Wirtschaftsweise Grimm für Änderung Kritik nach Renten-Vorstoß
Nimmt die Lebenserwartung zu, sollen die Menschen länger arbeiten: Das schlägt Ökonomin Grimm vor und stößt damit auf Zurückhaltung. "Man kann das Rentenalter nicht pauschal erhöhen", sagt etwa der CDU-Generalsekretär.
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm erntet mit ihrem Vorschlag, das gesetzliche Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln und damit zu erhöhen, verhaltene Reaktionen. So sagte der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Die Politik braucht den Mut zu differenzierten Lösungen. Man kann nicht pauschal das Rentenalter erhöhen."
Es gäbe Menschen, die bei steigender Lebenserwartung länger arbeiten könnten. "Es gibt aber auch sehr viele, die schon mit 60 aus körperlichen Gründen nicht mehr können - ob etwa in der Pflege oder im Handwerk", sagte der Unionspolitiker weiter.
Grimm sieht es als notwendig an, das gesetzliche Rentenalter weiter anzuheben. "Man sollte die Regelaltersgrenze für den Renteneintritt an die Lebenserwartung koppeln", hatte sie am Wochenende den Funke-Zeitungen gesagt. Das Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft präzisierte, wie dieser Schritt aussehen könnte. "Das gesetzliche Renteneintrittsalter wird bis 2031 auf 67 Jahre erhöht. Dabei kann es aber nicht bleiben. Die Formel in Zukunft könnte sein: Nimmt die Lebenserwartung um ein Jahr zu, so würden zwei Drittel des zusätzlichen Jahres der Erwerbsarbeit zugeschlagen und ein Drittel dem Ruhestand", so Grimm. Sie betonte allerdings, dass es bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen Ausnahmen geben müsse.
FDP: "Allenfalls mit längeren Übergangsfristen"
Zurückhaltend zu diesem Vorschlag äußerte sich auch der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Pascal Kober: "Die Erhöhung des Renteneintrittsalters kommt allenfalls mit längeren Übergangsfristen in Betracht, denn Menschen planen ihre Rentenphase langfristig", sagte er den Funke-Zeitungen. "Politik muss langfristigen Lebensplanungen gegenüber verlässlich sein." Doch müsse das freiwillige Arbeiten jenseits der Altersgrenze attraktiver und unbürokratischer werden, forderte Kober. "Hier müssen Grüne und SPD ihre Blockade aufgeben und arbeitsrechtlich pragmatische Lösungen mit uns auf den Weg bringen."
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte kritisierte den Vorstoß beim Kurznachrichtendienst X als "zutiefst ungerecht": "Gut bezahlte Wirtschaftsweise fordern ein höheres Renteneintrittsalter weil 'wir' immer länger leben - und verkennen dabei, dass die ohnehin schon große Kluft zwischen Arm und Reich bei der Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten weiter gewachsen ist", schreibt der SPD-Politiker. "Eine automatische Koppelung des Renteneintrittsalters an den Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung wäre also zutiefst ungerecht."
Scholz: "Fünf Jahrzehnte Arbeit - das ist genug"
Bereits am Donnerstag hatte Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Bürgerdialog in Erfurt gesagt, dass es wegen der wachsenden Bevölkerung und der Beschäftigtenzahlen nicht für notwendig halte, das Renteneintrittsalter über 67 Jahre hinaus anzuheben. "Wer jetzt mit 17 die Schule verlässt, hat fünf Jahrzehnte Arbeit vor sich. Ich finde, das ist genug." Wenn jemand länger arbeiten wolle, solle er das tun können - "aber nicht, weil er muss, sondern weil er oder sie kann".
Dieser Haltung schloss sich auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil an: "Das ist eine absolut belastbare Aussage", sagte der SPD-Politiker der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die Situation der Rentensysteme habe sich aufgrund der starken wirtschaftlichen Entwicklung "deutlich positiver entwickelt, als man es noch vor zehn Jahren gedacht hätte. Das System funktioniert".