Eine junge Person hält ein Smartphone mit dem TikTok-Logo in der Hand

Saarland Gefährliche TikTok-Challenges sind auch im Saarland beliebt

Stand: 20.07.2024 19:00 Uhr

Sich selbst würgen bis zur Ohnmacht oder extrem scharfe Instantnudeln essen – das sind Beispiele für TikTok-Challenges, die auch im Saarland unter Kindern und Jugendlichen kursieren. Polizei und Kinderärzte warnen: Eltern sollten ihre Kinder vor solchen Mutproben schützen.

Sandra Schick

In Hessen ist im April dieses Jahres ein 13-jähriges Mädchen ums Leben gekommen, nachdem es sich in seinem Zimmer stranguliert hatte. Das Mädchen hatte sich dabei mit seinem Handy gefilmt, offenbar weil es an der sogenannten „Blackout-Challenge“ mitmachen wollte.

Dabei würgen sich Jugendliche bis zur Ohnmacht, filmen dies mit ihrem Handy und posten es auf TikTok. Auf dem Handy des Mädchens wurden Medienberichten zufolge mehrere solcher Videos gefunden worden.

Todesfall im Saarland

Auch im Saarland gab es vor drei Jahren einen Todesfall, der mit der gleichen TikTok-Challenge zusammenhängen könnte – auch wenn dieser Zusammenhang laut Polizei bei den Ermittlungen nicht nachgewiesen werden konnte.

Fest steht: Ein 12-jähriger Junge kam im Februar 2021 in St. Wendel ums Leben, nachdem er sich mit einer selbst gebauten Apparatur die Luft abgedrückt hatte. Fremdverschulden wurde ausgeschlossen, einen Suizid hielt die Polizei ebenfalls für sehr unwahrscheinlich. Im Ergebnis wurde „ein Unglücksfall beim Spielen angenommen“, so die Polizei.

Dr. Reimund Evers war der Kinderarzt des Jungen. Im Gespräch mit dem SR berichtet er, dass er von der Mutter über den tragischen Tod und einen vermuteten Zusammenhang mit der TikTok-Blackout-Challenge informiert wurde.

Der Tod seines jungen Patienten habe seine Arbeit als Kinderarzt durchaus beeinflusst, schildert Evers. "Seitdem spreche ich in jeder Vorsorgeuntersuchung mit Kindern dieser Altersgruppe über mediale Gefahren und wie gefährlich TikTok-Challenges werden können."

Digitale Mutproben auf TikTok

Nicht nur diese beiden Todesfälle zeigen, welche Gefahr von den digitalen Mutproben für Heranwachsende ausgeht. Weltweit gibt es immer wieder Medienberichte über Todesfälle und schwere Verletzungen nach solchen Challenges.

Auf TikTok und anderen Plattformen kursieren unzählige Videos, in denen Jugendliche riskante, häufig gesundheitsgefährdende Mutproben mitmachen: extrem scharfe Lebensmittel wie Chili-Chips oder Instantnudeln essen, große Mengen Deo auf die Haut sprühen, trockenes Zimt- oder Proteinpulver ohne Flüssigkeit schlucken oder die Sauerstoffzufuhr einschränken, bis man in Ohnmacht fällt.

Auch im Saarland haben die Challenges längst ihren Weg in Klassen- und Kinderzimmer gefunden. Mehrere Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter berichten in Gesprächen mit dem SR davon, dass ihre Schüler sich schon an verschiedenen Challenges ausprobiert haben. Viele sind besorgt.

Kinderärzte appellieren an Eltern

Die Kinderärzte im Saarland rufen Eltern deshalb dazu auf, genauer hinzuschauen, womit sich ihre Kinder beschäftigen.

Benedikt Brixius, Sprecher des Verbandes der Kinder- und Jugendärzte im Saarland sagt dem SR:

Kinder und Jugendliche sind sich oft nicht der Gefahren bewusst, die von solchen Challenges ausgehen.“ (Kinderarzt Benedikt Brixius)

Gruppenzwang und der Wunsch, dazu zu gehören, treibe sie oft zu gefährlichem Verhalten.

Er appelliert an Eltern, in engem Kontakt mit ihren Kindern zu bleiben, sobald diese ihr eigenes Smartphones bekommen. „Man sollte einen Überblick haben, was das Kind im Internet treibt“, so Brixius. Dafür könne man spezielle Kinderschutz-Apps verwenden und die Sicherheitseinstellungen am Handy entsprechend wählen.

Smartphone erst ab der 7. Klasse

Immer in engem Austausch mit dem Kind zu sein – das rät auch Kinderarzt Reimund Evers den Eltern. Und er geht noch weiter:

Ich empfehle Eltern generell ihrem Kind erst ab der 7. Klasse ein eigenes Smartphone zu kaufen. Doch das erscheint vielen Eltern nicht umsetzbar.“ (Kinderarzt Reimund Evers)

Die meisten Kinder bekämen heute schon deutlich früher ein internetfähiges Handy. Und dann würden meist auch die Probleme mit TikTok & Co. anfangen.

Denn in dem jungen Alter könnten sie viele Dinge, die ihnen dort begegnen, noch nicht richtig einordnen. Und „nur sehr wenige Eltern haben wirklich einen Überblick darüber, was ihr Nachwuchs alles mit dem Handy treibt.“

Polizei gibt praktische Tipps für Eltern:

Auch die Polizei beschäftigt sich im Bereich der Präventionsarbeit mit Internet-Challenges. Sie hat Tipps für Eltern zusammengestellt, wie sie ihre Kinder vor den Gefahren schützen können.

Das empfiehlt die Polizei:

  • Verurteilen Sie Challenges nicht pauschal, sondern sprechen Sie regelmäßig mit Ihren Kindern und fragen, was aktuell angesagt ist. So können Sie auf die Interessen Ihrer Kinder eingehen und auf mögliche Risiken rechtzeitig reagieren.
  • Ermutigen Sie Ihr Kind, die Inhalte riskanter Challenges zu hinterfragen. (Es kursieren auch viele Fakes!)
  • Bestärken Sie Ihr Kind, sich und andere nicht in Gefahr zu bringen – auch bei Aufforderungen durch Gruppen oder Freunde (Gruppendruck).
  • Vermitteln Sie, dass die Weiterverbreitung von gefährlichen Challenges andere gefährden kann.
  • Bleiben Sie im regelmäßigen Austausch mit Ihren Kindern, um zu erfahren, welche Mutproben aktuell angesagt sind.
  • Gefährliche Internet-Challenges sollten Sie bei der internet-beschwerdestelle.de oder unter jugendschutz.net sowie bei der entsprechenden Online-Plattform melden!

Mehr Medienkompetenz in Schulen gefordert

Auch Schulen können ihren Beitrag zur Prävention leisten. Max Hewer, der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, sagt dem SR: „TikTok ist große Lebensrealität bei Kindern und Jugendlichen. Und ich bin der Meinung: Was in der Gesellschaft los ist, muss sich auch in der Schule wiederfinden.“

Der gerade eingeführte, flächendeckende Informatikunterricht sei eine Möglichkeit, Themen wie TikTok zu beleuchten. Es dürfe nicht nur bei der technischen Seite bleiben, auch der kompetente Umgang mit Medien solle Platz in diesem Unterricht finden.

„Aber wir müssen abseits von Lehrplänen auch Zeit und Räume dafür schaffen, uns mit solchen Themen der Medienkompetenz zu beschäftigen“, findet Hewer.

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