Sondervermögen im Bundesetat Die Milliarden im Schatten der Haushalte
Seit der Deutschen Einheit nutzten Haushaltspolitiker sie als zusätzliche Geldquelle - Sonderfonds, sogenannte "Schattenhaushalte". Seit Jahresanfang geht das nicht mehr. tagesschau.de gibt einen Überblick über die verbliebenen Schattenhaushalte im Bundeshaushalt.
Von Anna-Mareike Krause, tagesschau.de
Man kennt sie unter Bezeichnungen wie "Schattenhaushalt" oder "Nebenhaushalt": Die Sondervermögen oder Sonderfonds des Bundes. Dabei handelt es sich um aus dem Bundeshaushalt ausgegliederte einzelne Geldtöpfe, die aus unterschiedlichen Quellen gefüllt werden, aus dem staatlichen Haushalt, durch Kredite oder durch Sonderzahlungen der Wirtschaft.
Anders als die Bezeichnung "Schattenhaushalt" vermuten ließe, sind diese Sonderfonds dem Parlament bekannt. So muss der Bundestag jedem einzelnen dieser Fonds zustimmen, außerdem werden die Sondervermögen in der Haushaltsvorlage aufgeführt - zwar nicht als Einzelposten, sondern als Anlage. Zudem werden die Fonds von Mitgliedern des Bundestages überwacht.
Die Geldquelle versiegt
Solche Sondervermögen waren bisher besonders deshalb interessant, weil sie bei der Neuverschuldung nicht mit eingerechnet wurden. Im Rahmen der gesetzlichen Schuldenbremse ist das nun anders: Sondervermögen unterliegen seit dem 1. Januar 2011 zusammen mit dem Kernhaushalt einer gemeinsamen Nettokreditaufnahme. Der wesentliche Vorteil, den Sonderfonds also für Haushaltspolitiker hatten - Geld auszugeben, ohne die Neuverschuldung zu erhöhen - ist nun aufgelöst. Es ist damit ein auslaufendes Modell, in Deutschland gibt es nur noch wenige solcher Fonds.
Finanzmarktstabilisierungsfonds SoFFin
Der bekannteste ist vermutlich der Finanzmarktstabilisierungsfonds SoFFin, ein Teil des sogenannten Bankenrettungspaketes. Der Fonds ist ermächtigt, Garantien in Höhe von bis zu 400 Milliarden Euro auszusprechen. Sollten solche Bürgschaften tatsächlich fällig werden, beispielsweise weil Banken ihre Kredite nicht tilgen, darf der Bund Sonderkredite aufnehmen. Zahlungen in Höhe von 49,9 Milliarden Euro wurden bisher abgerufen und aus Bundesmitteln bewältigt. Seit dem 1. Januar 2011 werden keine neuen Garantien oder Zahlungen durch den Fonds mehr bewilligt.
Die größten Einzelposten dieses Fonds sind die Zahlungen an Commerzbank und Hypo Real Estate in den Jahren 2008 bis 2010. Die Commerzbank erhielt insgesamt 18,2 Milliarden Euro. Stille Einlagen von insgesamt 16,4 Milliarden Euro sollen mit neun Prozent jährlich verzinst werden, für insgesamt 1,8 Milliarden Euro kaufte der Bund 25 Prozent plus eine Aktie der Bank. Im Gegenzug schüttete die Commerzbank 2008 und 2009 keine Dividende aus, und stellte Sonderkredite in einer Gesamthöhe von 2,5 Milliarden Euro für den Mittelstand zur Verfügung. Die Commerzbank hat bereits mit der Rückzahlung dieser Gelder begonnen.
Der zweite große Einzelposten des SoFFin ist die Verstaatlichung der bankrotten Hypo Real Estate. Insgesamt 142 Milliarden Euro stellte der SoFFin als Garantieleistungen bereit, weitere 7,7 Milliarden Euro zahlte er an die Bank. Seit Oktober 2009 ist der Bund hundertprozentiger Anteilseigner der HRE, die größtenteils über eine sogenannte "Bad Bank" schonend abgewickelt werden soll. Derzeit ist dafür eine Laufzeit von 29 Jahren vereinbart. Der zuletzt vorgelegte Finanzplan sieht bis 2015 kein Defizit vor, trotzdem sind die tatsächlichen Kosten, die auf den Steuerzahler zukommen, nach Angaben von Experten frühestens in zehn Jahren absehbar.
