Hyparschale saniert (18.6.2024)

Sachsen-Anhalt Sanierung abgeschlossen: Hyparschale in Magdeburg offiziell wiedereröffnet

Stand: 21.06.2024 16:41 Uhr

Nach mehr als vier Jahren Bauzeit sind die Arbeiten an der Hyparschale in Magdeburg nun abgeschlossen. Das Baudenkmal des 2007 verstorbenen Bauingenieurs Ulrich Müther ist ein Beispiel dafür, wie in der DDR neue Arten des Bauens umgesetzt wurden.

Von Moritz Arand, MDR SACHSEN-ANHALT

Fast 20 Jahre lang stand die Hyparschale von Bauingenieur Ulrich Müther in Magdeburg leer. Das markante Gebäude ist ein Beispiel für die zahlreichen Bauten der Architektur der Nachkriegsmoderne und steht seit 1990 unter Denkmalschutz. Nach über vier Jahren Sanierung, die rund 25 Millionen Euro gekostet hat, ist die Halle am Donnerstag offiziell wiedereröffnet worden. Nun können wieder Veranstaltungen in der Halle stattfinden. Den Auftakt macht eine Ausstellung über die Streetart-Ikone Banksy im Juli. Ab 1. Juli wird die Hyparschale für die öffentliche Nutzung freigegeben.

Aus der Not eine Tugend machen

Dass die Halle wieder genutzt werden kann, ist auch der Architektin Sophie von Mansberg und dem Architekten Christian Hellmund zu verdanken. Das Projekt sei eine große Herausforderung gewesen, sagt Hellmund im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. "Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht. Die ungewöhnliche Aufgabe war, viele kleine Räume zu schaffen und gleichzeitig die Halle zu erhalten. Das schien zunächst unmöglich." Auch die Sanierung des Daches mit Carbonbeton sei eine große Herausforderung gewesen.

Als Lösung für das Raumproblem wurden die 15x15 Meter großen Räume in die Ecken gebaut und durch Galerien miteinander verbunden. "So konnte auch eine neue Ebene geschaffen werden, um das Gebäude anders zu erleben", meint Hellmund. Von den Galerien in die große Halle zu schauen, sei etwas "Besonderes und Bereicherndes". Bis zu 500 Personen haben der Stadt zufolge in der Halle Platz.

Hyparschale saniert (18.6.2024)

Licht, Luft und Sonne: In der neuen Hyparschale können die Gäste nach draußen schauen.

Neue Erinnerungen schaffen

Beide Architekten sind mit dem Ergebnis der Sanierung zufrieden. Sophie von Mansberg ist noch gespannt, wie die Magdeburgerinnen und Magdeburger reagieren. "Jeder soll in der Hülle etwas wiedererkennen und neue Erfahrungen und Erinnerungen teilen", sagt sie.

Der auffälligste Unterschied zum "alten" Gebäude ist laut Hellmund die transparente Fassade. "Früher war die Hyparschale als Ausstellungsgebäude konzipiert und wirkte daher etwas dunkel." Jetzt könnten die Besucherinnen und Besucher in den Park und auf die Stadtlandschaft schauen. Außerdem sei durch die Transparenz der eigentliche Müther-Bau wieder stärker in den Vordergrund gerückt, ergänzte von Mansberg.

Hintergrund zur Hyparschale in Magdeburg

Die Hyparschale wurde 1969 nach Plänen des Bauingenieurs Ulrich Müther als Messe- und Ausstellungszentrum für Magdeburg errichtet. Die 48x48 Meter freitragende Dachkonstruktion ist eine Besonderheit des Baus. Seit 1998 steht die Hyparschale unter Denkmalschutz. Seit 1997 war die Hyparschale ungenutzt und verfiel immer mehr.

2017 erhielt das Architekturbüro gmp von der Landeshauptstadt Magdeburg den Auftrag zur Sanierung. Kurz zuvor hatte der ehemalige Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper verkündet, dass die Landeshauptstadt den Umbau der Hyparschale umsetzen wird. Die Bauarbeiten zur Sanierung und Modernisierung konnten am 3. Dezember 2019 beginnen. Richtfest war am 12. Oktober 2021. Im Mai 2023 begannen die Innenausbauarbeiten.

Müthers Erbe in Magdeburg

Die ursprüngliche Halle wurde nach Plänen des in Binz geborenen Bauingenieurs Ulrich Müther errichtet. Müther, der so markante Gebäude wie den Teepott in Warnemünde oder das bereits abgerissene Restaurant "Ahornblatt" in Berlin schuf, hat mit dem Vorbau des ehemaligen RFT-Fachmarktes in der Innenstadt oder einem Blumenpavillon in Stadtfeld weitere architektonische Spuren in Magdeburg hinterlassen. Auch das Fahnenmonument am Elbweg hat Müther in Zusammenarbeit mit Horst Freitag nach Entwürfen des Künstlers Joachim Sendler umgesetzt. Weniger bekannt ist die Börde Stube, die mittlerweile abgerissen wurde. Die Gaststätte Kosmos in Magdeburg Reform gibt es heute noch. Heute ist eine Apotheke in dem Gebäude.

