Ein Krankenwagen fährt mit Blaulicht zu einem Einsatz

Bremen Geno-Oberarzt erklärt, warum der Notruf in Bremen besser geworden ist

Stand: 17.07.2024 16:45 Uhr

Eine SWR-Recherche hat festgestellt, dass der Bremer Rettungsdienst oft zu lange braucht. Das habe sich zuletzt aber geändert, sagt der Verantwortliche.

Von Maren Schubart

Die Zahlen zur Bremer Notfallrettung vor anderthalb Jahren gaben noch ein düsteres Bild ab: In nur gut der Hälfte der Fälle kam laut der SWR-Recherche Hilfe zur Reanimation in weniger als acht Minuten. Der Zielwert liegt bei mindestens 80 Prozent der Fälle. Laut der Recherche steht Bremen mit den Zahlen also vergleichsweise schlecht da.

Doch Andreas Callies, Leiter der Rettungsdienste und Oberarzt der Notfallmedizin der Geno, widerspricht: Gerade in den vergangenen Jahren habe sich sehr viel verbessert. Die Gründe dafür erklärt er im Interview bei buten un binnen.

Wie ist die Situation der Notfallrettung aktuell in Bremen?

Wir sind sehr zufrieden über das, was wir in den vergangenen Jahren erreicht haben. Wir sind auf einem echt guten Niveau angekommen und haben extrem viele Dinge bewegt und verändert. Das hat sicher auch gerade im Bereich der Reanimation extreme Auswirkungen.

Inwieweit hat es extreme Auswirkungen?

Wir sind deutlich besser als die Zahlen, die jetzt veröffentlicht wurden. Die sind schlecht, da brauchen wir nicht drum herumreden. Gerade die Zeiten und unsere Rate an Telefonreanimationen, die in den Zahlen dargestellt wurden, sind nicht gut. Wir haben aber in den letzten drei Jahren extrem viele Sachen aktualisiert, neu angeschafft, neu eingeführt. Damit haben wir die ganzen Prozesse im Rettungsdienst hier in Bremen deutlich optimiert.

Was hat sich da genau getan?

An erster Stelle die Einführung der standardisierten Notrufabfrage: Das ist ja auch eine der Forderungen, die die SWR-Studie völlig zurecht vertritt. Das haben wir in den Jahren 2021/22 eingeführt – zusammen mit den großen Leitstellen Oldenburg, Osnabrück und Emsland. Dadurch sind wir extrem weit nach vorne gekommen, was unsere Qualität des Notrufdialogs betrifft.

Im Gegensatz zu den Daten, die beim SWR veröffentlicht wurden, haben wir uns sehr verbessert.
(Andreas Callies, Leiter der Rettungsdienste und Oberarzt der Notfallmedizin der Geno)

Wir erkennen fast jede Reanimationssituation am Telefon. Wir sind zu der Telefonreanimation in der Lage und nutzen sie inzwischen auch deutlich häufiger.

Wie war die Situation vor der Umstellung?

Damals haben Menschen über die 112 angerufen, haben ihre Situation geschildert und die Disponenten in der Rettungsleitstelle haben dann Fragen gestellt, die sie sich selber aufgrund ihrer Erfahrung ausgedacht haben und haben dann mit dem Anrufer eher "freestyle" gesprochen. Wir haben auch damals schon Telefonreanimationen gemacht, aber nur in etwa der Hälfte der Fälle im Vergleich zur jetzigen Situation.

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Der SWR hat einen Vergleich auf Basis des Jahres 2022 aufgestellt. Wie war die Situation dort?

In dem Jahr hatten wir die standardisierte Notrufabfrage schon im Betrieb, die Kollegen haben auch dort schon den Anrufer abgefragt. Auch dort haben wir schon extrem viele Reanimationen erkannt und auch Telefonreanimationen gemacht. Allerdings waren die Schnittstellen zum Deutschen Reanimationsregister noch nicht so, wie sie heute sind. Und deswegen sind die Daten, wie sie veröffentlicht wurden, nicht so optimal, wie sie heute sind.

Was wurde noch verändert?

Der zweite große Schritt, den wir gemacht haben, ist die mobile Datenerfassung. Wir haben die Papierdokumentation über Einsätze komplett verlassen und schreiben jetzt mit Laptop. Das große Plus dabei: Neben einer lesbaren Handschrift können wir auf Knopfdruck sehen: "Was machen wir bei welchen Krankheitsbildern? Was machen wir medizinisch vor Ort?" Und auch die Zeiten kommen exakt übermittelt rein. So bekommen wir ein sehr klares und nachvollziehbares Bild und können sehen, wie unsere Qualität ist. Das konnten wir vorher nicht.

Das Interview führte Maren Schubart, aufgeschrieben wurde es von Niklas Hons.

Hintergrund: Die Eintreffzeiten in Bremen und Bremerhaven

Die Zahlen für Bremen für das erste Halbjahr 2024:

  • In 8 Minuten sind in 87 Prozent erste Rettungskräfte am Patienten (Durchschnitt Deutsches Reanimationsregister: 72,5 Prozent)
  • 62,6 Prozent Telefonreanimation (Durchschnitt Deutsches Reanimationsregister: 31,6 Prozent)
  • 40 Prozent der Fälle werden mit ROSC ins Krankenhaus gebracht (Durchschnitt Deutsches Reanimationsregister: 31 Prozent). ROSC steht für "Return of spontaneous circulation" und meint die Rückkehr eines Spontankreislaufs nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand.
Die Zahlen für Bremerhaven In Bremerhaven wird die Eintreffzeit als die Zeit ab der Alarmierung definiert. Sie setzt sich zusammen aus der Ausrücke- und Anfahrtszeit, schreibt der Magistrat auf buten-un-binnen-Anfrage. Die Angaben betreffen die "Eintreffzeit gemäß Bremisches Hilfeleistungsgesetz §28“, wonach die Rettungskräfte in mindestens 95 Prozent der Fälle maximal zehn Minuten nach Einsatzeröffnung den Einsatzort erreichen müssen. Sie seien damit nicht mit den definierten Eintreffzeiten des SWR vergleichbar, so der Magistrat. Die Feuerwehr Bremerhaven erhebt zudem keine Zeiten zu konkreten Diagnosen, sondern für alle Krankheits- oder Verletzungsbilder gleichermaßen. Der SWR hatte die Eintreffzeit der Einsatzmittel ausschließlich auf Reanimationen/Herz-Kreislauf-Stillstand bezogen. Eintreffzeit von 10 Minuten
  • 2022: 95,34 Prozent
  • 2023: 95,15 Prozent
  • 2024: 94,58 Prozent (1. Halbjahr)
Eintreffzeit von 8 Minuten
  • 2022 = 70 Prozent
  • 2023 = 68 Prozent
  • 2024 = 68 Prozent (1. Halbjahr)
Um eine Vergleichbarkeit mit der Eintreffzeit gem. Definition des SWR herzustellen, müssten die Zahlen aus Bremerhaven auf 9,5 Minuten (= 8 Minuten zzgl. 1,5 Minuten Gesprächs- und Dispositionszeit) hochgerechnet werden, heißt es weiter. Quelle: Innenressort, Magistrat der Stadt Bremerhaven

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Dieses Thema im Programm:
buten un binnen, 17. Juli 2024, 19:30 Uhr