Schallplatten Vinyl Presswerk Randmuzik

Sachsen Einmal Vinyl, immer Vinyl: Seit 25 Jahren Schallplatten made in Leipzig

Stand: 28.12.2024 14:00 Uhr

Anfang der 1990er-Jahren schien die Schallplatte ausgedient zu haben. Doch Totgeglaubte leben länger: Seit einigen Jahren feiert die Schallplatte ihr Comeback. Große und kleine Label bringen alte musikalische Schätze neu auf Vinyl heraus. Für junge Musikerinnen und Musiker ist es ein Erlebnis, ihr frisch gepresstes Album auf Vinyl in den Händen zu halten. Wie kommt die Musik eigentlich auf die Platte?

Von Konstantin Henß, MDR SACHSEN

Seit ich denken kann, begleitet mich Musik durch mein Leben: von der musikalischen Früherziehung im Kindergarten, über den ersten eigenen MP3-Player bis hin zum Schlagzeugunterricht. Als Kind der "Nullerjahre" haben mich dabei digitale Tonträger wie die CD immer begleitet. Doch mein Herz hängt nach wie vor an der Schallplatte. Für die einen ist das Nostalgie, für andere die angeblich bessere Audioqualität. Aber eins ist klar: einmal Vinylliebhaber, immer Vinylliebhaber.

So wie mir, geht es auch Gunnar Heuschkel aus Leipzig. Mit seinem langjährigen Freund Jan Freund gründet er noch während seines Maschinenbaustudiums 1996 den Musikverlag R.A.N.D. MUZIK, sehr zum Leidwesen seiner Eltern, wie Heuschkel erzählt.

Zum Ärger unserer Eltern haben wir uns schon eine etwas verrückte Branche rausgesucht. Gunnar Heuschkel | Inhaber Randmuzik

Mauerfall, Wende, Techno

Von Beginn an eint die zwei die Liebe zur Schallplatte und die "neue Musik, die uns zur Wendezeit so eingeholt hat", wie Heuschkel den aus dem Westen kommenden elektronischen Sound nennt. Er meint damit Techno. Eine Musikrichtung, die in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre durch die Vermischung verschiedener Musikrichtungen wie Funk, Acid House und Industrial entstand. Die konsequente Weiterentwicklung von Drumcomputern, Synthesizern und Sequencern machte es möglich.

Solche Musik wurde oftmals auf illegalen Partys gespielt, sogenannten "Underground Partys" oder auch "Raves". Der erste kommerzielle Techno-Club Leipzigs, die BASIS, öffnete 1992. Im selben Jahr wie die Distillery, einem der ältesten Clubs in den neuen Bundesländern und bis heute aktiv. Gunnar Heuschkels Heimatort Leipzig war auch damals schon fest in der Szene verankert.

Er und seine Studienfreunde erlebten diese Zeit hautnah. "Wir waren viel unterwegs auf Partys". Die Wende sei für sie eine wahnsinnig aufregende Zeit gewesen.

Die Wende war für uns alle eine wahnsinnig aufregende Zeit. Gunnar Heuschkel | Inhaber Randmuzik

Damals wie heute prägen diese Musik DJs. Namen wie Westbam, Sven Väth und Dr. Motte waren feste Größen. Sie waren auch der Grund, warum die Schallplatte auch in dieser Zeit nie ganz verschwand. Anfang der 1990er-Jahre setzte sich die sogenannte Compact Disc, auch CD genannt, immer mehr durch. Doch Gunnar Heuschkel und sein Team blieben der Szene treu und setzten auch bei ihren künftigen Unternehmungen auf Vinyl.

Vom Verlag zum Presswerk

Aus dem Musikverlag wurde mit der Zeit ein Label, dass eigene Musik vertrieb. In dieser Zeit reifte laut Gunnar Heuschkel auch die Idee, eben diese in Eigenregie auf Platte zu pressen. Im Jahr 2000 wird die erste Schallplatte gepresst - natürlich eine Techno-Platte. Seine musikalischen Wurzeln nicht verraten, das, sagt Heuschkel, sei ihm immer wichtig gewesen. Deshalb pressten sie anfangs keine Musik, die ihnen selbst nicht gefiel.

Anfangs hatten wir solche Flausen im Kopf. Da haben wir Musik nicht hergestellt, die uns nicht gefallen hat. Gunnar Heuschkel | Inhaber Randmuzik

Doch so etwas könne er heute nicht mehr machen. Die Auftragslage sei zwar gut, trotzdem wolle er potentielle Kunden nicht verprellen. Bis auf einen Kundenkreis: die Major Labels.

Unabhängig und mittelständig

Unternehmen, die Tonträger produzieren und veröffentlichen, gibt es weltweit viele. Drei davon sind so groß, dass sie in rund drei Viertel des Musikmarktes beherrschen - die sogenannten Major Labels: Universal, Sony Musik und Warner. Wer hier unter Vertrag genommen wird, kann sich genügend Werbung und Verkäufen eigentlich sicher sein. Doch für kleinere Bands, die Musik produzieren, die eher eine Nische bedient, sind solche Big Player meistens keine Option. Das haben auch die Macher von Randmuzik erkannt und setzten darauf: sie produzieren Musik für die Punkband und den DJ um die Ecke. In der Branche werden sie auch "Independent Labels" genannt.

