Eine Lehrerin steht im Klassenzimmer

Bremen Wie eine Bremer Lehrerin aus Ghana ihre Schüler in Tenever inspiriert

Stand: 23.06.2024 10:00 Uhr

Als Lehrerin steht Gilda Deinhard vor vielen Herausforderungen, denen sie mit Humor und Engagement begegnet. Sie hat selbst eine interessante Geschichte.

Von Lieselotte Scheewe

Gilda Deinhard ist Lehrerin und Konrektorin im Bremer Stadtteil Tenever. Sie unterrichtet an der Grundschule Andernacherstraße. Die Schule liegt mitten zwischen Hochhäusern. Vor den Fenstern des Klassenzimmers ragen graue Wohnblocks in den blauen Himmel.

"Ich komme aus diesem Stadtteil. Ich bin hier groß geworden. Ich bin damals mit sechs Jahren nach Bremen gekommen und direkt in Osterholz-Tenever gelandet. Und von daher identifiziere ich mich hiermit", erzählt sie.

Die 41-Jährige kommt aus Ghana und weiß, wie es ist, in dem Bremer Stadtteil aufzuwachsen. Sie kennt die Strukturen und einige Eltern von früher. Das erleichtert ihr die Arbeit mit den Kindern und ihren Familien. "Die Nähe ist eine andere und auch eine Beziehung aufzubauen geht viel schneller", sagt Gilda Deinhard.

Unterricht mit vielen Herausforderungen

In ihrer Klasse sitzen die Kinder auf kleinen Holzbänken in einem Kreis vor der Tafel und lesen in ihren Büchern. Es ist Lesezeit. Leises Summen erfüllt den Raum. "Frau Deinhard, ich bin mit dem Buch fertig", ruft eines der Mädchen. Anderen Kindern fällt es nicht leicht, die Buchstaben zu erkennen und daraus Worte zu bilden. Gilda Deinhard hilft einem Jungen dabei, die einzelnen Laute zu lesen: "E und i wird zu? ...Ei, genau!."

Wir sind halt ein Stadtteil, wo die Bedingungen anders sind als jetzt in Schwachhausen oder in Horn.
(Gilda Deinhard, Lehrerin in Tenever)

Sie ist gern Lehrerin. In ihrer Klasse trifft sie aber auf viele Herausforderungen: "Die Kinder sind halt einfach mit der Sprache noch nicht so weit, also ihr Wortschatz ist sehr gering. Das heißt, wir fangen wirklich ganz unten an", sagt sie. Ein weiteres, wenn nicht das größte Problem seien Medien in den Kinderzimmern.

"Der Umgang hat sich erhöht. Das ist natürlich auch für uns als Schule sehr schwierig, das zu kompensieren", erzählt sie. Viele ihrer Schülerinnen und Schüler könnten gar nicht lange auf dem Stuhl sitzen und sich länger konzentrieren.

Vorbilder sind wichtig

Auch Gilda Deinhard hatte es nicht leicht, als sie mit sechs Jahren nach Deutschland kam. Sie konnte die Sprache nicht und musste sich in dem neuen Land zurechtfinden. Aber sie hat sich durchgebissen, Abitur gemacht und studiert. Geholfen haben ihr gute Vorbilder und die Unterstützung von zu Hause.

Meine Mutter hat mich immer gestärkt und stand bei allem, was ich mir irgendwie in den Kopf gesetzt habe, auch dahinter.
(Gilda Deinhard, Lehrerin in Tenever)

Für Gilda Deinhard war früh klar, dass sie einmal mit Kindern arbeiten wollte. Ihre Mathelehrerin und ihr Sportlehrer in der Abizeit haben sie beeindruckt und inspiriert. "So, dass ich gesagt habe, okay, wenn man so Lehrer sein kann, dann möchte ich das auch", sagt sie.

Sozialarbeiterin, Elterncoachin, Seelentrösterin

Außerdem spielt Sport in ihrem Leben eine große Rolle. Schon in jungen Jahren fing sie an, Handball zu spielen. Der Mannschaftssport habe sie zu dem gemacht, was sie heute ist: eine taffe Frau, Mutter von drei Kindern, Lehrerin und Konrektorin; und dabei oft auch Sozialarbeiterin, Elterncoachin und Seelentrösterin.

"Es war so, dass meine sportliche Leistung tatsächlich auch meine schulischen Leistungen verändert haben. Das Durchhaltevermögen zu lernen und auch zu versagen, um sich dann wieder ranzukämpfen", erzählt sie. Durch den Sport habe sie diesen Ehrgeiz entwickelt und mitgenommen, "dass man nicht immer klar gewinnen kann, aber dass die Anstrengungsbereitschaft doch da ist, Dinge umzusetzen, und wenn es beim ersten Mal nicht klappt, nicht sofort aufzugeben, sondern weiterzumachen."

Eine Lehrerin sitzt zugewandt neben einer Schülerin, beide schauen in ein Buch

Einige von Deinhards Schülerinnen und Schülern brauchen Unterstützung beim Lesen.

Diese Erfahrungen haben sie gestärkt. Aber das sei etwas, das vielen ihrer Schülerinnen und Schülern fehle. Sie beobachtet, dass viele Eltern ihre Kinder zur Schule bringen, obwohl die Schulwege kurz sind. Und dass sie sehr wenig oder gar nicht mit den Kindern auf Spielplätze oder überhaupt rausgehen zum Spielen. Dadurch sei der Bewegungsdrang besonders groß. Außerdem seien Übergewicht und ungesunde Ernährung ein großes Problem.

Vorbildfunktion für schwarze Kinder

Für die schwarzen Kinder in ihrer Schule ist sie eine besondere Vertrauensperson. "Ich bin die einzige afrikanische Lehrerin hier und für manche ist dann die Schwelle einfach ein bisschen niedriger, sodass die Kinder eine Identifikationsperson haben." Und sie zeige, dass diesen Beruf nicht nur weiße Menschen ausüben, und dass in der Schule nicht nur die Kinder vielfältig sind, sondern auch die Erwachsenen.

Und überhaupt: Sie wünscht sich mehr Vielfalt in der gesamten Gesellschaft: "Dass man irgendwie nicht nur im Weserpark eine Putzfrau sieht, die Afrikanerin ist, sondern dass es halt alle anderen auch machen. Und dass auch Afrikaner an der Kasse stehen können und an der Uni sein können oder jetzt in der Schule und überall in anderen Betrieben auch. Und ich glaube, dass mehr geht. Und dass die Möglichkeiten irgendwie unbegrenzt sind."

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Dieses Thema im Programm:
Bremen Zwei, Der Nachmittag, 22. Juni 2024, 13:40 Uhr