Amateurfußball Strengere Regeln für Wettanbieter?
Im Ausland wird laut BR-Recherchen auf deutschen Amateurfußball gewettet. Dadurch besteht die Gefahr von Manipulationen. Die Innenministerkonferenz befasst sich nun mit einer möglichen Gesetzesänderung.
In der vergangenen Saison landeten zahlreiche Fußballspiele aus der Ober- und Regionalliga auf dem internationalen Live-Wettmarkt - man konnte also im Ausland auf die Spiele wetten, während das hierzulande verboten ist. Das hatten Recherchen des BR gezeigt.
Der Grund für das Verbot liegt im besonderen Schutzbedürfnis des Amateursports. Anders als Profis verdienen Amateursportler oft wenig oder gar nichts mit ihrem Sport und sind damit anfälliger für mögliche Wettmanipulationen.
Seit der Veröffentlichung der ARD-Story "Angriff auf den Amateurfußball - Die Gier der Wettindustrie" wurden auf verschiedenen Ebenen Maßnahmen ergriffen, um Sportwetten auf deutsche Amateurfußallspiele einzuschränken. Viele Vereine und Spieler wussten vor den Recherchen nicht, dass ihre Partien Teil des globales Sportwettmarkts sind.
Auch die Innenministerkonferenz der Länder, die im brandenburgischen Rheinsberg beginnt, befasst sich mit einer Verschärfung des Glücksspielrechts. Das hat der Bayerische Rundfunk (BR) im Vorfeld aus dem Teilnehmerkreis erfahren. "Sportwetten im Amateurfußball", so lautet Tagesordnungspunkt 64 bei der Innenministerkonferenz.
Vereine verbannen Datenscouts - weniger Wettangebote
Ein zentraler Punkt, der sich seit Veröffentlichung der Recherche bereits verändert hat: Sogenannte Datenscouts, die Amateurspiele live vor Ort beobachten und tickern, um Online-Wetten quasi in Echtzeit zu ermöglichen, sind im deutschen Amateurfußball offenbar weniger aktiv. Zahlreiche Amateurvereine machen jetzt von ihrem Hausrecht Gebrauch und verbieten das Datensammeln für Sportwetten auf ihren Sportplätzen.
Landesverbände wie in Hessen oder Sachsen-Anhalt haben für das Thema sensibilisiert und Vereinen Handreichungen für den Umgang mit Datenscouts zur Verfügung gestellt. Die Auftraggeber solcher Datensammler sind Sportdatenunternehmen wie zum Beispiel der Schweizer Tech-Konzern Sportradar, welche die Live-Daten wiederum an Wettanbieter verkaufen. Die Verantwortung, wie diese Daten, genutzt werden, liege bei den Wettanbietern, teilte Sportradar auf BR-Anfrage mit: Das Unternehmen verpflichte Wettanbieter vertraglich, sich an die Gesetze der jeweiligen Länder zu halten.
Eine Datenauswertung von BR Data legt nahe, dass die Zahl der Sportradar-Datenscouts in der Regional- und Oberliga seit der Veröffentlichung im August deutlich abgenommen hat. Laut Auswertung des BR übermittelte Sportradar im Oktober keine Live-Daten mehr von Oberliga-Spielen. Auch in der Regionalliga hat der Einsatz von Sportradar-Datenscouts deutlich abgenommen. In der gesamten Saison 2023/24 hatte Sportradar noch von mindestens 2.700 deutschen Amateurspielen Live-Daten übermittelt. Auf eine erneute Anfrage reagierte das Unternehmen nicht.
Sportminister übergeben Thema an die Innenminister
Vor den Innenministern hatte sich schon die Sportministerkonferenz der Länder mit Wetten im Amateurfußball auseinandergesetzt. Anfang November kritisierten die Sportminister in München die aktuelle Gesetzeslage als unzureichend. In einem Beschlusspapier der Konferenz heißt es, die Innenministerkonferenz solle "regulatorische Maßnahmen" prüfen, damit das ausländische Angebot von Wetten im Amateurbereich eingeschränkt wird. Die sei notwendig, um die Integrität des Sports zu gewährleisten. Ein Vorschlag der Sportminister lautet: In Deutschland sollen nur noch Wettanbieter eine staatliche Erlaubnis erhalten, die nachweislich keine Sportwetten auf Amateurspiele anbieten - auch aus dem Ausland.
Glücksspielbehörde zur Prüfung aufgefordert
BR-Recherchen hatten gezeigt: Neben zahlreichen Sportwettanbietern ohne staatliche Erlaubnis in Deutschland, bieten auch einige lizensierte Anbieter hierzulande verbotene Wetten auf Fußballspiele unterhalb der dritten Liga an - allerdings nur in ihrem ausländischen Wettangebot.
Als staatliche Aufsichts- und Vollzugsbehörde steht die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) in der Pflicht, gegen illegale Wettangebote vorzugehen. Bisher betonte die GGL, nicht für Wettangebote im Ausland zuständig zu sein - auch wenn es sich um Schwesterunternehmen deutscher Lizenzinhaber handelt. Auf eine Anfrage teilt eine GGL-Sprecherin mit, die Behörde begrüße den "gesellschaftlichen und politischen Diskurs". Laut dem Beschluss der Sportminister soll die Behörde erneut prüfen, wie sie gegen im Ausland angebotene Wetten auf deutschen Amateursport vorgehen kann.
DFB-Sponsor bietet keine Amateurspiele mehr an
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) verweist im Umgang mit Datenscouts auf das Hausrecht der Vereine. Dabei unterstütze der DFB die Landesverbände mit Workshops und Informationsmaterialien. Außerdem teilte der DFB mit, dass sein Sponsoring-Partner Interwetten inzwischen keine Wetten mehr auf deutsche Amateurfußballspiele auf seinen internationalen Plattformen anbietet.
Der Verband lobte das "Verantwortungsbewusstsein" seines Sponsors. Beim DFB hat eine Kehrtwende stattgefunden: Noch im Mai hatte DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann erklärt, er sehe kein Problem darin, dass Interwetten auf ausländischen Wettmärkten deutsche Amateurspiele anbiete.
Verbände wünschen sich Rechtssicherheit
Bereits Anfang Oktober hatte sich der Sportausschuss im Deutschen Bundestag mit der Manipulationsgefahr im deutschen Amateurfußball beschäftigt. Anlass waren unter anderem die BR-Recherchen. Christian Okun, Präsident des Hamburger Fußball-Verbands, forderte in der Ausschusssitzung unter anderem mehr Rechtssicherheit für Vereine und Landesverbände. Die entscheidenden Weichen dafür könnten nun auf der Innenministerkonferenz der Länder gestellt werden.