Brandenburg Warum die Gebühren für das Gasnetz bei vielen Versorgern steigen
Für viele Verbraucher in Deutschland ändert sich 2025 die Gasrechnung. Während der Gesamtpreis oft sinkt, steigen die Netzentgelte. Ein Besuch in Premnitz zeigt, was bald deutschlandweit passieren könnte. Von André Kartschall
Mathias Hohmann steht auf einer nassen Wiese im Westen Brandenburgs und erzählt, was der Gasausstieg kosten wird. Die Stadtwerke Premnitz, deren Geschäftsführer er ist, sind schneller als die meisten anderen kommunalen Energieversorger. In der Zukunft sollen die meisten Premnitzer Haushalte Fernwärme bekommen. "Wir sind in der glücklichen Situation, dass Premnitz eine Müllverbrennungsanlage hat", sagt Hohmann. Die Abwärme kaufen die Stadtwerke ein und leiten sie an ihre Kunden weiter.
1.500 Haushalte werden so schon versorgt und es sollen schnell mehr werden. "Wir werden in den nächsten zwei Jahren weitere 1.000 Haushalte mit Fernwärme versorgen", sagt Hohman. Das bedeutet auch: 1.000 Haushalte weniger, die am Gasnetz hängen.
Hohmann zeigt auf ein kleines graues Häuschen: ein Erdgas-Netzkopplungspunkt. Hier beginnt das lokale Gasnetz seiner Stadtwerke. Die Rohre, die von diesem Häuschen aus in die Eigenheime und Mietshäuser von Premnitz führen gehören seinem Unternehmen. Für sie sind Investitionskosten angefallen, die die Stadtwerke bezahlen müssen - und damit ihre Kunden.
Früherer Gasausstieg - höhere Abschreibungen
Das geschieht nicht auf einmal, sondern langfristig, Stück für Stück. Normalerweise über einen Zeitraum von 30 Jahren. So lange läuft die reguläre Frist um Anlagen wie Gasnetze zu refinanzieren - im Buchhalter-Deutsch: "abzuschreiben".
Kommt der Gasausstieg aber früher, muss alles schneller abbezahlt und abgeschrieben werden. Das bedeutet: Jährlich müssen höhere Kosten auf die Verbraucher umgelegt werden. Das gilt für alle Gasversorger, die ihre Kunden über das Netz der Stadtwerke Premnitz beliefern wollen. Denn auch sie zahlen Netzentgelt.
Das Netzentgelt wiederum fließt in die Gaspreise ein, die Kunden bezahlen. Hohmann erklärt: "Der Kunde zahlt in Deutschland etwa 10 Cent pro Kilowattstunde. Da sind so 2 bis 3 Cent Netzentgelte drin." In Premnitz steigen die Netzentgelte - durch den vergleichsweise schnellen Gasausstieg - um 74,8 Prozent zum Jahreswechsel.
Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass der Gasausstieg in Premnitz teurer ist als bei anderen Versorgern. Die Kosten fallen nur eher an - und sie sinken tendenziell über die Jahre wieder ab: "Das ist eine degressive Abschreibung. Das verringert sich wieder", sagt Hohmann.
Kosten für den Gassausstieg kommen noch
Heißt: die Kosten werden in den ersten Jahren besonders hoch angesetzt und sinken danach ab. So soll verhindert werden, dass am Ende, kurz vor dem endgültigen Gasausstieg die wenigen noch verbliebenen Kunden unverhältnismäßig hohe Kosten für das noch abzubezahlende Gasnetz tragen sollen. Eine Art Solidarprinzip also.
Und: den meisten Gaskunden in Deutschland stehen die Kostensteigerungen noch bevor. Denn die Möglichkeit zur schnelleren Abschreibung von Gasnetzen hat der Gesetzgeber erst kurzfristig geschaffen. Nur wenige Stadtwerke haben von der Möglichkeit bislang Gebrauch gemacht. "Viele haben entschieden, nochmal ein Jahr zu warten. Sodass es im nächsten Jahr nochmal viele Stadtwerke geben wird, die den Schritt, den Premnitz schon für 2025 gegangen ist, in 2026 nachholen."
Hinzu dürften perspektivisch weitere Kostensteigerungen kommen. Denn die CO2-Abgabe, die auch auf Erdgas fällig wird, dürfte in den kommenden Jahren eher ansteigen als sinken. "Das ist schmerzlich. Das führt zu Kostenerhöhungen. Aber es ist ein nützliches Instrument", sagt Hohmann. Das erklärte Ziel der Bundesregierung, den Gasausstieg bis 2045 abzuschließen, rücke damit näher.
Netzentgelte steigen, Gesamtpreise fallen
Ganz aktuell aber sinkt der Gesamtpreis, den Kunden für Gas bezahlen müssen, bei vielen Versorgern in Deutschland - auch in Premnitz - obwohl der Anteil, der auf das Netzentgelt entfällt, steigt. Das liegt daran, dass der eigentliche Rohstoff - das Erdgas - auf dem Weltmarkt wieder billiger geworden ist. "Weil wir von einem sehr hohen Niveau kommen", erklärt Hohmann. Hinter ihm - und den Gaskunden - liegen teure Jahre.
Die ersten Preissprünge nach bemerkte Hohmann im September 2021: "China beendete den Corona-Lockdown und benötigte auf einmal sehr viel Gas." Kurz darauf der nächste Preistreiber: "Im Februar 2022 der Überfall Russlands auf die Ukraine hat diese Situation natürlich deutlich verschärft."
Mittlerweile hat sich die Lage entspannt, der Weltmarktpreis liegt auf dem Niveau vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs. Somit sinkt der Einkaufspreis für Gasversorger in ganz Deutschland. Auch solche sinkenden Kosten werden an die Endverbraucher weitergegeben.
Hinweis: Dieser Beitrag erschien zuerst auf tagesschau.de.
Sendung: Tagesschau, 27.12.2024, 12:00 Uhr