Debatte um russische Deserteure Faeser offen für Asyl
Nach der Mobilmachung haben viele Russen Angst, zum Kriegsdienst eingezogen zu werden - und versuchen deshalb, das Land zu verlassen. Innenministerin Faeser erklärte nun, Deserteure könnten in Deutschland Asyl beantragen.
Russische Deserteure, denen schwere Repressionen drohen, sollen "im Regelfall" internationalen Schutz in Deutschland erhalten - das sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Wer sich dem russischen Regime entgegenstelle und daher "in größte Gefahr" gerate, könne Asyl wegen politischer Verfolgung beantragen. Die Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sei bereits entsprechend angepasst. Die Erteilung von Asyl sei jedoch eine Einzelfallentscheidung, in deren Rahmen auch eine Sicherheitsüberprüfung erfolge.
Schon seit Monaten nehme Deutschland russische Regimekritiker auf, die verfolgt und bedroht würden, ergänzte die Ministerin. Die immer brutalere Aggression Russlands gegen die Ukraine werde von immer stärkerer Repression nach innen begleitet, insbesondere gegen die Presse, gegen Menschenrechtler und Oppositionelle. Die "grenzenlose Menschenverachtung" des russischen Präsidenten Wladimir Putin mache vor den eigenen Soldaten nicht halt, so Faeser.
"Wer Putins Weg hasst, ist willkommen"
Nach der vom Kreml verkündeten Einberufung von 300.000 Reservisten versuchten am Mittwoch viele junge Männer, sich aus Russland abzusetzen. Flüge ins Ausland waren schnell ausgebucht. Die Koalitionspartner FDP und Grüne hatten daraufhin gefordert, russische Deserteure aufzunehmen. Bundesjustizminister Marco Buschmann erklärte: "Wer Putins Weg hasst und die liberale Demokratie liebt, ist uns in Deutschland herzlich willkommen."
Auch eine Sprecherin der EU-Kommission betonte am Donnerstag, Betroffene hätten das Recht, einen Asylantrag in der EU zu stellen. Grundsätzlich müssten dabei auch Sicherheitsaspekte berücksichtigt werden. Man arbeite mit den EU-Staaten daran, einen gemeinsamen Ansatz zu finden. Schon zu Kriegsbeginn hatten auch Kirchenvertreter gefordert, dass Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern aus Russland, der Ukraine und Belarus hierzulande Asyl gewährt werden solle. Der drohende Wehrdienst wird beispielsweise auch von Asylbewerbern aus Eritrea häufig als Fluchtgrund angeführt.
Osteuropäer gegen Asyl für Deserteure
Tschechien sieht das jedoch anders: Die Regierung in Prag gewährt Russen, die den Kriegsdienst in der Ukraine verweigern wollen, keine Zuflucht. Er verstehe, dass Russen vor den "immer verzweifelteren Entscheidungen" Putins aus ihrem Land flüchteten, sagte der tschechische Außenminister Jan Lipavsky. Wer den Pflichten gegenüber seinem eigenen Staat nicht nachkommen wolle, erfülle damit aber noch nicht die Bedingungen für die Erteilung eines humanitären Visums. Auch die drei Baltenstaaten Estland, Litauen und Lettland wollen Russen auf der Flucht vor dem Einzug zum Militär kein automatisches Asyl gewähren.
NGOs fordern Einreisewege
Unterdessen warnte das Kriegsdienstverweigerungs-Netzwerk "Connection" vor den Gefahren durch die Teilmobilmachung. "Niemand zwischen 18 und 60 Jahren kann mehr sicher sein in Russland, dass er nicht eingezogen wird", sagte Rudi Friedrich von "Connection" den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Derzeit erreichten den Verein zahlreiche Anfrage von Russinnen und Russen aus Deutschland, die sich um ihre Verwandten in Russland sorgten. Viele seien verunsichert: "Es herrscht Unklarheit, wer nun eingezogen werden soll und wer nicht - oder noch nicht." Deutschland dürfe in diesen Fällen nicht darauf beharren, "dass formale Dokumente wie der Einberufungsbefehl vorliegen", mahnte der Friedensaktivist.
Auch die Organisation Pro Asyl kritisierte, es müssten Einreisemöglichkeiten für Betroffene geschaffen werden. "Wenn man ihnen Schutz gewähren will, muss man ein Verfahren etablieren, wie diese Menschen die europäischen Außengrenzen übertreten können", sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Ein gangbarer Weg wäre etwa die Erteilung humanitärer Visa an betroffene Russen, denen die Ausreise in Länder wie Georgien oder die Türkei gelungen sei.