Seit 2006 lagert der Nachlass des 2007 verstorbenen Bauingenieurs an der Hochschule Wismar. Im Jahr 2022 wurde dort das Müther-Archiv gegründet, um den Nachlass der Wissenschaft und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Leiter des Archivs ist Matthias Ludwig. Im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT sagt er, dass Müther mit dem restaurierten Nachlass sicher zufrieden gewesen wäre. "Müther akzeptierte pragmatische Lösungen, war bescheiden und zurückhaltend", sagt Ludwig, der den Bauingenieur noch kennenlernen durfte.

Matthias Ludwig Leiter Müther-Archiv Wismar

Matthias Ludwig leitet das Müther-Archiv in Wismar.

Kompromisse mit der Neuzeit

Was bei der Sanierung passiert sei, sei "kein radikaler Eingriff in die Bausubstanz", sagt Ludwig. "Der Raum ist erhalten geblieben, das ist gut gelungen." Durch die neue Verkleidung der Fassade wirke das Gebäude nun glatter. Das habe den Charakter verändert und an die Neuzeit angepasst. "Das sind Kompromisse, die man für die neue Nutzung eingehen muss", sagt er.

Das Besondere an der Hyparschale seien die vier so genannten hyperbolischen Paraboliden, die zusammen die "Klettblattform" des Hallendaches bilden, erklärt Ludwig. Bei Müthers zweitgrößtem Bauwerk sei vor allem die Dimension beeindruckend. Doch nicht nur das Bauwerk beeindruckt Ludwig. "Der Ort ist sagenhaft. Nicht nur das Gebäude, sondern auch die Umgebung mit Elbe, Stadthalle und Park. Wichtig ist auch die Verbindung zur Altstadt über die Hubbrücke."

Ein Einzelgänger mit Langzeitwirkung

Für Müthers Bauten sei es nach der Wende oft schwierig gewesen, eine neue Nutzung zu finden, sagt Ludwig. "Große kahle Räume muss man erstmal füllen können. Das war auch in Magdeburg das Problem." Das jetzige Konferenzzentrum sei eine gute Lösung. Ob es angenommen werde, müsse sich noch zeigen.

Architekt Ulrich Müther (GER) vor der von ihm entworfenen Rettungsstation 1 in Binz, 2001.

Bauingenieur Ulrich Müther war in der DDR für seine Schalenbauten bekannt.

Dass viele der Müther-Bauten heute noch stehen, sei auch der Verwaltung zu verdanken, so Ludwig. Diese hätten nach der Wende schnell den Wert erkannt und die Bauten unter Denkmalschutz gestellt. Denn Müther habe in der DDR eine "Ausnahmestellung" gehabt, sagt der Archivleiter. "Er wohnte auf Rügen, weit weg vom Schuss, hatte dort seinen Betrieb und stand nicht unter Beobachtung." Diese Abgeschiedenheit habe er für sein experimentelles Bauen nutzen können und seine Schalentechnik entwickelt. "Damit war er ein Einzelgänger in der DDR."

Ulrich Müther

Ulrich Müther wurde am 21. Juli 1934 in Binz auf Rügen geboren. Da sein Vater Architekt und Bauunternehmer war, blieb ihm das Abitur verwehrt. Müther lernte zunächst Zimmermann, studierte dann Bauingenieurwesen in Neustrelitz und trat 1958 als technischer Leiter in den inzwischen volkseigenen Familienbetrieb ein. Nach Feierabend tüftelte er an seinen Spannbeton-Dachkonstruktionen, erhielt Mitte der 1960er Jahre erste Aufträge und entwarf in der Folge zahlreiche Prestigebauten des Sozialismus – darunter Gaststätten, Musikpavillons, Eisdielen, Haltestellenhäuschen, Sporthallen und Planetarien. Müthers Markenzeichen waren Dachkonstruktionen aus Spritzbeton. Bis 1989 realisierte er rund fünfzig Bauten mit den markanten Dachkonstruktionen. Auch in Jordanien, Kolumbien, Kuwait und Finnland stehen Bauten von Müther. Mitte der 1980er Jahre baute er ein Planetarium in Wolfsburg. Am 21. August 2007 starb der "Landbaumeister von Rügen" in seinem Geburtsort Binz.

MDR (Moritz Arand, Heiko Kunzmann), zuerst veröffentlicht am 20.06.2024