Arbeitsminister Hubertus Heil

Heil zu Debatte über K-Frage "Das war nicht gut in den letzten Tagen"

Stand: 23.11.2024 14:44 Uhr

Arbeitsminister Heil hat die tagelangen Debatten über die SPD-Kanzlerkandidatur kritisiert. Auf dem Juso-Bundeskongress sagt Heil, die SPD sei keine "Selbsthilfegruppe". Der Juso-Chef hatte zuvor von einer "Shitshow" gesprochen.

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Hubertus Heil hat sich verärgert über die Querelen um die Kanzlerkandidatur seiner Partei gezeigt. "Das war nicht gut in den letzten Tagen, damit muss jetzt Schluss sein", sagte der Arbeitsminister auf dem Bundeskongress der Jungsozialisten in Halle in Sachsen-Anhalt. "Unsere sozialdemokratische Partei, das ist kein Selbstzweck und das ist keine Selbsthilfegruppe."

Zum Auftakt des Juso-Kongresses hatte der Vorsitzende Philipp Türmer unter dem Applaus der rund 300 Delegierten den Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken Führungsversagen vorgeworfen: "So geht's nicht weiter. Was war das eigentlich für eine Shit Show in den letzten Wochen", sagte er an ihre Adresse.

Am Montag soll Scholz nominiert werden

Die Parteiführung hatte nach dem Koalitionsbruch und der Neuwahl-Entscheidung darauf verzichtet, Regierungschef Olaf Scholz sofort als Kanzlerkandidaten zu nominieren. Dadurch war in den vergangenen zwei Wochen eine Debatte über eine Einwechslung des weitaus beliebteren Verteidigungsministers Boris Pistorius entbrannt. Sie wurde erst am Donnerstag durch Pistorius' Verzicht auf die Kandidatur beendet. Am Montag will der Vorstand nun Scholz als Kanzlerkandidaten nominieren.

Heil kritisierte die Querelen mit klaren Worten, benannte anders als Türmer aber keine Verantwortlichen. "Ich habe persönlich auch darunter gelitten, dass diese SPD sich mit sich selbst beschäftigt hat", sagte Heil. "Wir sind nicht für uns selbst da, sondern wir müssen das Richtige für die Menschen in unserem Land tun."

"Wir müssen uns besser aufstellen"

Heil rief die Jusos auf, die Debatte nun zu beenden, den Blick nach vorne zu richten und sich auf die Wahl in genau drei Monaten am 23. Februar zu konzentrieren. "Wir müssen uns besser aufstellen als in den letzten Tagen", sagte er. Bei der Wahl gehe es um eine "Richtungsentscheidung" und die SPD müsse darum kämpfen, wieder stärkste Partei zu werden. "Kämpft mit, es geht nicht nur um uns, es geht um unser Land", rief er den Jusos zu. Die SPD müsse sich jetzt "verdammt nochmal zusammenreißen und gemeinsam stehen, damit wir gewinnen".

Die Jungsozialisten sind die Jugendorganisation der SPD mit rund 70.000 Mitgliedern zwischen 14 und 35 Jahren. Sie stellen fast ein Viertel der SPD-Abgeordneten im Bundestag. Kanzler Scholz wird wieder nicht teilnehmen. Er war in seinen fast drei Jahren als Regierungschef noch nie auf einen Juso-Kongress.

Frontaler Angriff auf Esken und Klingbeil

Türmer hatte am Freitag keine Präferenz für Scholz oder Pistorius erkennen lassen. Den Kanzler und designierten Kanzlerkandidaten Scholz erwähnte er mit keinem Wort. Die Parteichefs Esken und Klingbeil griff er dagegen frontal an. Diskussionen seien zwar wichtig, aber sie müssten "ordentlich moderiert und angeleitet" werden. "Und liebe Saskia, lieber Lars: Leider hatte ich zu keinem Zeitpunkt in den letzten Wochen den Eindruck, dass ihr die Herrschaft über diesen Prozess oder die Diskursherrschaft über die Partei oder gar einen klaren Plan hattet." 

Esken betonte am Rande des Kongresses, dass sie nicht glaube, dass die Debatte der Partei geschadet habe. "Wir gehen aus dieser Debatte nicht beschädigt, sondern auch gestärkt hervor, weil wir eben große Einigkeit jetzt erzielt haben", sagte sie vor Journalisten. "So eine geschlossene Partei, die sich jetzt auch hinter dem Spitzenpersonal versammelt und gemeinsam losläuft, ist die Stärke der SPD. So werden wir die Wahl gewinnen."

Arbeitsminister Heil ist nun der erste Vertreter der Parteiführung, der die Debatte um die Kanzlerkandidatur kritisiert. Klingbeil hatte sein Vorgehen zuvor ebenso wie Esken verteidigt. Natürlich müsse diskutiert werden in der Partei, sagte er am Freitag bei einer Konferenz von SPD-Kommunalpolitikern in Berlin. "Ich bin ein Parteivorsitzender, der nicht sagt Basta (...), sondern ich will auch reinhorchen in die Partei, ich will auch ernst nehmen, was diskutiert wird."

Pistorius: "Ich liebe meine gegenwärtige Aufgabe"

Boris Pistorius betonte heute bei einer Veranstaltung im Sauerland erneut, dass er sich als Kandidat nie ins Spiel gebracht und die Debatte nicht gewollt habe. "Ich liebe meine gegenwärtige Aufgabe, wirklich", sagte er. Er sei mit seiner Arbeit für die Bundeswehr noch nicht fertig und strebe eine zweite Amtszeit als Verteidigungsminister an. "Es gibt noch viel zu tun. Also sorgen Sie dafür, dass ich Verteidigungsminister bleibe."

Pistorius stellte sich bei der Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung vor 200 Zuhörern erneut klar hinter Scholz und nannte ihn den "richtigen Kanzlerkandidaten". Er stehe für "Vernunft, Ruhe und Besonnenheit und für einen klaren Kompass".

Scholz habe in schwersten Zeiten dafür gesorgt, dass es den Menschen weiter gut gehe, dass die von Russland angegriffene Ukraine mit Deutschland ihren wichtigsten Unterstützer in Europa habe. Es seien auch Fehler passiert, die aber nicht Scholz allein zu verantworten habe, sondern "noch ein paar mehr." Pistorius mahnte: "Wir sollten mit unserem Spitzenpersonal nicht so umgehen, wie es bisweilen mitunter passiert."

In Umfragen zwischen 14 und 16 Prozent

Nach der Nominierung von Scholz durch den Parteivorstand am Montag ist eine gemeinsame Pressekonferenz von Scholz und den beiden Vorsitzenden Klingbeil und Esken geplant. Am 30. November soll der Kanzler und Kanzlerkandidat dann auf einer "Wahlsiegkonferenz" im Berliner Willy-Brandt-Haus vor Kandidatinnen und Kandidaten seine erste große Wahlkampfrede halten. Am 11. Januar soll Scholz auf einem Parteitag dann noch einmal offiziell gekürt werden. 

Die Ausgangslage für Scholz könnte ungünstiger kaum sein. Wenn er wiedergewählt werden will, muss er eine extreme Aufholjagd hinlegen. In den Umfragen liegt die SPD mit Werten zwischen 14 und 16 Prozent noch 16 bis 19 Punkte hinter der Union.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 23. November 2024 um 15:00 Uhr.