Energie- und Klimafonds
Erst im vergangenen Jahr eingeführt wurde der Energie- und Klimafonds, ein Sonderfonds, der bis 2016 Projekte zum Energiewandel finanzieren soll. Ursprünglich sollten die Stromkonzerne im Gegenzug zur Laufzeitenverlängerung jährlich erst 300, dann 200 Millionen Euro in diesen Fonds zahlen, insgesamt 1,4 Milliarden Euro. Doch durch den kürzlich beschlossenen Ausstieg aus der Atomenergie fallen diese Zahlungen weg, weshalb der Bundestag nun beschloss, dass die Bundesregierung bei Bedarf bis zu 225 Millionen Euro in den Fonds zuzahlen darf.
Bisher hatten die Stromproduzenten erst 75 Millionen von für 2011 eingeplanten 300 Millionen Euro eingezahlt - wobei noch unklar ist, ob die Konzerne diese Gelder zurückfordern. Ab 2013 sollen dann alle Einnahmen aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten in diesen Fonds fließen. Finanziert werden sollen damit Maßnahmen zur Energieeffizienz, erneuerbare Energie, Klima- und Umweltschutz.
Dieser Fonds war ursprünglich eingerichtet worden, weil die Zahlungen der Stromkonzerne formal freiwillige Zahlungen sind, es aber nicht möglich ist, solche freiwilligen Zahlungen an den Bundeshaushalt zu überweisen.
Sonderfonds zum Ausbau der Kinderbetreuung
Der dritte verbliebene Sonderfonds ist vergleichsweise unkompliziert: der Sonderfonds zur Finanzierung des Ausbaus der Kinderbetreuung. Von der Großen Koalition beschlossen, läuft dieser von 2008 bis 2013. Aus Steuereinnahmen waren 2,15 Milliarden Euro in diesen Fonds eingezahlt worden, die alleine zum Ausbau der Kindertagesstätten verwendet werden dürfen.
Diese Investitionsmittel waren als Sondervermögen eingerichtet worden, weil das Grundgesetz dem Bund nicht erlaubt, Gelder direkt an Kommunen zu zahlen. Üblicherweise zahlt der Bund an die Länder, die verteilen dann an die Kommunen. Durch einen Sonderfonds jedoch kann der Bund Investitionsmittel gezielt an Kommunen richten. Diese Art des Fonds ist für den Steuerzahler die sicherste: Ein gewisser Betrag wird bereitgestellt, und solange investiert, bis er weg ist. Darüber hinaus gibt es keine Garantien oder andere Risiken. Sollte bis 2013 nicht der ganze Betrag investiert worden sein, fällt er dem Bundeshaushalt zu.
Investitions- und Tilgungsfonds
Der Investitions- und Tilgungsfonds (ITF) aus dem Konjunkturprogramm II lief zum 31. Dezember 2010 aus. Einzelne Maßnahmen aber, wie zum Beispiel das Investitionsvolumen in Schulen, werden noch abgewickelt. Insgesamt hatte dieser Fonds, aus dem auch die Abwrackprämie finanziert wurde, ein Volumen von 20,4 Milliarden Euro. Zudem gibt es noch kleinere Fonds, einer davon ist das European Recovery Programm, der Nachfolger des Marshallplans. Außerdem legt der Bund im Versorgungsfonds des Bundes Gelder für die Pensionszahlungen an seine Beamten zurück.
In den Neunzigerjahren gab es eine Vielzahl an Sondervermögen, eines davon war die Treuhand. Sie wurde gegründet, weil die Abwicklung der DDR von nur einem Ministerium kaum zu bewältigen gewesen wäre.
Auch das allererste Sondervermögen, das es in Deutschland jemals gab, hatte mit der Einheit zu tun, der "Sonderfonds Deutsche Einheit". Dieser war für den Staatshaushalt der bisher teuerste Sonderfonds. Zwischen 1990 und 1994 mit einem Gesamtvolumen von 160,7 Milliarden DM ausgestattet, umgerechnet 82,2 Milliarden Euro, wurden hier verschiedene Kosten der Wiedervereinigung zusammen gefasst: Der Eins-zu-Eins-Umtausch von Währung und Renten der DDR, die Übernahme der Schulden oder Investitionen in die Infrastruktur. Ende 2004 betrug diese Schuldenlast nach Angaben der Bundesbank insgesamt 38,6 Milliarden Euro. Zum 1. Januar 2005 wurde diese komplett in den Bundeshaushalt übernommen.