Reform des Sorgerechts Was ändert sich für ledige Väter?
Der Bundestag hat das Sorgerecht für nicht verheiratete Eltern neu geregelt: So wird unter anderem die Rolle der Väter künftig gestärkt. Doch wie sollen die konkreten Änderungen aussehen? Für wen gelten sie? Und wer profitiert am meisten davon? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wie war das Sorgerecht für nicht verheiratete Paare bisher geregelt?
Bislang stand bei unverheirateten Paaren der Mutter das alleinige Sorgerecht zu. Gegen ihren Willen konnte der Vater kein Mit-Sorgerecht erhalten. Nur wenn sich die Eltern einig waren und dies ausdrücklich erklärten, konnten beide das gemeinsame Sorgerecht bekommen.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht diese Regelung als "unverhältnismäßigen Eingriff in die Elternrechte des Vaters" gewertet hatte, trat im Juli 2010 eine Übergangslösung in Kraft: Seither konnte das Familiengericht dem Antrag des Vaters auf gemeinsames Sorgerecht auch ohne Zustimmung der Mutter stattgeben, wenn davon auszugehen war, dass dies dem Wohl des Kindes am besten diente. Dieses Überprüfungsprinzip bezeichnet man als die "positive Kindeswohlprüfung".
Was ändert sich durch die Reform des Sorgerechts?
Die Gesetzesänderung (pdf) legt unter anderem fest, dass der Vater die Mitsorge auch ohne Zustimmung der Mutter erhalten kann. Er muss dies beim Familiengericht beantragen - dort jedoch nicht mehr nachweisen, dass das gemeinsame Sorgerecht dem Kindeswohl zugute kommt. Vielmehr gilt das Prinzip der "negativen Kindeswohlprüfung": Die Richter sprechen den Eltern demnach das gemeinsame Sorgerecht zu, falls dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Das Gericht muss der Mutter vor seiner Entscheidung die Möglichkeit geben, innerhalb einer Frist von mehreren Wochen Einwände gegen das gemeinsame Sorgerecht vorzubringen. Falls die Mutter keine Gründe gegen das gemeinsame Sorgerecht vorträgt, soll das Gericht nach Aktenlage entscheiden - also ohne persönliche Anhörung der Eltern oder der Vertreter des Jugendamts.
Außerdem erhält der Vater durch die Reform die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung, durch die er das alleinige Sorgerecht ohne Zustimmung der Mutter erhalten kann, falls dies "dem Wohl des Kindes am besten entspricht".
Bekommen Unverheiratete automatisch gemeinsames Sorgerecht?
Nein. Die Mutter erhält das alleinige Sorgerecht, solange der Vater keinen Antrag auf ein gemeinsames stellt. Allerdings hat auch die Mutter das Recht, den Vater in die gemeinsame Sorge einzubinden. Trägt dieser dann "keine Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Pflichten entgegenstehen könnten" (Paragraph 1626 BGB) folgt das Gericht der "negativen Kindeswohlprüfung" und überträgt Vater und Mutter das gemeinsame Sorgerecht.
Wer profitiert von der Gesetzesänderung?
Die Reform des Sorgerechts stärkt vor allem die Rechte lediger Väter, die das gemeinsame Sorgerecht nun auch gegen den Willen der Mutter erhalten können. Das Gesetz soll aber auch dazu beitragen, die Situation des Kindes zu verbessern, indem beide Eltern gleichermaßen an der Erziehung beteiligt werden. Dies gilt auch für Kinder, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes - dem 1. Februar 2013 - geboren wurden.
Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2011 rund 225.000 Kinder nichtehelich geboren, was einem Anteil von 34 Prozent entspricht. In Ostdeutschland sind sogar 61 Prozent der Eltern zum Zeitpunkt der Geburt unverheiratet.
Wird es nun zu einer Flut von Neuverhandlungen kommen?
Experten bezweifeln das. Denn rund die Hälfte aller unverheirateten Paare einigen sich ohnehin auf das gemeinsame Sorgerecht. Unter die restlichen 50 Prozent fallen vor allem Väter, die gar kein Interesse daran haben, das Sorgerecht für ihre Kinder zu übernehmen. Somit bleibt also nur ein sehr kleiner Teil übrig, für den ein Rechtsstreit überhaupt in Frage käme.
Warum wird das Sorgerecht für unverheiratete Paare geändert?
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am 3. Dezember 2009 entschieden, dass die bisherige Regelung "den nicht mit der Mutter seines Kindes verheirateten Vaters in seinem Recht auf Achtung des Familienlebens diskriminiere."
Sechs Monate später erklärte das Bundesverfassungsgericht die alte Regelung für verfassungswidrig. Die Karlsruher Richter bezeichneten sie als "unverhältnismäßigen Eingriff in das Elternrecht des Vaters". Außerdem widersprachen sie der bisherigen Annahme des Gesetzgebers, der davon ausgegangen war, dass "die Zustimmungsverweigerung von Müttern" zum gemeinsamen Sorgerecht "nicht Eigeninteressen folgen", sondern der Wahrung des Kindeswohls dienen würde. Die Richter ordnete damals eine Übergangslösung an, die nun durch das neue Gesetz abgelöst wird.
Zusammengestellt von Christian Papesch für tagesschau.de