Bremen Geschlechtseintrag lässt sich in Bremen auf dem Standesamt ändern
Heute tritt das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft. Damit erhalten queere Menschen mehr Rechte. Was ändert sich konkret? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) ermöglicht es trans-, intergeschlechtlichen und non-binären Menschen, ihren Geschlechtseintrag und Namen beim Standesamt zu ändern. Neben männlich, weiblich und divers ist auch die Streichung des Eintrages möglich.
Wie viele Menschen betrifft das?
In Bremen haben 200 Menschen eine Anmeldung eingereicht. In Bremerhaven sind es aktuell 25. Die Bundesregierung geht von etwa 4.000 Anmeldungen pro Jahr aus. "In den ersten zwei Wochen wird ein ganz besonderer Fokus auf diese Termine gelegt, um die Erklärungen zeitnah ermöglichen zu können", sagt eine Sprecherin des Innenressorts.
Wie kann man einen Geschlechtseintrag ändern?
"Ich muss mich erst beim Standesamt anmelden und kann dann drei Monate später einen Beurkundungstermin machen", sagt Freyja Pe* von Rüden. Sie ist Beraterin bei Trans-Recht Bremen und selber transgeschlechtlich. Die Anmeldung kann schriftlich oder persönlich erfolgen, die Erklärung nur persönlich: "Ich muss erklären, dass mein Name und Geschlechtseintrag geändert werden soll und dass das meiner geschlechtlichen Identität entspricht", sagt von Rüden.
Laut einem Sprecher des Bundesfamilienministeriums muss man in der Regel den Personalausweis oder Reisepass, die Geburtsurkunde und gegebenenfalls die Ehe- oder Lebenspartnerschaftsurkunde mitbringen. Man kann sich bei jedem Standesamt anmelden, die Erklärung muss beim selben Standesamt erfolgen. Eine erneute Änderung der Einträge ist erst nach einem Jahr möglich.
Was kostet der Vorgang?
In Bremen und Bremerhaven kostet die Beurkundung 46 Euro, hinzu kommen noch 13 Euro für eine neue Geburtsurkunde. Allerdings können die Kosten noch weiter steigen, da der Reisepass nach einer Änderung der Einträge ungültig wird. Der Personalausweis muss neu beantragt werden, falls der Name geändert wurde.
Welche Vornamen können gewählt werden?
Ein neuer Vorname kann gewählt werden, wenn der Geschlechtseintrag geändert wird. Der neue Vorname muss dem Geschlechtseintrag entsprechen. "Menschen, die einen offenen oder diversen Geschlechtseintrag haben, können im Rahmen der allgemeinen Regelungen jeden Vornamen wählen", sagt der Sprecher des Ministeriums.
Was gilt für Jugendliche?
Minderjährige unter 14 Jahren können die Erklärung nicht selbst abgeben, das muss der gesetzliche Vertreter übernehmen. Personen zwischen 14 und 18 Jahre müssen versichern, dass sie gut beraten worden sind. Außerdem müssen die Sorgeberechtigten der Änderung zustimmen. "Wenn sie das nicht tun, müsste ich die Situation eskalieren und gegen meine Eltern vor Gericht ziehen", sagt von Rüden. "Wir fordern, die Altersgrenze auf 14 zu setzen, analog zur Religions- und Strafmündigkeit."
Das SBGG regelt die Änderung der Einträge auch für intergeschlechtliche Personen. "Intergeschlechtlichkeit heißt, dass ich körperlich nicht in die medizinischen Normvorstellungen von männlich oder weiblich passe, sei es genetisch, hormonell oder anatomisch", sagt von Rüden. Intergeschlechtliche Personen können schon seit 2018 ihren Geschlechtseintrag und Namen beim Standesamt ändern lassen. Allerdings musste man dafür die Intergeschlechtlichkeit von Ärzten bestätigen lassen. Diese Beweislast entfällt nun durch das SBGG.
Welche Regelung galt vorher?
Seit 1981 galt das Transsexuellengesetz (TSG). "Es gab den Zwang zur Operation und damit zur Sterilisation. Außerdem gab es eine Zwangsscheidung von Ehen, wenn man den Geschlechtseintrag ändern wollte", sagt von Rüden. Beide Regelungen wurden mittlerweile vom Bundesverfassungsgericht als menschenrechtswidrig bewertet.
Das TSG wurde außerdem wegen der aufwändigen Verfahren kritisiert: "Das bisher geltende TSG setzte die Einholung von zwei Sachverständigengutachten und eine gerichtliche Entscheidung voraus. Das Verfahren war langwierig und kostspielig", heißt es aus dem Familienministerium. "Das war eine sehr entwürdigende Prozedur. Es gibt viele Berichte über übergriffige Fragen, bis hin zum Ausnutzen der Situation für sexuelle Übergriffe", sagt von Rüden zum Gutachtenprozess.
Stellt das neue Gesetz eine Verbesserung dar?
Gegen die menschenrechtswidrigen Bestimmungen des TSG habe es laut der Beraterin schon immer Widerstand gegeben. "Unter dem Gesichtspunkt ist es eine lang geforderte Verbesserung, dass trans Personen endlich geglaubt wird und es keine Gerichtsentscheidung mehr ist."
Was ist die Kritik am SBGG?
"Das Gesetz hat eine Menge transfeindlicher Untertöne", sagt von Rüden. Dadurch das Jugendliche beispielsweise versichern müssen, gut informiert zu sein, werde suggeriert, dass Menschen die Entscheidung leichtfertig träfen.
Außerdem kritisiert von Rüden das Offenbarungsverbot, das eigentlich vor einem Zwangsouting schützen soll. Das Verbot besagt, dass frühere Geschlechtseinträge einer Person nicht offenbart, also nicht weiterverbreitet werden dürfen. Ein Verstoß gegen das Offenbarungsverbot kann ein Bußgeld nach sich ziehen. Wer beispielsweise den alten Geschlechtseintrag Bekannten gegenüber erwähnt, verstößt damit gegen das Offenbarungsverbot. "Das Problem ist, dass ich die Beweislast der Offenbarung trage", sagt von Rüden.
Es sei schwer zu beweisen, dass der alte Geschlechtseintrag vorher noch nicht bekannt war. Damit ein Bußgeld verhängt wird, muss außerdem die schädigende Absicht des Zwangsoutings bewiesen werden. Eine weitere Einschränkung: Kinder, Eltern und Ehepartner dürfen auch weiterhin den alten Namen und Geschlechtseintrag im privaten Raum verwenden.
Dieses Thema im Programm:
Bremen Zwei, Der Morgen, 1. November 2024, 7:10 Uhr