Im Innenhof eines Behördenzentrums wird die frühere RAF-Terroristin Daniela Klette zu einem Hubschrauber geführt. Zuvor hatte sie einen Haftprüfungstermin beim Bundesgerichtshof (BGH).
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Bremen Diese Rolle spielt eine Bremer Wohnung im Klette-Prozess

Stand: 25.03.2025 05:56 Uhr

In Celle beginnt heute das Verfahren gegen die Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette. Im Prozess geht es um zahlreiche Raubüberfälle – und um versuchten Mord.

Von Jochen Grabler

Worum geht es im Prozess?

Klette war Mitglied der linksradikalen Rote Armee Fraktion (RAF), die von den beginnenden 70er-Jahren bis zur Selbstauflösung 1998 mit Anschlägen, Entführungen und Morden die deutschen Sicherheitsbehörden in Atem gehalten hat. Trotz umfangreicher Ermittlungen und zahlreicher Prozesse sind viele der Taten bis heute nicht aufgeklärt und einige Gesuchte abgetaucht.

Zu diesen Untergetauchten gehörte lange auch Daniela Klette – bis zu ihrer Verhaftung in Berlin Ende Februar 2024. Aufgeflogen ist sie auch wegen ihrer Beteiligung an bewaffneten Raubüberfällen.

Zwischen 1999 und 2016 soll sie gemeinsam mit den immer noch flüchtigen Ex-RAF-Mitgliedern Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub zahlreiche Supermärkte und Geldtransporter in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein überfallen haben. Insgesamt 13 Fälle. Beute: rund 2,7 Millionen Euro.

Die Überfälle hatten keinen politischen Hintergrund, sie dienten der Geldbeschaffung für das Leben im Untergrund. Genau um diese Überfälle geht es nun im Verfahren in Celle. Alle linksterroristischen Taten, die Klette zugeschrieben werden, werden später in einem abgetrennten Verfahren verhandelt. Klette hat für den ersten Verhandlungstag eine Erklärung angekündigt.

Was hat das Verfahren mit Bremen zu tun?

Zwischen Sommer 2014 und Oktober 2015 hatte Klette unter dem Tarnnamen Sarah Lopez eine Ferienwohnung in Bremen angemietet. Angeblich, weil sie in Bremen Yoga machen wollte. Recherchen von buten un binnen ergeben: Klettes Bremer Domizil auf Zeit liegt im Steintor in der Hollerstraße. Nachbarn und Vermieter sagen, die Mieterin sei nicht weiter auffällig gewesen – aber interessant wird es, wenn man den Mietzeitraum mit den Taten des Trios verbindet.

In diese Zeitspanne fallen folgende Taten: am 23. August 2014 ein Überfall auf eine Marktkauf-Filiale in Elmshorn. Die Höhe der Beute: 46.000 Euro. Es folgte am 2. Januar 2015 der Überfall auf einen Kaufland-Markt in Osnabrück, Beute: circa 60.000 Euro. Zuletzt missglückte am 6. Juni 2015 ein Überfall auf einen Geldtransporter bei einem Supermarkt in Groß-Mackenstedt bei Stuhr. Weil das Fluchtfahrzeug nicht wie geplant in Flammen aufging, finden die Ermittler DNA-Spuren von Klette, Garweg und Staub.

Der Überfall in Groß-Mackenstedt wird im Prozess eine große Rolle spielen. Einer der Täter hat dreimal auf die Scheibe des Geldtransporters geschossen. Darin sieht die Staatsanwaltschaft versuchten Mord.

Groß-Mackenstedt liegt direkt vor Bremen, die beiden anderen Tatorte maximal anderthalb Autostunden entfernt. In Bremen stand eine Wohnung bereit. Die Vermutung liegt nahe, dass die Wohnung in der Hollerstraße als Ausgangs- und Fluchtpunkt für die drei Überfälle gedient hat. Allerdings liegen die Taten sehr lange zurück, Nachbarn können sich kaum noch an Klette erinnern. Sollte Klette selbst keine detaillierten Aussagen zu den Taten machen, wird die Rolle Bremens in dieser Geschichte kaum aufzuklären sein.

Ernst-Volker Staub hatte noch einen sehr viel älteren Draht nach Bremen. Nachdem sich der Hamburger im Sommer 1983 in den RAF-Untergrund verabschiedet hat, war seine erste Wohnung unter dem Tarnnamen Peter Bollmann in Bremen. Ein paar Monate hat er als Zwischenmieter dort verbracht. Im Jahr darauf wurde "Bollmann" gemeinsam mit Helmut Pohl in einer konspirativen Wohnung in Frankfurt verhaftet.

Hatte Klette in Bremen Helfer?

Das kann man nicht mit Sicherheit sagen. Beim Leben im Untergrund greifen die Untergetauchten zwar erfahrungsgemäß auf alte Kontakte zurück, aber dabei handelt es sich um sehr vereinzelte, sehr alte und sehr belastbare Kontakte. Also eher um "Freunde von damals". Zu viele Kontakte bergen das Risiko, dass einer zu viel redet und die untergetauchte Person auffliegt.

Beschädigte Fensterscheiben am Polizeirevier in der Bremer Neustadt

"Freiheit für Daniela": Unbekannte Mitglieder der linksradikalen Szene beschädigten das Polizeirevier in der Neustadt.

Ohnehin ist die linksradikale Szene beim Fall Klette eher zurückhaltend. Wenige Tage nach Klettes Verhaftung haben Unbekannte bei einem Polizeirevier in der Neustadt Scheiben eingeworfen und im Bekennerschreiben "Freiheit für Daniela" gefordert. Aber schon die von der ehemaligen Gesundheit-Nord-Betriebsrätin Ariane Müller organisierte Solidaritätsdemo vor dem Frauengefängnis in Vechta mobilisierte gerade mal 35 Menschen.

Die Szene in Bremen ist eher jung und interessiert sich für die aktuellen Aktionen und Aktivisten. Der "Fall Lina" – die Verurteilung einer Linksextremistin wegen eines Angriffs auf Neonazis – mobilisiert die Szene deutlich mehr als der Fall Klette. Die RAF ist lange her und weit weg, zumal die jetzt angeklagten Taten mit politischen Fragen nichts zu tun haben.

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Dieses Thema im Programm:
buten un binnen, 25. März 2025, 19:30 Uhr