Laut Gunnar Heuschkel hat sich dieser Weg bisher auch als der bessere erwiesen. Der Umgang mit den Kundinnen und Kunden sei freundlicher und der Druck, möglichst günstig und in rauen Menge zu produzieren, bliebe aus.

Von so großen Firmen wird man ja üblicherweise durchleuchtet und preislich unter Druck gesetzt. Deswegen haben wir immer die Independents bedient. Gunnar Heuschkel | Inhaber Randmuzik

Pressen will gelernt sein

Bei unserem Rundgang wird schnell deutlich, wie sehr Gunnar Heuschkel für seine Arbeit brennt, aber auch, wie schwierig es ist, als Laie alles zu verstehen. Heuschkel kennt sich mit den Fertigungsschritten gut aus. Das sei zu Beginn seiner Unternehmenstätigkeit anders gewesen. "Wir haben auch viel Lehrgeld am Anfang bezahlt", so Heuschkel. Vieles sei "learning by doing gewesen", da es den Ausbildungsberuf des Schallplattenpressers nie gegeben hat und bis heute nicht gibt.

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Gunnar Heuschkel kennt sich aus in seinem Beruf und kann hier so gut wie jede Maschine auch selbst bedienen.

Von Müttern, Vätern und Söhnen

Für mich sind viele der genannten Begrifflichkeiten eher Fremdwörter. So viel habe ich verstanden: Die abgemischte Musik wird mit Hilfe einer Schallplattenschneidemaschine in den Lack einer beschichteten Folie geschnitten. Diese Lackplatte wird dann mit Silber beschichtet und verkupfert. Damit entsteht ein Negativ der eingeschnittenen Musik, der "Vater".

Von diesem werden mehrere Positive hergestellt, die "Mütter". All diese Schritte dienen unter anderem dazu, dass man später noch einmal Nachpressungen genau dieser Musik machen kann. Die eigentliche Vorlage, aus der später die fertigen Schallplatten aus Polyvinylchlorid (PVC) gepresst wird, nennt man "Söhne". Diese werden aus den Müttern hergestellt. Um die Haltbarkeit der Söhne zu erhöhen, werden diese verchromt.

Laut Gunnar Heuschkel ist in den 1970ern noch das sogenannte DMM-Verfahren hinzugekommen. Dabei wird die Musik nicht auf eine Lackplatte, sondern direkt auf Kupferschicht geschnitten, die in einer Edelstahlplatte steckt. Von dieser Platte können unmittelbar die "Söhne" produziert werden, was Arbeitsschritte erspart, lerne ich.

Bis zu 10.000 Platten pro Tag

Die Leipziger nutzen beide Verfahren. Insgesamt können damit zwölf unterschiedliche Platten gedruckt werden, bis zu einer Stückzahl von 10.000. Doch nach dem Pressen hört es noch nicht auf. Im ersten Obergeschoss der Fabrik werden die Platten in ihre Innenhüllen, Sleeves genannt, gepackt. Anschließend werden sie in die bunt bedruckten Außenhüllen gesteckt und verschweißt.

Aus alt macht neu

Vollgepackt mit jeder Menge Informationen und Eindrücken laufen Gunnar Heuschkel und ich zurück in sein Büro, als mir ein riesiger Sack voll kleiner, runder Teile auffällt. Alle in unterschiedlichen Farben. Neugierig wie ich bin, drückt Gunnar mir ein paar dieser Teile in die Hand. Das sind ja gehäckselte Schallplatten, staune ich. "Die sind für unser eigens ausgedachtes Produkt: die Ökoplatte", erzählt Heuschkel.

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So sieht das recycelte Granulat aus, aus dem später die Ökoplatten gepresst werden.

Leute, die Schallplatten zu Hause haben, die sie nicht mehr wollen, können die in Plattenläden abgeben. Heuschkels Team sammelt sie ein, stanzt das bedruckte Label in der Mitte heraus und zerhäckselt den Rest. Daraus werden dann Platten mit sämtlichen Farbresten, "wodurch Pressungen mit einmaligen Mustern entstehen".

Wer die reine Ökoplatte bestellt, der kriegt alles, was kommt an Farben. Die sieht dann meistens ziemlich bunt gemischt aus. Gunnar Heuschkel | Inhaber Randmuzik

Unter einigen Schallplattenliebhabern sei das Recycling alter Platten verpönt, erzählt Gunnar Hauschkel. Er ist der Meinung, dass die Qualität der Musik darunter weniger bis gar nicht leide. Außerdem müsse man auch an die Umwelt denken. Wo man eine Art Kreislaufwirtschaft etablieren kann, solle man es auch versuchen.

Daher beendet er unser Interview mit dem Aufruf, alte Schallplatten nicht im Restmüll zu entsorgen, sondern sie stattdessen zu recyceln.

Bringt eure Platten nicht auf den Wertstoffhof, sondern zu einem Recycler um die Ecke. In dem Fall euren lokalen Plattenhändler. Gunnar Heuschkel | Inhaber Randmuzik