Kritik an Thüringer CDU "Ganz besonderer politischer Tabubruch"
"Historisches Versagen", "Tabubruch", "fatale Entscheidung": Nach der Durchsetzung einer Steuersenkung mit Stimmen der AfD steht die CDU in Thüringen bundesweit massiv in der Kritik. Viele sehen die "Brandmauer nach rechts" eingerissen.
Die gemeinsame Verabschiedung eines Gesetzes im Thüringer Landtag durch CDU, AfD und FDP ist bundesweit auf scharfe Kritik gestoßen. "Die CDU in Thüringen hat gestern mit der Höcke-AfD gemeinsame Sache gemacht", hieß es in einer Erklärung des SPD-Parteivorstands in Berlin. "Mit diesen Demokratiefeinden darf es keine Zusammenarbeit geben", betonte die SPD-Spitze weiter auf der Plattform X (vormals Twitter).
"Diese Abstimmung war ein ganz besonderer politischer Tabubruch", sagte auch SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast dem "Spiegel". Sie warf der CDU vor, "von Anfang an mit den Stimmen der AfD geplant" zu haben. Dies sei "ein historisches Versagen der CDU", sagte sie weiter. "Jede und jeder, der jetzt bei der CDU noch von einer Brandmauer spricht, lügt sich selbst in die Tasche", fügte die SPD-Politikerin hinzu.
Göring-Eckardt: Offene Zusammenarbeit
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) warf der CDU in Thüringen vor, offen mit der AfD zusammengearbeitet zu haben. "Für mich ist es ein Tabubruch", sagte sie im rbb. Die Entscheidung sei absehbar gewesen. "Das zeigt mir, dass nicht nur die Brandmauer nicht mehr da ist, sondern dass es eine offene Zusammenarbeit gibt." Göring-Eckardt forderte die CDU auf, sich jetzt zu überlegen, welche Partei sie künftig sein wolle. Sie kritisierte auch das Verhalten der FDP in Thüringen.
"Die Entscheidung der CDU in Thüringen ist fatal", schrieb auch Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann auf X. Dies sei "ein weiterer Schritt zu einer Normalisierung der gesetzgeberischen Zusammenarbeit mit der antidemokratischen AfD". Haßelmann machte für diese Entwicklung CDU-Chef Friedrich Merz persönlich verantwortlich.
"Die CDU reißt die Brandmauer immer weiter ein"
Bundesinnenministerin Nancy Faeser warf der CDU einen "irrlichternden Umgang mit der AfD" vor. "Die CDU reißt die Brandmauer nach rechts außen immer weiter ein", sagte die SPD-Politikerin der Nachrichtenagentur dpa. Der gemeinsame Beschluss mit der Thüringer AfD unter Björn Höcke im Landtag sei "ein gefährlicher Beitrag zur Normalisierung von Rechtsextremen". Faeser warf die Frage auf, ob man sich in diesem für die Demokratie so wichtigen Punkt noch auf die CDU und ihren Vorsitzenden Merz verlassen könne.
"Friedrich Merz hat immer wieder gesagt, es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD. Heute hat man sich gemeinsam auf den Weg gemacht", kritisierte der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil in der ARD.
Ramelow: Schwärzester Tag seines parlamentarischen Lebens
Thüringens Ministerpräsident Ramelow (Linke) sagte im Deutschlandfunk, das sei in seinem langen parlamentarischen Leben der schwärzeste Tag gewesen. Das Ziel, Familien zu stärken, hätte auch zusammen mit den Regierungsparteien erreicht werden können. Die CDU müsse sich fragen, ob es ihr auf Inhalte ankomme oder ob sie am Ende die Türe öffne, damit die AfD von einer bürgerlichen Mehrheit sprechen könne, sagte der Linken-Politiker.
Bundes-FDP distanziert sich
Auch aus der FDP im Bund kommt Kritik am Vorgehen der Partei in Thüringen. Dafür gebe es "keinerlei Unterstützung der Bundespartei", sagte die Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann dem "Spiegel". Strack-Zimmermann erinnerte dabei an die umstrittene Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich, der 2020 in Thüringen mit Unterstützung von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden war. Er trat kurz darauf auch auf Druck der Bundes-FDP wieder zurück. Seither gilt das Verhältnis zwischen der FDP im Bund und in Thüringen als schwierig.
CDU-Generalsekretär verteidigt Parteikollegen
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann verteidigte das Vorgehen seiner Partei in Thüringen. "Wie andere Fraktionen sich dazu verhalten, darf für uns nicht Maßstab sein", sagte Linnemann der "Rheinischen Post". "Die CDU konzentriert sich auf Sacharbeit. Uns geht es um die richtigen Weichenstellungen für unser Land und nicht um taktisches Geplänkel", fügte er hinzu. Deswegen sei es richtig gewesen, einen Antrag zur Senkung der Grunderwerbsteuer in den Thüringer Landtag einzubringen. Damit würden gerade junge Familien entlastet und die Wirtschaft angekurbelt.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzender Daniel Günther mahnte dagegen eine konsequente Haltung seiner Partei gegenüber der AfD an. "Die Haltung der CDU Schleswig-Holstein ist klar: Ein wie auch immer geartetes Zusammenwirken mit der AfD ist ausgeschlossen", sagte Günther. "Das gilt auch für eigene Initiativen, die absehbar nur mit Hilfe dieser Partei Aussicht auf Erfolg haben." Die zunehmende Radikalisierung der AfD erfordere eine noch konsequentere Haltung gerade einer konservativen Partei, sagte Günther. Das Vorgehen in Thüringen widerspreche dieser Haltung.
Der Thüringer Landtag hatte mit den Stimmen von CDU, AfD und FDP eine Senkung der Grunderwerbssteuer im Freistaat beschlossen. Im Parlament stimmten am Donnerstagabend die Abgeordneten der Fraktionen von CDU und AfD sowie die FDP für den CDU-Antrag. Die Regierungsfraktionen von Linken, Grünen und SPD stimmten dagegen.