Eine junge Frau bezahlt in einem Café mit einer Visa-Karte.

Bremen Praktisch oder manipulativ? Bremens Gastro zur Trinkgeld-Taste

Stand: 18.07.2024 06:32 Uhr

Immer öfter zahlen Bremer mit Karte. Damit sie auch ohne Bargeld in der Tasche Trinkgeld geben, gibt es auf vielen Kartenlesern eine Trinkgeld-Funktion. Sie ist umstritten.

Von Alexander Schnackenburg

Das alte "Stimmt so!" stirbt beim Bezahlen aus. Zumindest dort, wo nicht mehr bar, sondern mit Karte gezahlt wird. Damit der Kunde dennoch Trinkgeld gibt, machen ihm die Kartenlesegeräte beim Bezahlen immer öfter umgehend einen Vorschlag: Fünf, zehn oder 20 Prozent? Man hat die Wahl.

Die Option für "kein Trinkgeld" findet sich auf den Geräten meist weiter unten. Sie ist eher unauffällig. Fragt sich: Wie kommt die Trinkgeld-Funktion bei den Leuten an? buten un binnen hat sich unter Akteuren aus Gastro, Verbraucherschutz und Finanzbranche umgehört.

Auf dem Display eines Kartenlesegerätes in einem Café werden anwählbare Trinkgeld-Optionen angezeigt.

Sieben, zehn oder zwanzig Prozent? Die meisten Trinkgeld-Funktionen von Kartenlesern machen dem Kunden Vorschläge zum antippen.

Was sagt die Verbraucherzentrale zu den Trinkgeld-Funktionen auf Kartenlesegeräten?

Sonja Pannenbecker von der Verbraucherzentrale Bremen gibt zu bedenken, dass die Funktion "einen gewissen sozialen Druck" erzeuge. Das gelte umso mehr, je schwieriger die Option "kein Trinkgeld" zu finden sei.

Wie stehen Hoteliers und Gastwirte zur Trinkgeld-Funktion auf den Kartenlesern?

Nathalie Rübsteck, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) Bremen, sieht darin "überhaupt kein Problem". Die Trinkgeldbeträge, die die Geräte vorgäben, seien Vorschläge und nähmen den Gästen eine gewisse Rechenleistung ab. Zudem bestehe immer die Möglichkeit, das Trinkgeld individuell einzugeben statt einem Vorschlag des Geräts zu folgen.

Thorsten Lieder, Geschäftsführer der Bremer Gastro Gemeinschaft, sagt über die Trinkgeld-Vorschläge der Geräte zwar: "Ich bin kein Freund davon." Er betont aber auch, dass es letztlich jedem Gastwirt selbst überlassen sei, ob er die Kartenlesegeräte und die Trinkgeldfunktion einsetzen möchte.

In welchen Branchen sind die Trinkgeld-Funktionen der Kartenlesegeräte besonders gefragt?

Einer internen Analyse des Zahlungsdienstleisters und Kartenleser-Anbieters "SumUp" vom Juni dieses Jahres zufolge kommt die Trinkgeld-Funktion vor allem in Restaurants und Cafés zum Einsatz, teilt Juliane Saleh-Büttner aus der PR-Abteilung des Unternehmens mit.

Der Analyse zufolge nutze mittlerweile mit 29 Prozent fast jeder Dritte Gastwirt die Trinkgeld-Funktion. Im Einzelhandel seien es 26 Prozent sowie 19 Prozent der Gewerbetreibendenden aus der Kategorie "Beauty" und 18 Prozent aus der Kategorie "Entertainment". Mit der Kategorie "Beauty" sind beispielsweise Friseursalons und Kosmetikstudios gemeint. "Entertainment" beschreibt beispielsweise Unterhaltungsangebote wie Spiele, Sport und Shows in Hotels, etwa bei Cluburlauben. "In anderen Bereichen wird die Trinkgeldfunktion weitaus weniger genutzt", fügt Saleh-Büttner hinzu.

Wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass die Hersteller von Kartenlesegeräten Trinkgeld-Funktionen anbieten?

Dazu sagt Juliane Saleh-Büttner von "SumUp": "lm Zuge der Digitalisierung haben viele Händler festgestellt, dass Kunden, die mit der Karte bezahlen, eher selten bis gar kein Trinkgeld in bar verfügbar haben. Daher war der Bedarf nach einer Möglichkeit, Trinkgeld auch digital geben zu können, sehr groß."

Man kann auch Trinkgeld geben, indem man den Rechnungsbetrag aufrunden lässt und dann per Karte bezahlt. Welchen Vorteil bietet die Trinkgeldfunktion auf den Kartenlesegeräten Gastwirten, Händlern und Dienstleistern?

Wie Saleh-Büttner erklärt, bietet die Trinkgeldfunktion Gewerbetreibenden den Vorteil, dass sie das Trinkgeld gesondert buchen und entsprechend auch gesondert in der Buchhaltung ausweisen können. Das sei ein wichtiger Aspekt, sagt auch Nathalie Rübsteck vom DEHOGA Bremen. Sie erklärt: "Der Inhaber muss Trinkgeld von seinen Einnahmen sauber trennen, sonst muss dieses unter Umständen versteuert werden."

Durch die Trinkgeld-Funktion auf dem Lesegerät sei zudem geklärt, dass das Trinkgeld eben keine Einnahmen darstellten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zustehe. Dass es aber auch bei der Belegschaft ankommt, ist durch das Lesegerät nicht garantiert.

Thorsten Lieder von der Bremer Gastro Gemeinschaft glaubt zwar, dass es in der Regel so ist. Er räumt allerdings ein, dass es – wie in allen Branchen – auch in der Gastro schwarze Schafe gebe. So oder so sei es für seinen Geschmack immer noch am besten, Trinkgeld bar zu geben.

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Dieses Thema im Programm:
buten un binnen, 18. Juli 2024, 19:30 Uhr