Die Fahne Frankreichs mit dunklen Wolken am Himmel

Saarland Mehr als nur Protest – Der Erfolg des RN im Département Moselle

Stand: 03.07.2024 10:20 Uhr

Der rechtspopulistische Rassemblement National (RN) hat den ersten Wahlgang bei den Wahlen in Frankreich deutlich gewonnen. Die Partei konnte auch in der Region Grand Est punkten. Aus dem Département Moselle haben sich zwei Kandidaten bereits vorzeitig einen Sitz im Parlament gesichert. Die Ursachen für das gute Abschneiden des RN sind vielseitig.

Sabine Wachs

Es war ein historischer Wahlabend für Frankreich. Zum ersten Mal in der Geschichte der fünften Republik hat die extrem rechte Partei Rassemblement National (RN) die erste Runde der Parlamentswahlen gewonnen.

Auch bei unseren Nachbarn in Grand Est. Im direkt ans Saarland angrenzenden Département Moselle schaffte es der RN sogar in allen neun Wahlkreisen an die Spitze – zwei Kandidaten konnten schon im ersten Wahlkreis mit mehr als 50 Prozent der Stimmen ihr Mandat holen. Unsere Grenzregion rückt nach rechts außen, Gründe dafür gibt es viele.

Viele Menschen wollen einen politischen Wechsel

"Ich bin wirklich froh, jetzt kommt endlich der Wechsel", sagt Dylan. Der junge Mann steht am Abend des ersten Wahlgangs im Rathaus in Saargemünd. Er ist kein typischer Anhänger des Rassemblement National. Er ist zwar weiß und männlich, aber lange noch nicht über 50. Außerdem studiert er noch, gehört also nicht zur Arbeiterklasse. Und trotzdem hat er "le ras-le-bol" – die Schnauze voll von Präsident Macron und seiner Regierung.

"Es geht doch nur darum, uns das Geld aus der Tasche zu ziehen", sagt Dylan. Alles werde teurer, der Wocheneinkauf, das Benzin, das er braucht, um von Saargemünd aus mit dem Auto zu seinen Eltern ins Bitcherland zu fahren.

Solche Aussagen stehen exemplarisch für das Gefühl, dass viele Menschen in den ländlichen Regionen in Frankreich haben, auch und gerade in Lothringen. Sie fühlen sich abgehängt von der Hauptstadt und den großen Ballungsräumen, sie fühlen sich unverstanden von der aus Paris zentrierten Politik.

Die Wahl des RN ist jetzt mehr als ein Protest. Menschen wie Dylan und vielen anderen geht es um einen Machtwechsel. Sie wollen eine Partei an der Spitze Frankreichs, die noch nie Regierungsverantwortung hatte. Der RN, so die Ansicht vieler auch in Lothringen, solle nun seine Chance bekommen.

Forbach und Saint-Avold – zwei RN-Kandidaten direkt gewählt

Gleich zwei RN-Kandidaten in Moselle konnten sich schon im ersten Wahlgang der Parlamentswahlen durchsetzen. Kévin Pfeffer in Forbach und Alexandre Loubet in Saint-Avold. Beides sind Parteigrößen, Politiker, deren Wort Gewicht hat.

Pfeffer, der am 9. Juli seinen 34. Geburtstag feiert, ist seit 2015 in der Partei. Er hat die Ochsentour hinter sich gebracht, ist vom einfachen Anhänger zum Schatzmeister aufgestiegen. 2022 schlug er den Abgeordneten des Macron-Bündnisses Christophe Arend und zog in die Nationalversammlung ein. Er fährt einen stramm rechten Kurs.

Pfeffer punktet mit Nähe, Sicherheit, Migration und Kaufkraft

Mit seinen großen Themen innere Sicherheit, Beschränkung der Einwanderung und Stärkung der Kaufkraft trifft er bei den Menschen in Forbach einen Nerv.

