SPD-Parteikonvent zur Europawahl "Wir brauchen mehr Herzblut"
Auf dem SPD-Konvent hat Parteichefin Nahles zum Kampf gegen Rechtspopulismus aufgerufen. Sie forderte "mehr Herzblut für Europa". Einstimmig beschlossen die 200 Delegierten das Programm für die Europawahl.
"Da gehts lang!" Beschwingt weist die SPD-Europakandidatin Katarina Barley mit ausgestrecktem Arm den Weg. Sie tut es vor allem für die Fotografen, denn der SPD-Prominenz an ihrer Seite ist beim Gruppenfoto längst klar, wo es lang gehen soll beim Parteikonvent zur Europawahl, was die zentrale Botschaft ist.
Und damit niemand diese Botschaft vergisst, steht der Kernsatz fett und in Großbuchstaben am Präsidiumstisch: "#EUROPA IST DIE ANTWORT", lautet er.
Nahles mit kämpferischer Rede
Während Kanzlerin Angela Merkel und die Union gezaudert hätten, auf die visionären Vorschläge von Frankreichs Staatspräsident angemessen zu antworten, sei die SPD die entschlossen proeuropäische deutsche Kraft an Macrons Seite, sagt Parteichefin Andrea Nahles. Sie bringt sich und die Delegierten mit einer kämpferischen Rede in Schwung.
Nahles ist so kämpferisch, dass sie am Ende das Rednerpult verlässt, ohne über das Tagungspräsidium abstimmen zu lassen. Das ist nur eine Formalie, die dann auch schnell erledigt ist. Aber ohne sie kann es eben auch nicht losgehen.
In den einzelnen EU-Ländern sollen Mindestlöhne von 60 Prozent des mittleren Lohns eingeführt werden. In Deutschland fordert die SPD eine Erhöhung der Lohnuntergrenze auf zwölf Euro. Soziale Grundrechte sollen verbindlich werden. Bezahlt werden soll dies unter anderem dadurch, dass es gegen den Wettlauf um die niedrigsten Unternehmenssteuern Mindeststeuersätze geben soll.
Für Konzerne wie Google, Apple oder Amazon fordert die SPD eine Digitalsteuer. Weitere Schwerpunkte setzt die Partei bei Umwelt und Frieden - so müsse sich Europa weiter für Abrüstung einsetzen.
Kritik an den "Lauen"
"Wir brauchen jetzt vor allem Europäerinnen und Europäer mit Herzblut", sagt Nahles. Und die Leidenschaft, mit der sie redet, zeigt, dass es bei dieser Wahl um viel geht - auch für die SPD, auch für sie selbst. Sollten die Sozialdemokraten bei der Europawahl ein schlechtes Ergebnis einfahren, dürfte Nahles' Position sicher nicht gestärkt werden.
Es geht auch um etwas für Europa, das Friedensprojekt, das die Schrecken zweier Kriege und die Barbarei der Nazis überwand, wie Nahles betont. Rechtspopulisten wollten zurück ins Nationale und gefährdeten das Gefüge Europas.
Gefahr drohe aber auch von jenen, die Nahles "die Lauen" nennt, die "Europa vor allem durch die innenpolitische Brille betrachten". CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer gehöre dazu, aber auch die Kanzlerin, die auf Macrons Vorschläge mit "dröhnendem Schweigen" geantwortet hätte.
Barley für ein Europa "der Bürgerinnen und Bürger"
Auch die schon im Dezember gekürte Europa-Kandidatin Barley greift die CDU-Vorsitzende direkt an: Kramp-Karrenbauer sage Nein zu einem Europa der Bürgerinnen und Bürger. Die CDU wolle ein Europa der Banken und einen Milliarden Euro teuren europäischen Flugzeugträger - das sei nicht, was die SPD sich für Europa vorstelle.
Die Sozialdemokraten wollen laut Barley dagegen einen europäischen Mindestlohn, mehr Mitbestimmung für Arbeitnehmer in ganz Europa, eine Digitalsteuer zumindest in den willigen Staaten Europas spätestens dann, wenn Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft inne hat. Und die Sozialdemokraten wollten eine Reform des europäischen Urheberrechts, das Kreative angemessen entschädigt und gleichzeitig ohne Zensur oder Upload-Filter auskomme.
All das gelinge nur gemeinsam im sozialdemokratischen Dreiklang von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität - darum gehe es in Europa, so Barley. Und das einzig Gute am Brexit sei, dass er den Rest Europas geeint habe. Am Ende ihrer Rede bläut sie den Delegierten nochmal ein, dass Europa die Antwort sei.
Als erste und einzige deutsche Ministerin bislang gibt Barley ihr Amt auf, um ins Europäische Parlament einzuziehen. Am Ende gibt es nochmal minutenlang Applaus - mit der Hoffnung, dass all das Herzblut auch für ein gutes Ergebnis bei der Europawahl am 26. Mai reicht.