1990er Jahre zum letzten Mal saniert. Im Erdgeschoss des Gebäudes in Ludwigsfelde (Teltow-Fläming) befindet sich eine Kindertagesstätte, darüber sind Wohnungen.
Bereits im vergangenen Jahr wollte die Stadt das Treppenhaus sanieren. Doch weil die Kosten mehr als 1.000 Euro betragen, müsste sie den Auftrag ausschreiben. "Überall hört man von Kollegen das gleiche", sagt Thielecke. Handwerker seien nicht mehr bereit, sich auf öffentliche Aufträge zu bewerben, weil sich das kaum lohne. Zu groß die Arbeit für das Angebot. Hoch sei das Risiko, dass am Ende doch ein anderer Betrieb den Auftrag ergattert. "Und was ist die Folge? Kommunen bekommen gar keine Angebote mehr. Dann werden gar keine Leistungen ausgeführt."
Eine Revolution im Vergabewesen
Der Brandenburger Sonderausschuss Bürokratieabbau hat sich dem Problem angenommen. Dessen Vorschlag sieht vor, dass Kommunen Aufträge im Wert von bis zu 100.000 Euro direkt vergeben können. Das soll sowohl die Behörden als auch Betriebe entlasten. Bestenfalls fließt das Geld aus den kommunalen Haushalten in die regionale Wirtschaft, wovon die ganze Region profitieren würde. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen sollen so unterstützt werden.
"Eine Revolution im Vergabewesen", nennt Marcel Penquitt, SPD-Politiker und Vorsitzender des Ausschusses, das Vorhaben. Er geht davon aus, dass die Landeshaushaltsordnung und die Kommunale Haushalts- und Kassenverordnung bald geändert werden. In den Ministerien würden gerade die Änderungen vorbereitet und geprüft, ob der Landtags zustimmen müsse. Penquitt hofft, die neue Vergaberegelung könne noch vor der Sommerpause des Landtags gelten.

Lob aus der Wirtschaft
"Solche Nullen sieht die Brandenburger Wirtschaft gern", teilte die Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam, Ina Hänsel, in einer ersten Reaktion auf die Ankündigung mit. "Wenn nun auch der Sonderausschuss Bürokratieabbau greift und die Digitalisierung in den Ämtern Tempo aufnimmt, bekommt Brandenburgs Wirtschaft den notwendigen Schub", so Hänsel. Der Forderung nach mehr Digitalisierung schloss sich auch der Handwerkskammertag an: "Formulare und Leistungsbeschreibungen müssen durchgängig digital und ohne Medienbrüche verfügbar sein", hieß es in einer Pressemitteilung. Darüber hinaus forderte er, das Brandenburgische Vergabegesetz zu prüfen.
Weniger Geld für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?
Bedenken äußert hingegen der Deutsche Gewerkschaftsbund Berlin-Brandenburg. Die stellvertretende Vorsitzende Nele Techen sagt dem rbb, sie sei überrascht von der Erhöhung der Wertgrenze um das Hundertfache. Sie fürchtet, dass der Vergabemindestlohn, also der Lohn, der für öffentliche Aufträge mindestens gezahlt werden muss, bei einer Direktvergabe nicht mehr greifen könnte. Von der Landesregierung fordert sie dazu eine "deutliche Aussage". Weiterhin müsse der Lohn auf mindestens 15 Euro erhöht werden.
Die Sorge teilt auch Clemens Rostock, Landesvorsitzender der Brandenburger Grünen: "Unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus dürfen Arbeitnehmerrechte nicht untergraben, Löhne nicht gedrückt und soziale Standards nicht ausgehebelt werden. Gemeinsam mit vielen anderen Gewerkschaftern fordere ich, dass öffentliche Aufträge an faire Bedingungen geknüpft bleiben."
Ebenso gibt es die Befürchtung, dass Kommunen die Aufträge bei einer Direktvergabe in Zukunft leichter befreundeten Betrieben zuschieben könnten. Marcel Penquitt von der SPD hält dieses Risiko für überschaubar. Gegenüber dem rbb argumentiert er, dass in den Verwaltungen nicht eine Person allein über Auftragsvergaben entscheide. Es herrsche mindestens ein Vier-, wenn nicht sogar ein Sechs- oder Acht-Augen-Prinzip.

30 Prozent Zeitersparnis
Für Malermeister Sven Thielecke überwiegen die Vorteile. Er sagt: "Meistens ist der billigste Anbieter nicht der wirtschaftlich günstigste." Schon häufig habe ein Betrieb den Zuschlag bekommen, der zwar das günstigste Angebot unterbreitet hatte, aber keine Fachfirma war. Die Folge: Nach zwei oder drei Jahren habe seine Firma die Mängel aufwendig und teuer beseitigen müssen.
Wenn die neue Regelung kommt, wäre das für Thielecke vor allem auch eine Zeitersparnis. 20 bis 30 Prozent seiner Arbeitszeit verbringt er damit, Angebote herunterzuladen, zu bearbeiten, einzuscannen und wieder hochzuladen. Die Zeit würde er lieber in die Kundenberatung oder die Begleitung der Bauausführung stecken: "Ich bin lieber auf der Baustelle als im Büro."
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 28.03.2025, 19.30 Uhr