
Saarland Frust, Umwege und Sorgen: Als Corona die Grenzen schloss
Zunächst undenkbar und plötzlich Realität: Am 16. März 2020 werden die Grenzen zwischen Deutschland, Frankreich und Luxemburg geschlossen. Nur noch Pendler dürfen passieren, und das nur noch an wenigen Übergängen. Eine Maßnahme, die gerade im Dreiländereck der Beziehung zu den Nachbarn schadete.
Rebecca Wehrmann
Nachdem am 12. März 2020 das Bundesinnenministerium noch verkündete, dass Grenzschließungen nicht sinnvoll seien, um eine Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern, geschah es doch. Am 16. März 2020, heute auf den Tag vor fünf Jahren, wurde der Grenzverkehr stark eingeschränkt. Reisen ohne triftigen Grund waren verboten.

Grenzübertritt nur noch mit "triftigem Grund"
Die Grenzen zwischen Deutschland und Frankreich und Luxemburg wurden kontrolliert. Ohne entsprechende Nachweise wurden Menschen am Grenzübergang zurückgeschickt. Diese wurden beispielsweise den Berufspendlern und -pendlerinnen ausgestellt – von ihren Arbeitgebern. Unabhängig davon: Wer Symptome einer Coronaerkrankung hatte, durfte auch nicht einreisen.
Zunächst wurde erst einmal nur an der Goldenen Bremm der Grenzübertritt nach Frankreich kontrolliert. Die anderen Grenzübergänge waren unbewacht und frei befahrbar. Kurz danach wurden aber 29 der insgesamt 35 Grenzübergänge entwidmet. Wer sie nutzte, übertrat illegal die Grenze. Davor warnte auch die Polizei. Geöffnet waren nur noch diese sechs Grenzen:
- Goldene Bremm
- Alte Bremm
- Creutzwald-Überherrn
- Grenzübergang an der BAB 8 von Perl nach Luxemburg
- Grenzübergang von Perl nach Schengen und Apach
- Grenzübergang bei Frauenberg

Kritik gegen geschlossene Grenzen wird laut
Die Grenzschließungen sorgten für teilweise heftige Kritik – die Saar-Linke stellte sich dagegen, verwies auf Willkür, da die Grenze nach Rheinland-Pfalz geöffnet blieb. Die Umwege für Pendler seien teilweise enorm und eine Belastung für Betroffene. Ähnlich kritisch äußerte sich der damalige Forbacher Abgeordnete in Paris, Christophe Arend. Die Schließung sei politischer und wissenschaftlicher Unsinn, der die Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich schwächen werde.
Auch die damalige Wirtschaftsministerin, heute Ministerpräsidentin, Anke Rehlinger (SPD) stellte die Verhältnismäßigkeit in Frage und mahnte, die Maßnahme möglichst schnell aufzuheben: „Die Grenzschließung sollte jedenfalls die erste Maßnahme sein, die wir wieder aufheben.“.

Anfeindungen und Nachbarschaftshilfe
Rund drei Wochen nachdem der Grenzverkehr stark eingeschränkt wurde, gab es dann Berichte von offenen Anfeindungen gegen Grenzgänger. So wurden Menschen im Supermarkt oder auch auf der Arbeit angegangen. Tobias Hans (CDU), zu der Zeit Ministerpräsident des Saarlandes, verurteilte das Verhalten stark und rief zu Solidarität auf. Rehlinger entschuldigte sich bei den saarländischen Nachbarn, bezeichnete die Vorfälle als „unwürdig und beschämend“.
So unschön diese Diskriminierungen waren, es blieben glücklicherweise Einzelfälle und die Hilfsbereitschaft gegenüber Grand Est war groß. Das war auch notwendig, denn die Situation in der Region war zu Anfang der Pandemie besonders gravierend: die Infektions- und auch Todeszahlen hoch, die dortigen Krankenhäuser überfüllt. Es gab Tage, an denen alleine in Grand Est rund 100 Menschen an oder im Zusammenhang mit dem Coronavirus verstarben.
Um Frankreich zu helfen, nahm das Saarland französische Patienten auf. Diese wurden mit Militärflugzeugen eingeflogen. Neben dem Saarland übernahmen auch andere Bundesländer Coronakranke. Keine leichtfertige Entscheidung, denn auch hierzulande waren die Kliniken teilweise an Belastungsgrenzen.