28 Prozent der Einwohner in Forbach leben, nach Angaben der Stadt selbst, unterhalb der Armutsgrenze. Die Kriminalitätsrate ist 2023, im Vergleich zum Vorjahr um gut drei Prozent gestiegen. Vor allem Wohnungseinbrüche, aber auch sexuelle Übergriffe haben massiv zugenommen.

Pfeffer verspricht den Menschen seines Wahlkreises härtere Strafen für Täter, mehr Polizei mit besserer Ausstattung, einen höheren Mindestlohn und die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, Benzin und Diesel.

Das tut er persönlich. Im kurzen Wahlkampf war er viel unterwegs. Auf den Märkten und Festen in seinem Wahlkreis. Überall hat er das direkte Gespräch mit den Menschen gesucht – und sie mit ihm.

Das kommt an. 50,9 Prozent holte Kévin Pfeffer. Der konservative Bürgermeister von Forbach, Alexandre Cassaro, der von Macrons Parteienbündis Ensemble unterstützt wurde, landete mit 21 Prozent noch knapp hinter der Kandidatin des neuen linken Bündnisses abgeschlagen auf Platz drei.

Loubet – ein nationales RN-Schwergewicht

In Saint-Avold lief es für den RN-Kandidaten Alexandre Loubet noch besser. Er wurde mit 53,33 Prozent im ersten Wahlgang direkt ins Parlament gewählt. Als ehemaliger Wahlkampfmanager der ehemaligen RN-Parteivorsitzenden Marine Le Pen genießt Loubet innerhalb des Rassemblement National ein hohes Ansehen.

Bei der Wahlentscheidung vieler Bürgerinnen und Bürger dürfte eben diese enge, persönliche Verbindung zur Parteispitze eine Rolle gespielt haben. Denn die kommt einem Versprechen gleich, dass sich der Kandidat ganz oben für die Belange der Menschen in seinem Wahlkreis einsetzen wird.

Sieben weitere RN-Kandidaten mit guten Chancen bei der Stichwahl in Moselle

Und auch in den restlichen Wahlkreisen unseres Nachbardépartements hat der RN gute Chancen, sich am kommenden Sonntag durchzusetzen, obwohl es eine Front von Links und Mitte-Parteien gegen die Extreme Rechte gibt.

Vier Kandidaten des Linksbündnisses haben ihre Kandidatur für den 2. Wahlgang zurückgezogen. Sie landeten nur an dritter Stelle. Doch genau in diesen Wahlkreisen treten nun Macrons Kandidaten gegen den RN an. Sie sind für viele Menschen in Moselle nicht wählbar. Zwei weitere Duelle in Moselle werden zwischen dem RN und den konservativen Les Republicains (LR) ausgetragen.

Parlamentswahl Frankreich: Rassemblement National wird stärkste Kraft

Noch bei den vergangenen Parlamentswahlen vor zwei Jahren wären diese Duelle mit großer Wahrscheinlichkeit gut für die LR ausgegangen. Nun aber rufen so viele Menschen nach dem veritablen politischen Wechsel und damit nach dem RN, der Partei, die noch nie regiert hat.

Im Wahlkreis Florange tritt die links-außen Partei La France Insoumise (LFI) gegen die extreme Rechte an. Die Partei ist zwar Teil des neuen Linksbündnisses, aber der problematischste Part im Gefüge. Denn einige LFI-Politiker gelten als anti-europäisch, russlandnah, teils sogar als antisemitisch.

Präsident Macrons Parteienbündnis hat die Partei im Wahlkampf immer wieder heftig attackiert, daher auch noch keine generelle Wahlempfehlung im Fall der LFI-RN Duelle ausgesprochen. Und auch für konservative Wähler ist die Partei ein rotes Tuch. Daher überrascht es nicht, dass der konservative Bürgermeister von Florange, Rémy Dick öffentlich erklärt hat, er werde für den RN-Kandidaten Laurent Jacobelli stimmen.

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