Aufgeblähter Bundestag Schäuble erntet Widerspruch für "Notlösung"
Im Bundestag sitzen deutlich mehr Abgeordnete als vorgesehen. Mit der nächsten Wahl könnten es noch mehr werden. Bundestagspräsident Schäuble schlug nun eine "Notlösung" vor - und erntete harsche Kritik.
Die Debatte über eine Wahlrechtsreform dauert mittlerweile mehrere Jahre an. Nun hat Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble einen Vorstoß für eine "Notlösung" unternommen und damit umgehend Kritik auf sich gezogen. Der CDU-Politiker schlug eine Deckelung der Zahl der Sitze im Parlament vor. Eine Verringerung der Zahl der Wahlkreise hält er bis zur nächsten Wahl 2021 für nicht mehr realisierbar.
Bisher hatten sich CDU und CSU geweigert, die Zahl der Wahlkreise zu verringern. Beide Parteien verfügen über viele Direktmandate. Eine Reduzierung der Zahl der Wahlkreise sei rein rechtlich vielleicht machbar, sagte Schäuble dem "Tagesspiegel". "Aber faktisch ist es zu spät dafür."
Schäuble erwartet Entscheidung
"Ich habe die Fraktionsvorsitzenden jetzt nochmals daran erinnert, dass ich weiterhin eine Entscheidung des Parlaments erwarte - wenigstens eine Notlösung für die nächste Wahl, damit es am Ende nicht doch 800 Abgeordnete werden", so Schäuble weiter.
Im Bundestag sollten eigentlich nur 598 Abgeordnete sitzen - seit der Bundestagswahl 2017 sind es 709 Parlamentarier. Grund dafür ist das Wahlrecht: Erhält eine Partei mehr Direktmandate, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis Sitze zustehen, darf sie diese als Überhangmandate behalten, die anderen Parteien erhalten dafür Ausgleichsmandate. Mit der nächsten Bundestagswahl 2021 könnten sogar 800 Abgeordnete im Bundestag sitzen, kommt es zu keiner Reform.
Angesprochen auf ein SPD-Modell aus dem Februar, mit einem Deckel die Zahl der Mandate auf 690 zu begrenzen und Überhangmandate nicht zuzuteilen, sagte Schäuble: "Wenn man noch etwas schafft - und zwar als Einmallösung für die nächste Wahl - dann kann es nur noch eine solche Deckelung sein. Für eine Wahl lässt sich das in der aktuellen Situation vertreten."
Grüne fürchten "Verzerrung"
Die Grünen forderten daraufhin, noch in dieser Wahlperiode zu einer Änderung des Wahlrechts zu kommen. Ihre Erste Parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann sagte der dpa, man dürfe in dieser Hinsicht nichts unversucht lassen. "Was allerdings nicht geht, ist, einfach die Anzahl der Abgeordneten durch einen festen Deckel zu begrenzen und alles andere im Wahlrecht so zu lassen, wie es ist. Das würde die Zusammensetzung eines neu gewählten Bundestages erheblich verzerren."
Grundlage einer Lösung müsse das personalisierte Verhältniswahlrecht sein. "Der Grundsatz, jede Stimme ist uns gleich viel wert, darf seine Gültigkeit nicht verlieren."
Linke werfen Union Blockadehaltung vor
Linksfraktionschef Dietmar Bartsch warnte in der "Süddeutschen Zeitung", die Corona-Krise dürfte nicht zum Alibi für das Aussetzen der notwendigen Wahlrechtsreform werden. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode habe die Große Koalition eine Reform verhindert, "das sollte sich nicht wiederholen".
FDP, Linke und Grüne hatten bereits im vergangenen Jahr einen gemeinsamen Vorschlag vorgelegt, mit dem unter anderem die Zahl der Wahlkreise sinken soll. CDU und CSU wehren sich aber dagegen, die Zahl der Wahlkreise oder der Direktmandate zu verringern. Sie werben stattdessen dafür, für einen Teil der anfallenden Überhangmandate keine Ausgleichsmandate zu gewähren - was jedoch bei den anderen Parteien auf Ablehnung stößt.
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus sagte der "Süddeutschen Zeitung", es gebe momentan "sehr unterschiedliche Positionen." Die Wahlrechtsreform müsse aber kommen. "Wir arbeiten weiter daran, eine Lösung zu finden", so Brinkhaus.