Wiederaufbau von Vertrauen nach Lockerung und Grenzöffnung
Genau zwei Monate später, in der Nacht vom 15. auf den 16. Mai, wurden die Grenzkontrollen gelockert. Es gab nur noch stichprobenartig Überprüfungen. Da war der Schaden aber schon passiert. Man müsse nun wieder Vertrauen aufbauen, sagte Arend in einem Interview mit dem SR.
Einen Monat später wurden die Kontrollen dann final beendet. Das sorgte für Freude, ganz besonders bei den grenznahen Anwohnern. So fand beim "Baguette-Angler" Hartmut Fey eine Feier zur Grenzöffnung statt.
Saar-Parteien einheitlich gegen erneute Schließung
Die Saar-Parteien waren sich damals einig darin, dass man daraus Lehren ziehen und auf bessere Abstimmung setzen müsse – über Grenzen hinweg. Tobias Hans verteidigte die Maßnahme als „in dieser konkreten Situation richtig und konsequent“, sprach sich aber im Falle einer weiteren Corona-Welle gegen eine erneute Grenzschließung aus.
Das unterstützten im September desselben Jahres alle Saar-Parteien, als die Corona-Infektionszahlen wieder stark anstiegen. Eine erneute Grenzschließung blieb tatsächlich aus – obwohl die Coronazahlen jahreszeitbedingt teilweise heftig in die Höhe schossen.
Klage gegen Einreiseverweigerung
Die Entscheidung, die Grenzen zu schließen, hatte noch ein juristisches Nachspiel. Ein Mann aus dem Département Moselle hatte geklagt, weil ihm die Einreise nach Deutschland zum Einkaufen verweigert wurde.
Das Verwaltungsgericht Koblenz wies die Klage jedoch ab und begründete dies aufgrund der damaligen Infektionslage. Die Corona-Beschränkungen seien rechtmäßig und verhältnismäßig gewesen. Der Mann klagte sich durch mehrere Instanzen, verlor letztlich aber auch im Juni 2024, als das Bundesverwaltungsgericht die Schließungen als rechtmäßig einstufte.
Grenzkontrollen wieder aktuell
Das Thema Grenzkontrollen ist gerade in jüngster Vergangenheit wieder stark in die Diskussion geraten. Zunächst wurde im vergangenen Jahr aufgrund der Olympischen Spiele in Paris und anschließend wegen der Fußball-EM an den Grenzen kontrolliert. Das Echo aus den Saar-Parteien dazu war geteilt.
Im September verkündete dann Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) Grenzkontrollen an allen deutschen Landesgrenzen. "Wir stärken die innere Sicherheit und setzen unseren harten Kurs gegen die irreguläre Migration fort", begründete Faeser die Entscheidung. Seit dem 16. September wird das auch im Saarland umgesetzt. Eigentlich sollten diese Mitte März auslaufen, sie wurden allerdings verlängert. Die Reaktionen aus der Saar-Politik auf diese Entscheidung: abermals geteilt.
Saarbrückens Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU) etwa fordert, die Grenzkontrollen abschaffen. Dazu will er mit Blick auf das „Saarbrücker Abkommen“ von 1984 die Rechtmäßigkeit der stationären Kontrollen prüfen lassen.

Wie geht es weiter?
Das Thema Grenzkontrollen bleibt weiter aktuell, denn zudem ist gerade in der Diskussion, Asylbewerber gegebenenfalls schon bei ihrer Einreise nach Deutschland an der Grenze zurückzuweisen. Ein solches Vorhaben haben Union und SPD in ihrem Sondierungspapier geplant.
Wie es sich auswirken wird – auf Wirtschaft, Politik, aber auch auf die Freundschaft unter den Nachbarländern, sollten die Kontrollen langfristig erhalten bleiben, das bleibt abzuwarten.